taunusreiter TAUNUSREITER
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Neu Jan. 2020

Von den Alpen bis zum Meer - 1092 km in 27 Tagen  -- Juli 2019

Khorsheet -1. Tag

Das Pferd - Arabisches Vollblut

Manche halten Araberpferde für nicht besonders geeignet für Wanderritte, weil zu empfindlich und nervös, und zu leicht gebaut um Erwachsene und Gepäck zu tragen. Ich denke, dass man das nicht verallgemeinern kann. Sicherlich gibt es Araber die recht „anstrengend“ und schwierig zu reiten sind, und auch Schwächlinge und fehlerhaft gebaute, die man auch mit viel ausbildungsmäßigen Mühen nicht hinbekommt. Unsere heutige Zucht selektiert oft nach verkehrten Kriterien, und viele Züchter verstehen nichts vom Reiten. Das Resultat sind häufig Zuchtprodukte mit übertriebenem Ausdruck, extremen Köpfen, die oft nicht einmal erkennen lassen ob sie Stute oder Hengst sind, und hüpfenden Gängen, die niemand reiten könnte oder wollte.

Khorsheet habe ich vor 8 Jahren als gut gebautes, kompaktes Universalreitpferd gekauft, und bin mit ihr seither 20.000 km geritten; in der gesamten Zeit brauchte sie außer zum Impfen und Zahnkontrolle den Tierarzt nur 3x und lahmte insgesamt eine Woche nach Verletzungen auf der Koppel. Zu reiten ist sie ausgesprochen angenehm und bequem, geht gut vorwärts ohne auf den Zügel zu drücken, ist dabei immer am Schenkel, hellwach und mit dabei, zeigt dass es ihr gefällt zu gehen. Sie ist auch gern mal schnell unterwegs, aber kein Raser. Auf Distanzritten geht sie konstant und hat immer Bomben-Werte, aber die schnellste ist sie nie.

So wie sie den Humor und den Glanz des Jungpferds bewahrt hat, so ruhig, professionell und selbständig ist sie sobald das Gelände schwierig wird. Immer in bester Haltung und mit angenehmen Takt. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich ihr das beibringen musste. Nur mit Gebiss lief sie anfangs mehrere Monate gar nicht. Dafür war sie danach unglaublich schnell kandarenreif. Wie bei vielen Arabern ist die Kandare (bewegliche Westernstange) bei den berühmten „arabischen Minuten“ - bei ihr sind die "Anfälle" wirklich immer ganz kurz - hilfreicher als die Trense. Aber sie geht auf jeden alten Bindfaden oder auch am Knotenhalfter. Unsere Tochter hat sie mit 8 Jahren schon so geritten. Bei der Kavallerie Preußens wäre sie ein Generalspferd gewesen. Wenn ich mit 80 Jahren noch lebe und reiten kann, wünsche ich mir ein Pferd das geht wie sie.

Man muss bei Arabern sehr auf den Typ*) achten, sie sind sehr unterschiedlich. Am angenehmsten zu reiten sind die Kuheilan, weil sie die stärksten Kruppen- und Lendenpartien haben. Sie stehen im Gleichgewicht, haben die beste Selbsthaltung, von ihnen sagte man „König der Reitpferde, Reitpferd der Könige“. Im Gegensatz zu den Saqlawi und Muniqi ist an ihnen alles „rund“, sie haben keine Ecken und neigen eher zum Fettansatz, während die anderen unter Belastung abmagern. Khorsheet wird oft für einen Araber-Berber oder Quarab gehalten, gar für einen Lipizaner, weil Pferdeleute diesen Typ kaum noch kennen. In den alten polnischen oder Crabbet-Linien kamen diese Pferde häufiger vor, und waren als reine Araber noch selten waren die gesuchtesten und kostbarsten.

Das wichtigste für ein Wanderrittpferd (wie für jedes gute Gebrauchsreitpferd und Freizeitpferd überhaupt) ist, dass es ausbalanciert und verschleißfrei läuft. Das können viele Vollblutpferde nicht, häufig aus Mangel an Kraft und entsprechend ausgebildeter Muskulatur. Besonders die Oberschenkel sind wichtig. Wenn die Hüfte schmal ist, haben kräftige Oberschenkel darunter gar nicht Platz. Solche Pferde bleiben immer vorhandlastig und sind dann eher als Ausdauerrennpferde (unter niedrigem Gewicht) geeignet, aber nicht für lange ruhige Ritte mit Gepäck. Ob sie dabei auf Dauer gesund bleiben ist leider Glücksache, auch bei guten Reitern. Was meine Khorsheet am meisten belastet - und jedes gut ausbalancierte Pferd, das sich gut trägt - sind die hinteren Fesselgelenke.

Dann ist da noch meine zweite, jüngere Araberstute, aus ägyptischen Linien, eigentlich als mein Nachwuchspferd gedacht. Eine Weile überlegte ich, beide Pferde abwechselnd zu reiten. Entschied mich aber dagegen: die 7-Jährige ist immer noch zu unrittig und charakterlich nicht stabil genug. Sie mitzunehmen würde das Risiko vervierfachen, die mögliche Leistungsfähigkeit aber kaum erhöhen. Denn Hand- und Reitpferd alle 3-4 Stunden zu wechseln schafft höchstens ein Fünftel mehr Strecke, und man hat dann durchgeschwitzte Satteldecken. Ich beschließe daher, dass mein bestes und zuverlässigstes Pferd mich allein tragen muss. Das Viertel, das sie als Gepäck mehr tragen muss als gewöhnlich, werde ich dann eben mehr laufen! In acht Jahren hat sie mich noch nie im Stich gelassen, und ich vertraue darauf, dass sie es auch diesmal nicht tut. Wenn Khorsheet müde wird, was selten vorkommt, lässt sie mich das spüren. Die andere läuft verzweifelt weiter und bräuchte dabei vermutlich die doppelte Futtermenge. Dabei ist Khorsheet aber noch die bessere Fresserin, hat noch nie etwas stehen lassen, und auch noch nie eine Kolik.

Zwei Wochen vor dem Ritt brachte Khorsheet 425 kg auf die Waage (gemessen nach einem 57-km-Ritt). Bis zum Ritt bekam sie noch etwas Extrafutter zum Zusetzen, ich hätte sie lieber bei 450 kg gehabt. Ich selbst brachte 86 kg auf die Waage (nach dem Ritt 81 kg), Khorsheet dürfte auch etwas abgenommen haben, aber nur wenig. Das ist auf allen Ritten nahezu unvermeidlich. Gepäck lag bei 22 kg (ohne Futter), Militärsattel 9,5 kg, Woilach 2,5 kg. Link : Ausrüstung

Khorsheet - Camin
Bild: Khorsheet am 24. Ritt-Tag - oben aufgepackt der Hafer von Redefin - noch 90 km bis zum Meer

Die Fütterung und Tageseinteilung unterwegs

Unterwegs ist es kaum möglich soviel zu füttern, wie das Pferd verbraucht. An 20 der 27 Reittage hatte ich abends im Übernachtungsquartier oder Tags unterwegs Futter organsiert. 7 der 27 Tage hatte ich entweder kein Kraftfutter oder musste mit der Reserve des Vortages auskommen. Der Ansatz „Je Reitstunde 1 kg Hafer“ (oder anderes Getreide) entsprechend etwa 11,5 MJ Energie scheint mir im Grundsatz richtig. 6-7 kg guten Hafer konnte meine Stute pro Tag durchaus verdrücken, bei hoher Belastung und ausgezeichneter Haferqualität noch etwas mehr. Vielfach war der aber nicht zu bekommen, und wir mussten uns mit dem durchschlagen, was verfügbar war, oft Quetschhafer, energiearmes Müsli oder spelziger Schwarzhafer. In Gegenden ohne viel Getreideanbau und kaum Pferden habe ich beim Einkaufen immer auch Haferflocken gekauft und einen Teil gleich verfüttert (nur die guten Markenflocken, die weniger mehlig sind und mehr „Biss“ haben, die anderen schmecken Pferden nicht). Wenn ich irgendwo ganzen Hafer bekam, machte ich auch immer gleich eine Pause um 1,5-2 kg davon zu verfüttern. Dann nahm ich einen vollen Sack mit und verfütterte davon abends und am nächsten Morgen 4-4,5 kg, je nach Qualität der Weide am Übernachtungsplatz. Bei guter Weide konnte ich dann noch etwas Reserve für den kommenden Reittag zurückbehalten, sodass ich nicht jeden Tag Kraftfutter organisieren brauchte. Dann war das Futter mit ca. 2 kg für abends und morgens schon knapp, und gutes Gras war noch wichtiger. Darauf legte ich bei der Wahl der Übernachtungsplätze höchsten Wert (und das bekommt man nicht immer, wenn man in trockenen Sommern unterwegs ist). Pferde die tagelang marschieren, brauchen nicht allein Zufutter, sondern auch besseres Gras als einheimische, die vorwiegend herumstehen. Das ist nicht allen einsichtig. Deshalb kann ich denen nicht zustimmen, die behaupten, das wichtigste fürs Wanderpferd sei allein genügend gutes Gras. In Norddeutschland hatte ich Khorsheet abwechselnd in Boxenställen und auf Privat- und Gartengrundstücken mit fettem Kleegras stehen. Auf den vertrockneten Weiden dort hätte sie wohl Hunger gelitten. Ich kenne aber sehr wohl Pferde die solches Gras überhaupt nicht vertragen.

Energiesparendes Reiten war mir sehr wichtig. Schritt bin ich nur selten geritten, fast immer habe ich ihn geführt. Ein gutkonditioniertes Voll- oder Halbblutpferd verbraucht im Schritt oder ruhigen Trab in der Ebene gleichviel Energie pro KM und kommt dabei gleich wenig ins Schwitzen, im Trab häufig sogar weniger, und wird weniger von Insekten belästigt. Im Trab ist es auch eher mit der Tagesleistung fertig und hat dann mehr Zeit zum Fressen und Ruhen übrig! Natürlich muss dann das Gepäck derart fest verschnallt sein, dass es weder Pferd noch Reiter belästigt. Für nicht zu schwere Ponys gilt dasselbe; vor 25 Jahren bin ich mit meinem Isländer – nachdem er für Distanzritte trainiert war – dieselben Tagesleistungen wie heute mit den Arabern geritten und ebenfalls viel getrabt. Und nachdem ich zu allererst im Schritt häufig 10 Stunden unterwegs war, was wirklich an die Nieren geht, sage ich heute "7 Stunden sind genug" (als Tagesdurchschnitt reine Reitzeit auf einem Ritt länger als 3-4 Tage). Dabei kann man sehr viel Pausen machen, aber immer nur da, wo gutes Futter für die Pferde ist. Für den Anfänger, und den der erst lernen muss sein Gepäck so zu organisieren dass es bei höheren Gangarten nicht behindert, reichen fünf Stunden völlig.

Nach gerittenen 1.092 km in 27 Tagen haben sich Wahl und Methodik bestätigt. Die anfangs etwas sportlichen Etappen (42-43 km Tagesdurchschnitt) beruhigten und verkürzten sich (von 7:05 Std. Reitzeit-Durchschnitt je Tag auf 5:45 Std.). Dies ist wohl auch die Methode um noch längere Ritte (1.000 Meilen und mehr) zu reiten. Ruhetagen konnte ich noch nie etwas abgewinnen, wenn der Organismus auf ständige Bewegung und hohe Futterzufuhr eingestellt ist. Ich bleibe lieber in Bewegung und reite dafür etwas kürzer, wenn sich ein hervorragendes Quartier anbietet, oder das Wetter extrem schlecht ist.


Weiter mit Teil 2 : Vorbereitung und Streckenplanung

Übersichtskarte
      (27 Etappen)

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*) Da dies ist eine Seite übers Wanderreiten ist, nicht über Arabische Pferdezucht, erlaube ich mir die etwas unscharfe Verwendung des Begriffs "Typ". Arabischer Typ meint sowohl Qualität ("Guter" vs. "schlechter" Typ im Sinne von Rassetyp und Geschlechtstyp, "typvoll"...) als auch phänotypische Eingruppierung (Koheilan, Saqlawi, Muniqui), die meist korrelativ, aber nicht unbedingt identisch mit den arabischen Familienstämmen sind. Es können also zwei völlig unterschiedlich aussehende Araber beide typvoll sein, wenn der eine den Koheilan-, der andere den Muniqi- gut verkörpert. Eine Sache vorwiegend der praktischen Beurteilung. Linien beschreiben dagegen die Herkunft und Zuchtrichtung, und sind damit etwas anderes...