Unterordnung oder Partnerschaft?

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Partner oder
            Sklave?

Gedanken zum Umgang mit dem Pferd

Wie wollen wir unser Pferd sehen? Als das Fluchttier - jederzeit bereit, allem vermeintlich gefahrvollem im Galopp davonzurennen? Das "Sportgerät" vollgefüllt mit gefährlichern Instinkten, vor dem der schwache, ungeschickte (leider häufig auch ängstliche und unsportliche) Mensch sich schützen muss, durch Helm, Protektorenweste, Knieschützer, Hand- und Sicherheitsschuhen? Als das statusbewusste Wesen, beständig bestrebt seinen Rang gegenüber dem Menschen zu erhöhen und alle unbequemen Anforderungen desselben in Frage zu stellen? Als Tier das nur mit Hilfe eines professionellen Spezialisten, genannt Reitlehrer, sinnvoll zu bedienen oder auszubilden ist?
Jeder dieser Aufassungen kann für ein bestimmtes Pferd, einen bestimmten Menschen, und zu einer bestimmten Zeit zutreffen. Dennoch sind diese Sichtweisen des Pferdes sehr verkürzt und damit falsch.

Als Reiter, ist mein Pferd in erster Linie mein Partner.
Oder soll dies zumindest sein. Das klingt noch etwas unscharf und beliebig, ich werde es im folgenden präzisieren.
Persönlicher ausgedrückt: mein Pferd ist Mitglied der Familie - Manche Menschen wechseln die Partner ja ziemlich häufig; zumindest die Pferdebeziehungen sollten eine gewisse Beständigkeit aufweisen.

Was möchte ich im Umgang mit dem Pferd erreichen, als typischer Freizeitreiter?  Was ist mir das wichtigste? Sporterfolge? Große Leistungen? Anerkennung durch meinen Reitlehrer, durch die anderen Reiter meines Reitstalls, im Verein, auf Facebook? - Ist doch eigentlich alles nebensächlich. Die Zeit des Nutztiers Pferd ist für immer vorüber. Heute bietet sich die Chance für einen neuen Zugang zum Wesen Pferd - die aber kaum bewusst gemacht und deshalb auch kaum genutzt wird.

Wenn ich ehrlich gegenüber mir selbst bin, macht es mich am glücklichsten, wenn mein Pferd mich als Freund ansieht, und mir seine Zuneigung zeigt - im täglichen Umgang. Einfach so, ohne Gegenleistung. Zu mir kommt wenn ich zu ihm auf die Weide gehe. Zugewandt und rücksichtsvoll ist. Obwohl es die Wahl hat, auch wegzubleiben. Pferde können da derart ehrlich sein, dass man es als Mensch manchmal lieber gar nicht so genau wissen möchte, und lieber die "Bestechung" immer griffbereit hat. Aber wird man so als Freund angesehen, und nicht eher als Lekkerli-Automat? Aber vielleicht lasse ich es besser, über Freundschaft zu reden. Freundschaft ist im Umgang mit dem Pferd ein Ziel, wo man hin möchte - ich bin mir dessen zu 100% sicher dass ich nicht der einzige bin der so denkt... Partnerschaft liegt näher auf diesem Weg dorthin. Reden wir lieber darüber, was funktionierende Partnerschaft mit dem Pferd ausmacht.

Wir reiten zur Hauptsache im Gelände. Das mag einfach klingen, ist es aber nicht.
Auf der einen Seite gibt es viele Gelegenheiten, wo das Pferd Vertrauen in die richtigen Entscheidungen seines Reiters lernt, um sich durch die Menschenwelt voller Autos und Technikdinge hindurchzufinden.
Auf der anderen Seite gibt es Gelegenheit wo der Reiter auf sein Pferd vertrauen muss. Die Wege sind manchmal voller Hindernisse und Schwierigkeiten. Da bin ich auf das "Mitdenken" meines Partners angewiesen, manchmal sogar auf dessen Mit-Beurteilung ob man da noch weiterkommt. Das ist nicht nebensächlich, schon gar nicht selbstverständlich, sondern kann "kriegsentscheidend" sein. Für seine, meine oder unserer beider Sicherheit und Gesundheit. Ich schule all meine Pferde in einer gewissen Selbst- und Eigenständigkeit, und sie lieben und schätzen ihre "Freiheiten", fordern sie, wenn nötig, von mir immer wieder ein, und erinnern mich daran. Berufsbedingt weiß ich wohl, dass man Teams aus Spezialisten auf ähnliche Weise führen muss, ihnen nicht jeden Schritt vorschreiben kann und darf. Ich weiß natürlich auch, dass manche Pferde (und vielleicht auch manche Menschen) straffere Führung brauchen als andere, und eher dem "Beamtentyp" entsprechen: lieber wenig machen, aber dafür nix falsch! Aber mir ist der selbständige, agile Pferdetyp am liebsten, und so bemühe ich mich, mir meine Pferde entsprechend auszusuchen.

Neigen meine Pferde deswegen dazu mir auf der Nase herumzutanzen, es sich möglichst bequem zu machen, nehmen sie sich Frechheiten heraus? Nein.
Warum nicht?
Weil sie gern machen was sie tun. Weil sie gern Teil des "Teams" sind.
Weil sie mitmachen wollen.
Und weit mehr noch: Weil sie mir gefallen wollen.
"Mir hat noch nie ein Pferd etwas zu gefallen getan", sagte (nach Peter Spohr) William Cavendish, Herzog von Newcastle, einer der berühmten Reitmeister der Renaissance. Ich bezweifle demnach, dass der Herzog von Newcastle ein guter Pferdemann oder Reiter war. Denn wäre es so gewesen, hätten seine Pferde ihm alles zu gefallen getan...

Die 1.000 Euro-Frage: Wie bringe ich jemanden dazu, mir etwas zu gefallen zu tun..?

"Wenn wir Menschen heute harmonisch mit Pferden zusammenleben wollen, so ist es wichtig, den Pferden größtmöglichen Freiraum zu lassen. Denn die Beziehungen zwischen Menschen und Tier sind nicht mehr natürlich und ausgewogen. Die Gattung Mensch ist übermächtig geworden und dominiert alles andere Leben. Unser Verhältnis zur Natur ist aus dem Gleichgewicht geraten, und viele Menschen benehmen sich so, als wären Tiere ausschließlich zu ihrem privaten Vergnügen auf der Welt.
Pferde sind den Übergriffen der Menschen schutzlos ausgeliefert. Damit sie sich in unserer Nähe wohl fühlen, muß die Beziehung so gestaltet sein, daß sie nicht von unserer Macht erdrückt werden, sondern sich gestärkt fühlen in unserer Gegenwart. Für unsere Zeit liegt die Herausforderung nicht mehr darin, ob wir alle anderen Spezies dominieren werden, sondern darin, ob wir, längst Sieger, zu einer Selbstbeschränkung gegenüber den Unterlegenen finden können. So könnte heute die Verbundenheit mit dem Menschen für Pferde bedeuten, daß sie die Möglichkeit erhalten, sich zu entfalten, ganz sie selbst zu sein, und an Freiheit zurückzugewinnen. Statt durch den Umgang mit uns nur immer weiter zu verlieren, gewinnen sie so einen Raum, in dem sie ihre Eigenständigkeit bewahren können, obwohl sie in einer Menschenwelt leben müssen....
Es ist nicht die Stalltür, die den Weg in das Reich der Pferde öffnet. Und auch nicht eine bestimmte, wie auch immer geartete, in Kursen, Schulen, Seminaren gelehrte Methode. Nur die Pferde können uns diesen Weg zeigen und ihre Sprache lehren. Wir gelangen in die Welt der Pferde, indem wir das Verlangen nach Kontrolle, den Anspruch auf Dominanz, die Arroganz der Mächtigen einmal hinter uns lassen und unsere Augen und Sinne weit öffnen." (IMKE SPILKER, Selbstbewusste Pferde)


...weiter mit Teil 2: Fortsetzung
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