Manche
halten Araberpferde für nicht besonders geeignet für
Wanderritte, weil zu empfindlich und nervös, und zu leicht
gebaut um Erwachsene und Gepäck zu tragen. Ich denke, dass man
das nicht verallgemeinern kann. Sicherlich gibt es Araber die
recht „anstrengend“ und schwierig zu reiten sind, und auch
Schwächlinge und fehlerhaft gebaute, die man auch mit viel
ausbildungsmäßigen Mühen nicht hinbekommt. Unsere heutige Zucht
selektiert oft nach verkehrten Kriterien, und viele Züchter
verstehen nichts vom Reiten. Das Resultat sind häufig
Zuchtprodukte mit übertriebenem Ausdruck, extremen Köpfen, die
oft nicht einmal erkennen lassen ob sie Stute oder Hengst sind,
und hüpfenden Gängen, die niemand reiten könnte oder wollte.
Khorsheet habe ich vor 8 Jahren als gut gebautes, kompaktes
Universalreitpferd gekauft, und bin mit ihr seither 20.000 km
geritten; in der gesamten Zeit brauchte sie außer zum Impfen und
Zahnkontrolle den Tierarzt nur 3x und lahmte insgesamt eine
Woche nach Verletzungen auf der Koppel. Zu reiten ist sie
ausgesprochen angenehm und bequem, geht gut vorwärts ohne auf
den Zügel zu drücken, ist dabei immer am Schenkel, hellwach und
mit dabei, zeigt dass es ihr gefällt zu gehen. Sie ist auch gern
mal schnell unterwegs, aber kein Raser. Auf Distanzritten geht
sie konstant und hat immer Bomben-Werte, aber die schnellste ist
sie nie.
So
wie sie den Humor und den Glanz des Jungpferds bewahrt hat, so
ruhig, professionell und selbständig ist sie sobald das Gelände
schwierig wird. Immer in bester Haltung und mit angenehmen Takt.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich ihr das beibringen
musste. Nur mit Gebiss lief sie anfangs mehrere Monate gar
nicht. Dafür war sie danach unglaublich schnell kandarenreif.
Wie bei vielen Arabern ist die Kandare
(bewegliche Westernstange) bei den berühmten „arabischen
Minuten“ - bei ihr sind die "Anfälle" wirklich immer ganz kurz -
hilfreicher als die Trense. Aber sie geht auf jeden alten
Bindfaden oder auch am Knotenhalfter. Unsere Tochter hat sie mit
8 Jahren schon so geritten. Bei der Kavallerie Preußens wäre sie
ein Generalspferd gewesen. Wenn ich mit 80 Jahren noch lebe und
reiten kann, wünsche ich mir ein Pferd das geht wie sie.
Man
muss
bei Arabern sehr auf den Typ*)
achten, sie sind sehr unterschiedlich. Am angenehmsten zu reiten
sind die Kuheilan,
weil sie die stärksten Kruppen- und Lendenpartien haben. Sie
stehen im Gleichgewicht, haben die beste Selbsthaltung, von
ihnen sagte man „König der Reitpferde, Reitpferd der Könige“. Im
Gegensatz zu den Saqlawi und Muniqi ist an ihnen alles „rund“,
sie haben keine Ecken und neigen eher zum Fettansatz, während
die anderen unter Belastung abmagern. Khorsheet wird oft für
einen Araber-Berber oder Quarab gehalten, gar für einen
Lipizaner, weil Pferdeleute diesen Typ kaum noch kennen. In den
alten polnischen oder Crabbet-Linien kamen diese Pferde häufiger
vor, und waren als reine Araber noch selten waren die
gesuchtesten und kostbarsten.
Das
wichtigste
für ein Wanderrittpferd (wie für jedes gute Gebrauchsreitpferd
und Freizeitpferd überhaupt) ist, dass es ausbalanciert und
verschleißfrei läuft. Das können viele Vollblutpferde nicht,
häufig aus Mangel an Kraft und entsprechend ausgebildeter
Muskulatur. Besonders die Oberschenkel sind wichtig. Wenn die
Hüfte schmal ist, haben kräftige Oberschenkel darunter gar nicht
Platz. Solche Pferde bleiben immer vorhandlastig und sind dann
eher als Ausdauerrennpferde (unter niedrigem Gewicht) geeignet,
aber nicht für lange ruhige Ritte mit Gepäck. Ob sie dabei auf
Dauer gesund bleiben ist leider Glücksache, auch bei guten
Reitern. Was meine Khorsheet am meisten belastet - und jedes gut
ausbalancierte Pferd, das sich gut trägt - sind die hinteren
Fesselgelenke.
Dann
ist da noch meine zweite, jüngere Araberstute, aus ägyptischen
Linien, eigentlich als mein Nachwuchspferd gedacht. Eine Weile
überlegte ich, beide Pferde abwechselnd zu reiten. Entschied
mich aber dagegen: die 7-Jährige ist immer noch zu unrittig und
charakterlich nicht stabil genug. Sie mitzunehmen würde das
Risiko vervierfachen, die mögliche Leistungsfähigkeit aber kaum
erhöhen. Denn Hand- und Reitpferd alle 3-4 Stunden zu wechseln
schafft höchstens ein Fünftel mehr Strecke, und man hat dann
durchgeschwitzte Satteldecken. Ich beschließe daher, dass mein
bestes und zuverlässigstes Pferd mich allein tragen muss. Das
Viertel, das sie als Gepäck mehr tragen muss als gewöhnlich,
werde ich dann eben mehr laufen! In acht Jahren hat sie mich
noch nie im Stich gelassen, und ich vertraue darauf, dass sie es
auch diesmal nicht tut. Wenn Khorsheet müde wird, was selten
vorkommt, lässt sie mich das spüren. Die andere läuft
verzweifelt weiter und bräuchte dabei vermutlich die doppelte
Futtermenge. Dabei ist Khorsheet aber noch die bessere
Fresserin, hat noch nie etwas stehen lassen, und auch noch nie
eine Kolik.
Zwei
Wochen
vor dem Ritt brachte Khorsheet 425 kg auf die Waage (gemessen
nach einem 57-km-Ritt). Bis zum Ritt bekam sie noch etwas
Extrafutter zum Zusetzen, ich hätte sie lieber bei 450 kg
gehabt. Ich selbst brachte 86 kg auf die Waage (nach dem Ritt 81
kg), Khorsheet dürfte auch etwas abgenommen haben, aber nur
wenig. Das ist auf allen Ritten nahezu unvermeidlich. Gepäck lag
bei 22 kg (ohne Futter), Militärsattel 9,5 kg, Woilach 2,5 kg. Link : Ausrüstung
Bild: Khorsheet am 24. Ritt-Tag - oben aufgepackt der Hafer von
Redefin - noch 90 km bis zum Meer
Unterwegs
ist
es kaum möglich soviel zu füttern, wie das Pferd verbraucht. An
20 der 27 Reittage hatte ich abends im Übernachtungsquartier
oder Tags unterwegs Futter organsiert. 7 der 27 Tage hatte ich
entweder kein Kraftfutter oder musste mit der Reserve des
Vortages auskommen. Der Ansatz „Je Reitstunde 1 kg Hafer“
(oder anderes Getreide) entsprechend etwa 11,5 MJ Energie
scheint mir im Grundsatz richtig. 6-7 kg guten Hafer konnte
meine Stute pro Tag durchaus verdrücken, bei hoher Belastung und
ausgezeichneter Haferqualität noch etwas mehr. Vielfach war der
aber nicht zu bekommen, und wir mussten uns mit dem
durchschlagen, was verfügbar war, oft Quetschhafer, energiearmes
Müsli oder spelziger Schwarzhafer. In Gegenden ohne viel
Getreideanbau und kaum Pferden habe ich beim Einkaufen immer
auch Haferflocken gekauft und einen Teil gleich verfüttert (nur
die guten Markenflocken, die weniger mehlig sind und mehr „Biss“
haben, die anderen schmecken Pferden nicht). Wenn ich irgendwo
ganzen Hafer bekam, machte ich auch immer gleich eine Pause um
1,5-2 kg davon zu verfüttern. Dann nahm ich einen vollen Sack
mit und verfütterte davon abends und am nächsten Morgen 4-4,5
kg, je nach Qualität der Weide am Übernachtungsplatz. Bei guter
Weide konnte ich dann noch etwas Reserve für den kommenden
Reittag zurückbehalten, sodass ich nicht jeden Tag Kraftfutter
organisieren brauchte. Dann war das Futter mit ca. 2 kg für
abends und morgens schon knapp, und gutes Gras war noch
wichtiger. Darauf legte ich bei der Wahl der Übernachtungsplätze
höchsten Wert (und das bekommt man nicht immer, wenn man in
trockenen Sommern unterwegs ist). Pferde die tagelang
marschieren, brauchen nicht allein Zufutter, sondern auch
besseres Gras als einheimische, die vorwiegend herumstehen. Das
ist nicht allen einsichtig. Deshalb kann ich denen nicht
zustimmen, die behaupten, das wichtigste fürs Wanderpferd sei
allein genügend gutes Gras. In Norddeutschland hatte ich
Khorsheet abwechselnd in Boxenställen und auf Privat- und
Gartengrundstücken mit fettem Kleegras stehen. Auf den
vertrockneten Weiden dort hätte sie wohl Hunger gelitten. Ich
kenne aber sehr wohl Pferde die solches Gras überhaupt nicht
vertragen.
Energiesparendes
Reiten
war mir sehr wichtig. Schritt bin ich nur selten geritten, fast
immer habe ich ihn geführt. Ein gutkonditioniertes Voll- oder
Halbblutpferd verbraucht im Schritt oder ruhigen Trab in der
Ebene gleichviel Energie pro KM und kommt dabei gleich wenig ins
Schwitzen, im Trab häufig sogar weniger, und wird weniger von
Insekten belästigt. Im Trab ist es auch eher mit der
Tagesleistung fertig und hat dann mehr Zeit zum Fressen und
Ruhen übrig! Natürlich muss dann das Gepäck derart fest
verschnallt sein, dass es weder Pferd noch Reiter belästigt. Für
nicht zu schwere Ponys gilt dasselbe; vor 25 Jahren bin ich mit
meinem Isländer – nachdem er für Distanzritte trainiert war –
dieselben Tagesleistungen wie heute mit den Arabern geritten und
ebenfalls viel getrabt. Und nachdem ich zu allererst im Schritt
häufig 10 Stunden unterwegs war, was wirklich an die Nieren
geht, sage ich heute "7 Stunden sind genug" (als
Tagesdurchschnitt reine Reitzeit auf einem Ritt länger als 3-4
Tage). Dabei kann man sehr viel Pausen machen, aber immer nur
da, wo gutes Futter für die Pferde ist. Für den Anfänger, und
den der erst lernen muss sein Gepäck so zu organisieren dass es
bei höheren Gangarten nicht behindert, reichen fünf Stunden
völlig.
Nach
gerittenen
1.092 km in 27 Tagen haben sich Wahl und Methodik bestätigt. Die
anfangs etwas sportlichen Etappen (42-43 km Tagesdurchschnitt)
beruhigten und verkürzten sich (von 7:05 Std.
Reitzeit-Durchschnitt je Tag auf 5:45 Std.). Dies ist wohl auch
die Methode um noch längere Ritte (1.000 Meilen und mehr) zu
reiten. Ruhetagen konnte ich noch nie etwas abgewinnen, wenn der
Organismus auf ständige Bewegung und hohe Futterzufuhr
eingestellt ist. Ich bleibe lieber in Bewegung und reite dafür
etwas kürzer, wenn sich ein hervorragendes Quartier anbietet,
oder das Wetter extrem schlecht ist.