Zur Idee für den Ritt kam ich 2016 über
den Bericht über den Distanzritt
„Hamburg-München“ (1976) im selten zu findenden Buch der
damaligen Teilnehmerin Ursula Schmitt. Die Reiter mussten
damals westlich um den Harz herum, durch die Gegend von
Salzgitter, und es gab viele Klagen über harte Wege und viel
Asphalt. Weiter im Osten konnte man wegen der Stacheldrahtgrenze
zur DDR nicht reiten. Das müsste heute viel angenehmer gehen,
dachte ich mir.
Zunächst war meine Idee, die Strecke wie für einen Distanzritt
auszuarbeiten, mit Tagesstrecken von 60 bis maximal 70 KM.
Ich habe auf den Albritten erlebt, dass meine Stute das über
mehrere Tage (ohne Gepäck) schafft und dabei in glänzender
Verfassung bleibt oder sogar zunimmt. In Tempo 6 geritten - die
besseren Wege im leichten Trab, die schlechteren im Schritt
geführt. 6-7 Stunden Reitzeit am Tag, damit genügend Zeit für
Fressen und Ruhe bleibt. Das kann fast jedes gute Pferd
schaffen, finde ich. Nicht zu schwer, gesund, trainiert,
schlank, fitter Reiter, usw... vorausgesetzt.
Anstatt von Nord nach Süd wollte ich von Süd nach Nord reiten. Und dann kam der Gedanke : Anstatt in die Heide südlich von Hamburg, wo mir als Ortsunkundigem kein markantes Ziel einfällt, wäre die Strecke nicht viel weiter, wenn man, immer am Schaalsee entlang, an die Ostsee (Lübecker Bucht) ritte... „Von den Alpen hinab ans Meer“.
Diese
Strecke
hatte ich in 16 Tagesetappen aufgeteilt und mit 988,6
KM exakt vermessen:
Start
Münchner
Hütte/ Spitzingsee
1. Römersiedlung
Peiß (49)
2. Neukirchen
östl. Erding (58)
3. Pöbenhausen
(68)
4. Tiefenhüll
(über Donaufähre Hiernheim = diese nimmt nun keine Pferde mehr
mit) und Tatzelwurmbrücke (63)
5. Pommelsbrunn,
Wüllersdorf 1 (60)
6. Plankenfels
(68)
7. Schnabrichsmühle
(61)
8. Linda
(66)
9. Eckartsberga
(71)
10. Sotterhausen (52)
11. Königsauer See (54)
12. Bülstringen (70)
13. Hohenböddenstedt (69)
14. Darchau, Göpelhaus
(Elbfähre) (68)
15. Knese, Dutzow,
Gutshof-Ruine (60)
16. Brook, Ostsee (Klützer
Winkel) (51)
Nach
all den Planungen und Ausmessungen kamen mir die
Streckenlängenangaben der Distanzritte Hamburg-München (1976)
wie auch vom Trabweg Elsaß – Nordsee 1991 nicht nachvollziehbar
hoch vor, denn meine Strecke war geographisch weit länger und
ich kam auf knapp unter 1.000 km - ohne Straßen und übermäßig
harte Wege versteht sich.
Sowohl die Ritte Hamburg-München wie der lange Trabweg litten
meines Erachtens an unregelmäßigen und teils überlangen
Tagesetappen, diktiert vom Mangel an Stationen für die Masse von
Begleitfahrzeugen. Das resultierte in übermäßigen Anstrengungen
und Ausfällen. Viele Teilnehmer machten aus dem Ritt ein
Straßenrennen, sei es aus Not (ausgewiesene Strecke
unkontrolliert und unbereitbar) oder fehlgeleitetem Ehrgeiz.
Keiner der Favoriten, allesamt erfahrene Mehrtagesreiter,
schaffte die gesamte Strecke auch nur annähernd, es gewann eine
krasse Außenseiterin. Das Ergebnis des langen Trabwegs war
sportlich niederschmetternd - so sehr dass 30 Jahre lang niemand
den Mut fand, einen ähnlich langen Ritt zu wiederholen. Was sehr
schade ist.
Die
Idee,
die Strecke in 16 Tagen zu reiten, finde ich dagegen immer noch
gut. Ich denke, was mein Pferd mit Gepäck in 26 Tagen
geschafft hat – der Abstecher nach Redefin ging einen Tag extra
- könnten viele gute Pferde ohne Gepäck in 16 Tagen
leisten. Schließlich bin ich weit davon entfernt, meine
Araberstute für ein Weltklassepferd zu halten, oder mich für
einen Weltklassereiter. Nichts könnte ferner liegen!
Streckenführung:
Überlegungen und Rücksichten
Vom
Fuße
der Alpen bis hinab zum Meer, einmal quer, oder vielmehr längs durch
Deutschland, abseits der großen Verkehrsachsen, durch
dünnbesiedeltes Gebiet und große Waldgebiete. Das war der Masterplan.
Wie
aber plant man so etwas im Detail durch ? Hier trennt
sich schon die Spreu vom Weizen. Wanderreitquartiere ? Man kann
ja mal suchen, auf wieviel hundert Kilometern sie ganz fehlen.
Ganz Einfältige nehmen Google oder ein Routingprogramm und
laufen nach der Luftlinie los (früher nahm man eine Landkarte,
Lineal und Bleistift). Sie werden unterwegs an soviele
Hindernisse geraten dass sie keine 16 Tage brauchen, auch keine
27, sondern mindestens 47. Nachher werden sie viel zu erzählen
haben was ihre Zuhörer erheitert, aber im direkten Erleben wenig
erheiternd war. Und ob die Pferde etwas Gutes davon hatten steht
noch auf einem ganz anderen Blatt…
Die
Idee
mit der Schulatlaskarte ist aber nicht ganz verkehrt, jedenfalls
im Prinzip und für den Anfang. Als nächstes muss man nämlich
nach den Flüssen gucken. Auf Stadt-, Industrie- und
Gewerbegebiete, große Wind- und Solarparks, große
Truppenübungsplätze (sofern noch in Betrieb, über die anderen
kommt man schon mal heimlich drüber), Verkehrsknotenpunkte : Um
all das gilt es, Bögen zu machen. Häufig genügen schon kleine.
Man muss dann immer feiner hineinzoomen. Oft plant man 50 KM
weit und merkt dann: Nein, das wird keine schöne Strecke. 30 KM
weiter östlich geht es vielleicht besser. Und fängt wieder an.
Nach 27 Tagen Ritt habe ich gesagt : Ich bin durch ein
dünnbesiedeltes Deutschland gekommen, wie ich es nicht
glaubte, dass es so etwas Schönes noch gibt - voller
ungestörter Natur, fast ohne große Straßen. Größere Siedlungen
sah ich nur, wenn ich – alle vier Tage - zum Einkaufen in sie
hineinritt. Die Berge Süddeutschlands, endlose Wälder, die
Donau, 5m hoch auf Dämmen reitend in frischem Wind. Ich habe
ein Norddeutschland wiedererlebt, wie ich es aus meiner
Kindheit vor 50 Jahren kannte, in einem blechschalenen
Kindersitz auf dem Fahrrad, hinter der Lenkstange vor meinem
Großvater, über Sand- und Kieswege fahrend, durchs Venn,
gemeinsam Lieder singend. Diesmal waren es die gespitzten
Ohren des geliebten Pferdes vor mir, im Canter über feste
endlose Sandwege. Kiefernwälder, endlose Felder, Alleen,
darüber den blauen Himmel mit buschigen weißen Wolken. Nichts
hat gestört. Es war perfekt.
Der
längste
Streckenabschnitt verlief in Bayern, dann zwei Tage durch
Thüringen, 4-5 Tage durch Sachsen-Anhalt, einen knappen Tag
Niedersachsen, und 3 Tage Mecklenburg-Vorpommern.
Wir
umritten
den Großraum München im Ebersberger Forst. Das Gebiet um
Kulmbach, sowie die gefältelten Höhen der Fränkischen Alb,
Oberpfalz und Frankenwald, soweit sie nicht entlang unserer
Reitrichtung von Süd nach Nord folgen. Main, Wilde Rodach und
Rennsteig zeigen die Stelle an, wo die deutsche
Hauptwasserscheide (mit 710 m Meereshöhe) am günstigsten zu
queren ist. Die A9 nimmt die geographisch günstige Haupthöhe
ein, und zwang mich vier Tage westlich von ihr zu reiten, immer
außer Hör- und Sichtweite, abwechslungsreich über kleine Hügel
mit stetem Wechsel aus Feld und Wald, zweimal die Sächsische
Saale überquerend, bis zum Hermsdorfer Kreuz, wo ich ganz nah an
sie herankam.
Das
Thüringer
Becken mit endlosen Feldern und Windrädern galt es auch zu
meiden, nämlich über Dorndorf, Camburg und Eckartsberga. Die
feste Ahnung vom Tor zwischen Nord- und Süddeutschland. Scharf
an den östlichen Ausläufern des Harzes entlang – Quedlinburg
bleibt westlich liegen – und hinab zur Magdeburger Börde. Ab
hier ist die Strecke flach bis zu den kleinen Dünenhügeln der
Altmark. Über diese, und durch das Waldgebiet der Göhrde, geht
es zur Elbe.
Da
man
große Aufgaben aufspalten soll bis sie klein und handhabbar
werden, habe ich mehrere Routen angelegt, an denen ich
arbeitete. Am Ende mache ich vier Viertel von etwa je 250 KM
draus : Degernpoint, Abusinia, Holzberg, Plothen, Memleben,
Großgermersleben, Solpke, Hohenzethen - Namen wie Leuchttürme,
am Ende glaubt man fast dass man nun ohne Karte reiten kann weil
man alles im Kopf hat. Ein paar kleine Modifikationen und
Alternativen nehme ich noch mit und will hier spontan
entscheiden. Irgendwann stelle ich fest dass Landgestüt Redefin
nah bei der Strecke liegt (einen Tagesritt zusätzlich). Dass man
von dort gar nicht in nordwestliche Richtung weiterkommt, weil
da zwei Truppenübungsplätze liegen und die Bundesbahn alle alten
Bahnübergänge über die Bahnstrecke Hamburg – Berlin abgebaut
hat, was nur die neuesten Karten zeigen, machte noch
Extra-Aufwand und soll hier nur exemplarisch genannt sein.
Geplant
habe
ich die Strecke am PC, mit dem Tourenportal gpsies (im Januar
2020 eingestellt), Openstreetmap Karten und Google
Satellitenbildern einerseits, sowie mit dem Programm MOBAC, und
topographischen Karten von ca. 2009 und den offiziellen, frei
verfügbaren und aktuellen Topo-Karten von Bayern und Thüringen
andererseits. Aus MOBAC habe
ich mir auch die Karten für meine Navigationsapp LOCUS
zurechtgeschnitten und (als sqlite-db) formatiert. Etwa 2
GB Speicher, größer sind die Rasterkarten nicht. Eine Ersatz
–SD-Karte kommt selbstverständlich auch mit.
Zum
ersten Mal will ich einen Ritt länger als fünf Tage mit
GPS-Smartphone statt mit Papierkarten reiten: 1000 geplante km
Strecke in topographischen Karten, das gäbe einen entsetzlichen
Papierstapel. Aber natürlich will ich meine gewohnten Karten
(TK25) elektronisch dabei haben, also kein Garmin-GPS, sondern
Smartphone. Das Problem deren Akkuleistung im GPS-Betrieb. Meine
bisherigen Geräte schafften immer nur 5-6 Stunden mit GPS, mein
nun 3 Jahre alten 8“ Tablet (eigentlich dafür prädestiniert)
jetzt noch weniger. Ein paar Wochen vor dem Ritt schaffe ich mir
noch ein extrastarkes neues Handy an, ein Motorola G7 Power mit
5 Ah Akku. Es ist etwas groß, hat dafür ein 6“ Display, und hält
1,5-2 Reittage mit einer Akkuladung durch. Zum Wiederaufladen
unterwegs setze ich auf ein 28 W Solarladeteil, ein Akkupack mit
24 Ah - alles nicht mehr als wüste Behauptungen, diese
Leistungsangaben - und als wichtigstes ein Schnelladegerät für
die Steckdose. Denn es stellt heraus, dass Steckdosen alle 2-3
Tage doch unabdingbar notwendig sind. Zur Sicherheit – und nach
entsprechenden Enttäuschungen auf dem 3-Tage-Proberitt - habe ich dann doch alle
Reitetappen (mit Ausnahme des Abstechers nach Redefin)
mehrspaltg als pdf ausgedruckt mitgenommen: 18 doppelseitig
bedruckte Seiten papierähnlicher wasserfester Polyesterfolie
(120 µm)
: Doch gar nicht soviel. Aber mit sehr wenig Kartenrand für
Verritte und allfällige Umplanungen. Ich reite nach diesem
"Backup" immerhin zwei volle Tage, weil mir zwischendurch der
Strom fehlt und die Powerbank den Geist aufgibt. Nach dem Ritt
funktioniert die Schnelladefunktion des Handy nicht mehr. Ich
schicke es ein und bekomme es unrepariert wieder: Angeblich hat
es einen Wasserschaden - es war einmal im Gewitter an…
25
Tage
(Redefin extra, statt Nr. 22, plus 1 Tag), 999,3 km
Start
Münchner
Hütte (Spitzingsee)
1. Maxlmühle,
Mangfalltal (38))
2. Rasthaus
B 12 (47)
3. Thenner
Weiher (39)
4. Niederhinzinger
Winterparadies (39.5)
5. Römerkastell
Abusina Eining (38)
6. Holzberg
Tiefenhüll (38)
7. Trautmannshofen
(41.5)
8. Siglitzberg
(38)
9. Plankenfels
(45)
10. Oberdornlach (40)
11. Langenbach,
Schwedenwache (40)
12. Plothen-Stockert (44)
13. Serba (41)
14. Eckartsberga,
Holländermühle (34)
15. Sonderlandeplatz
Allstedt (40)
16. Talwiesen Eine, Goldene
Brücke (37)
17. Kroppenstedt (44)
18. Kuhlager Bebertal (40)
19. Solpke (38.5)
20. Hohenböddenstedt (44)
21. Hohenzethen (43)
22. Brahlstorf (45)
23. Knese, Dutzow,
Gutshof-Ruine (43)
24. Dassow (34)
25. Redewisch Meerparkplatz,
Klützer Winkel (27)