taunusreiter TAUNUSREITER
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Neu Juni 2013
/ Update Nov. 2015

WANDERREITEN - die andere Krone der Reiterei

Frank Mechelhoff  -Wanderrittführer VFD

Ligeira am Start!




<- Link zum Besten Wanderreitpferd von allen...
              


(- Vorrede -)




Wanderreiten, wie ich es verstehe...

Im Sinne des vorangestellten Motto will ich jetzt erklären was ich unter Wanderreiten verstehe.
Wanderreiten bedeutet, dass ich als Reiter (oder Reiterin) eine weite Strecke, die viele Tagesritte andauert, allein auf mich gestellt mit dem Pferd zurücklegen kann.
Und zwar auf eine Weise, dass weder Reiter noch Pferd am Ziel ausgeprägt ermüdet sind, sondern auch noch über das Ziel hinausreiten könnten. Es entspricht der Zielsetzung, eine Strecke unbekannter Ausdehnung zurückzulegen, und dabei das Pferd gesund und leistungsfähig zu erhalten, in
a) der typischen Art, wie man vor der Erfindung von Postkutsche, Eisenbahn und Automobil lange Reisen zurücklegte - so man überhaupt das Privileg hatte, über ein Pferd zu verfügen
b) dem Ideal des berittenen Patrouillenführers oder Aufklärers, der den Befehl erhält im Feindesland zu erkunden, und die Kräfte seines Pferdes so weit schonen muss, dass er vom Ritt unbeschadet und unbehelligt wieder nach Hause kommt, also kampffähig bleibt, und mit seinem Pferd einer feindlichen Reitergruppe, die ihn zu stellen sucht, entfliehen kann. *)

In diesem Sinne gibt es keine "Mindeststreckenlänge", ab wann ein Ritt als Wanderritt gelten kann - außer, dass man mindestens 2 Tage unterwegs sein muss. Wenn man es über eine Woche geschafft hat, hat man meist das nötige Gefühl dafür entwickelt. Dann schafft man auch noch die zweite, dritte, vierte Woche - wenn nichts entscheidendes dazwischenkommt. Das wichtigste bleibt immer, wie man mit unvorhergesehenem umgeht, und wie pferdeschonend die täglichen Routinen sind.
Wer das auch über 1000 Meilen auf einem einzigen Ritt schafft, dem gebührt selbstverständlich die Krone der Long Riders Gilde. Entscheidend dabei ist, dass man:

  • nicht leichtsinnig wird und eine Pferdeverletzung riskiert, die das Ende des Ritts bedeutet, und
  • alle sich "langsam" entwickelnden Unpässlichkeiten , wie beginnende Gurt- und Satteldrucke, Gangunregelmäßigkeiten, rechtzeitig, d.h. in einem frühen Stadium erkennt, und richtig mit ihnen umgeht (was sehr selten mit Medizin zu tun hat!), sodass sich keine schwerwiegenden Probleme daraus entwickeln, die dafür sorgen dass man entweder länger pausieren oder den Ritt aufgeben muss.

Allein auf mich gestellt, das schliesst Unterstützung durch andere (Troßfahrzeuge, Gepäcktransport) im wesentlichen aus. Selbst wenn es bequem ist ein Troßfahrzeug dabei zu haben und einem manche Sorge und Unbequemlichkeit abnehmen kann - im ungünstigen Fall aber Anlass für weitere Sorge ist, die man als Wanderreiter nun wirklich nicht zusätzlich braucht.
Das verunmöglicht auch diffizile Vorplanung der Übernachtungsquartiere. Wie oft hat man schon erlebt, dass man abends sein Pferd abhetzen muss, um es rechtzeitig zu einem Wanderrittquartier zu schaffen, oder erreicht es erst in stockdunkler Nacht, weil es unterwegs Hindernisse und Schwierigkeiten gab, die vorher in keiner Weise abzusehen waren? - Und gleich am andern Tag ist man vielleicht schon nachmittags um 15:00 am Ziel, man selbst weiß mit der freien Zeit nichts anzufangen und der Quartiergeber ist ungehalten über die unerwartet frühe Ankunft? Solche Dinge passieren auch noch dem erfahrensten Wanderreiter, und sind nur dadurch vermeidbar, dass man im unbekannten Gelände überhaupt keine Quartiere vorplant, sondern nur nach den Streckenschwierigkeiten, dem Zustand und der Kondition der Pferde die Zeit für Reiten und Rast bestimmt - selbst wenn das für den Reiter manche Unbequemlichkeit mit sich bringt. Viele Reiter kommen schon recht früh auf diesen Grundsatz, und sind dann schon mal auf dem richtigen Weg. **)

Dann kommt man vielleicht einmal in einem Reitstall unter, und erhält dort mit seinem Pferd nur Unterkunft auf einem abgefressenen Paddock, wo es die ganze Nacht herumlaufen muss um ein wenig Gras aufzunehmen -- während es in der Pause eine Stunde vor der Ankunft auf der kleinen Wiese am Waldrand bis zum Bauch im Gras stand und diese Wiese ganz so aussah, als würde sich niemand mehr der Mühe unterziehen sie zu mähen. Von dieser Erkenntnis ist es nicht mehr weit zum Biwakritt - zumindest wenn man weidegewöhnte Pferde hat, und die Übernachtung draußen in der Natur für einen selbst nicht schon eine Schreckvorstellung ist.

Die wenig reizvollen, landwirtschaftlich intensiv genutzten Agrarsteppen sucht man zu umgehen, wo man sie auf einem Wanderritt antrifft. Freiwillig dort reiten (gar in den Urlaub fahren um dort zu reiten) würde niemand. In dünnbesiedelten waldreichen Regionen ist die Landwirtschaft heute mehr als vor 30 Jahren auf dem Rückzug; Wanderreitstationen gibt es hier fast nie. Die Landwirtschaftsstruktur dieser fürs Reiten idealen Regionen ist Grünland, Extensive Rinder- und Schafshaltung, ohne Stacheldrähte.

Auch die ersten Wanderreiter überhaupt, die sich damals - vor 50 Jahren - noch "Reisende zu Pferd" nannten, haben keine Wanderreitstationen für ihr unabhängiges Reiten gebraucht, waren ohne Kochgeschirr, oft sogar ohne Zelt und Schlafsack unterwegs, stellten ihr Pferd nachts in Bauernhöfen und stillgelegten Scheunen ein, und übernachteten selbst im Dorfgasthof gleich nebenan. Auch ich konnte vor 30 Jahren noch so reiten. Das ging meist viel unkomplizierter und preiswerter als heutzutage.

Manche werden nun sagen, dass man für so einen unabhängigen Ritt am besten ein Packpferd braucht, um all die vielen Dinge mitzunehmen, die man hier zusätzlich braucht - als da sind: Zelt und Luftmatratze, Schlafsack, Weidezaun und Wanderreiterpaddock usw.
Nach meiner Erfahrung aber braucht man viel weniger Ausrüstung als die meisten glauben.
Ein Packpferd behindert oft mehr, als es nützt. Es verzögert Aufbruch, Ankunft und jegliche Pause unterwegs, und macht den Reiter auch auf der Strecke langsamer. Es macht den Ritt durch die zusätzlichen Unterbringungs-und Futterkosten selbstverständlich auch teurer. Wenn man allein unterwegs ist, motivieren sich Reit- und Packpferd oft gegenseitig, das stimmt. Aber ein gutes Einzelreitpferd ist stets durch den Reiter genug motiviert - falls nicht, stimmt etwas nicht. Es ist für das Packpferd keineswegs netter, 30kg totes Gepäck zu tragen, als einen 70-80kg schweren gut im Gleichgewicht sitzenden Reiter, der überdies noch die Freundlichkeit hat, in schwierigstem Gelände oder bergab abzusteigen. Es kann passieren dass das Packpferd hierüber richtig sauer wird und das Gepäck und Bepacktwerden zu hassen beginnt, und gegen das Reitpferd eifersüchtig wird. Viel besser ist es, wenn ohnehin zwei guttrainierte Pferde zur Verfügung stehen, diese unterwegs ein- bis dreimal am Tag (auf "isländische Art") also Reit-+Packpferd und Handpferd zu wechseln. Die zwei Pferde müssen einander dann "ähnlich" sein, zumindest sehr ähnliche Sattellagen haben, weil man den bepackten Sattel zwischen ihnen wechselt. Auch beim "Bicentennial Great American Horse Race" quer durch die Vereinigten Staaten (GAHR 1976) wurden von fast allen Teilnehmern zwischen Reit- und Handpferd gewechselt.

Nach langjähriger Erfahrung halte ich als Tagesleistungen unter guten Bedingungen (leichtes Hügelland mit 3-4% Durchschnitts-Steigung und -Gefälle) mit leichten, guttrainierten (400-500kg) Pferden folgende Tagesleistungen für dauerhaft möglich

  • Ritt mit festen Stallquartieren
30-45km täglich
  • Biwakritte mit 1 Pferd
40-55km täglich
  • Biwakritte mit Reitpferd und Packpferd
35-50km täglich
  • Biwakritte mit 2 Pferden (Reitpferd und ungesatteltes Handpferd wechselnd)
45-65km täglich

Möglicherweise können andere, besonders sportliche, fähige oder gutrainierte Teams aus Pferd und Reiter höhere Leistungen erzielen. Der Wanderreiter-Durchschnitt, besonders der Anfänger wird sie evtl. nicht erreichen. Für mich sind diese Zahlen kein Beweis besonderer "Leistung". Erstens sind es meine Pferde die die Leistung erbringen. Zweitens sollte man jede Sache, die man schon 30 Jahre tut, etwas besser schaffen als ganz zu Anfang. Ich sehe sie eher als Erfahrungsargument hinsichtlich des Leistungsvermögens je nachdem mit wieviel Pferden man einen Ritt angeht. Sowie, ganz privat und für mich persönlich, als individuellen Erfahrungs-/Grenzwert, der mir zusätzlichen Anhalt gibt zur Beurteilung unserer individuellen Form bzw. der Rittschwierigkeit, und von mir selbst daher unter- aber nicht dauerhaft überschritten werden kann.

Reiten in der Gruppe

Das bedeutet auch, dass die Leistungen in der Regel niedriger sind, wenn man mit anderen reitet - da der schwächste Reiter, das schwächste Pferd der Gruppe die Gesamtleistung bestimmt und nicht überfordert werden darf. Da es sehr oft nicht das schwächste Pferd, sondern der schwächste Reiter ist, der das Tempo bestimmt, d.h. limitiert, kann das sehr leicht zu Langeweile und Konflikten in der Gruppe führen. Es ist deshalb in der Gruppenzusammenstellung sehr wesentlich, dass alle Reiter ungefähr dasselbe Leistungsniveau aufweisen, wovon ein wichtiger Teil die körperliche Fitness betrifft, die auf einem achtstündigen Ritt mit mehrfachen Unterbrechungen und strammen Zufußgehen mit Pferd an der Hand schon höhere Anforderungen für manche Reiter stellen, und nicht immer mit den Erwartungshaltungen von Ritt-Teilnehmern übereinstimmen müssen.


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*) 1.) In der Zeit vor Erfindung des Maschinengewehrs und der Grabenkriege, der "ritterlichen" Kriegführung zumindest unter Gleichgestellten derselben Waffengattung, hätte ein Kavallerist einem feindlichen Kavalleristen keine Kugel hinterhergeschickt um ihn zu stoppen, wenn dadurch Gefahr bestanden hätte das Pferd zu treffen. Die meisten Kavallerien führten bloß Hieb- und Stich-, keine Schußwaffen. Seitens der Generalität gab es kaum Bestrebungen solche anzuschaffen, eher nahm man in Kauf dass die Kavallerie als Waffengattung zunehmend ganz infrage gestellt wurde. Wo man Schusswaffen hatte, sollte die Kavallerie abgesessen kämpfen, und die Pferde quasi als "Taxi" zum Gefechtsort benutzen, wo dann ein bis zwei Mann je Trupp die Pferde in Deckung festzuhalten hatten -- 2.) Von einem Gastgeber auf einem Wanderritt in den 1980'er Jahren, der Kriegsteilnehmer im 2.WK (1939-1945) gewesen war, hörte ich die Anekdote, dass sein Zugführer (Infanterist) im Gefecht einen seiner Leute angeschnauzt hatte: "Schieß nicht auf Pferde, Du Schwein!" - Der Ehrenkodex bestand also noch, bloß wurde immer seltener nach ihm gehandelt...

**) Ein Beispiel, was gute Planung vermag, und was nicht, will ich hier angeben. Auf einem meiner längsten Wanderritte, 1988, erreichte ich am 10. Reittag nachmittags nach etwa 400km Ritt die Altstadt von Bamberg genau wie geplant. Nicht ein einziges der Quartiere hatte ich vorab bestellt, und abends übernachtete ich nie in den Ortschaften wo ich dies vorgesehen hatte. Der Ritt fand im März/April statt. Es gab unterwegs lange Regenfälle, tiefen Schnee, Mainhochwasser und jede Menge andere Widerwärtigkeiten die Detailplanungen unmöglich machten. Dennoch gab es auch viel Sonne und es war ein insgesamt sehr schöner Ritt. Die Tagesstrecken lagen bei durchschnittlich 42km in achteinhalb Reitstunden, manchmal auch mehr, auf einem Isländer. In meiner Erinnerung bin ich weder vorher noch nachher so viel und so lange Schritt geritten oder zu Fuß gegangen.

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Fortsetzung von Wanderreiten, Allgemeiner Teil


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