WANDERREITEN - die
andere Krone der Reiterei
Frank
Mechelhoff -Wanderrittführer
VFD
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Besten Wanderreitpferd von allen...
Wanderreiten, wie ich es verstehe...
Im Sinne des vorangestellten Motto will ich jetzt
erklären was ich unter
Wanderreiten verstehe.
Wanderreiten bedeutet, dass ich als Reiter (oder Reiterin)
eine weite Strecke, die viele Tagesritte andauert, allein
auf mich gestellt mit dem Pferd zurücklegen kann.
Und zwar auf eine Weise, dass weder Reiter noch Pferd am
Ziel ausgeprägt ermüdet sind, sondern auch noch über das
Ziel hinausreiten könnten. Es entspricht der Zielsetzung,
eine Strecke unbekannter Ausdehnung zurückzulegen, und
dabei das Pferd gesund und leistungsfähig zu erhalten, in
a) der typischen Art, wie man vor der Erfindung von
Postkutsche, Eisenbahn und Automobil lange Reisen
zurücklegte - so man überhaupt das Privileg hatte, über
ein Pferd zu verfügen
b) dem Ideal des berittenen Patrouillenführers oder
Aufklärers, der den Befehl erhält im Feindesland zu
erkunden, und die Kräfte seines Pferdes so weit schonen
muss, dass er vom Ritt unbeschadet und unbehelligt wieder
nach Hause kommt, also kampffähig bleibt, und mit seinem
Pferd einer feindlichen Reitergruppe, die ihn zu stellen
sucht, entfliehen kann. *)
In diesem Sinne gibt es keine "Mindeststreckenlänge",
ab wann ein Ritt als Wanderritt gelten kann - außer, dass
man mindestens 2 Tage unterwegs sein muss. Wenn man es
über eine Woche geschafft hat, hat man meist das nötige
Gefühl dafür entwickelt. Dann schafft man auch noch die
zweite, dritte, vierte Woche - wenn nichts entscheidendes
dazwischenkommt. Das wichtigste bleibt immer, wie man mit unvorhergesehenem
umgeht, und wie pferdeschonend die täglichen
Routinen sind.
Wer das auch über 1000 Meilen auf einem einzigen Ritt
schafft, dem gebührt selbstverständlich die Krone der Long
Riders Gilde. Entscheidend dabei ist, dass man:
- nicht leichtsinnig wird und eine Pferdeverletzung
riskiert, die das Ende des Ritts bedeutet, und
- alle sich "langsam" entwickelnden Unpässlichkeiten ,
wie beginnende Gurt- und Satteldrucke,
Gangunregelmäßigkeiten, rechtzeitig, d.h. in einem
frühen Stadium erkennt, und richtig mit ihnen umgeht
(was sehr selten mit Medizin zu tun hat!), sodass sich
keine schwerwiegenden Probleme daraus entwickeln, die
dafür sorgen dass man entweder länger pausieren oder den
Ritt aufgeben muss.
Allein auf mich gestellt,
das schliesst Unterstützung durch andere
(Troßfahrzeuge, Gepäcktransport) im wesentlichen aus.
Selbst wenn es bequem ist ein Troßfahrzeug dabei zu haben
und einem manche Sorge und Unbequemlichkeit abnehmen kann
- im ungünstigen Fall aber Anlass für weitere Sorge ist,
die man als Wanderreiter nun wirklich nicht zusätzlich
braucht.
Das verunmöglicht auch diffizile Vorplanung der
Übernachtungsquartiere. Wie oft hat man schon erlebt, dass
man abends sein Pferd abhetzen muss, um es rechtzeitig zu
einem Wanderrittquartier zu schaffen, oder erreicht es
erst in stockdunkler Nacht, weil es unterwegs Hindernisse
und Schwierigkeiten gab, die vorher in keiner Weise
abzusehen waren? - Und gleich am andern Tag ist man
vielleicht schon nachmittags um 15:00 am Ziel, man selbst
weiß mit der freien Zeit nichts anzufangen und der
Quartiergeber ist ungehalten über die unerwartet frühe
Ankunft? Solche Dinge passieren auch noch dem erfahrensten
Wanderreiter, und sind nur dadurch vermeidbar, dass man im
unbekannten Gelände überhaupt keine Quartiere
vorplant, sondern nur nach den Streckenschwierigkeiten,
dem Zustand und der Kondition der Pferde die Zeit für
Reiten und Rast bestimmt - selbst wenn das für den Reiter
manche Unbequemlichkeit mit sich bringt. Viele Reiter
kommen schon recht früh auf diesen Grundsatz, und sind
dann schon mal auf dem richtigen Weg. **)
Dann kommt man vielleicht einmal in einem Reitstall unter,
und erhält dort mit seinem Pferd nur Unterkunft auf einem
abgefressenen Paddock, wo es die ganze Nacht herumlaufen
muss um ein wenig Gras aufzunehmen -- während es in der
Pause eine Stunde vor der Ankunft auf der kleinen Wiese am
Waldrand bis zum Bauch im Gras stand und diese Wiese ganz
so aussah, als würde sich niemand mehr der Mühe
unterziehen sie zu mähen. Von dieser Erkenntnis ist es
nicht mehr weit zum Biwakritt -
zumindest wenn man weidegewöhnte Pferde hat, und die
Übernachtung draußen in der Natur für einen selbst nicht
schon eine Schreckvorstellung ist.
Die wenig reizvollen, landwirtschaftlich intensiv
genutzten Agrarsteppen sucht man zu umgehen, wo man sie
auf einem Wanderritt antrifft. Freiwillig dort reiten (gar
in den Urlaub fahren um dort zu reiten) würde niemand. In
dünnbesiedelten waldreichen Regionen ist die
Landwirtschaft heute mehr als vor 30 Jahren auf dem
Rückzug; Wanderreitstationen gibt es hier fast nie. Die
Landwirtschaftsstruktur dieser fürs Reiten idealen
Regionen ist Grünland, Extensive Rinder- und
Schafshaltung, ohne Stacheldrähte.
Auch die ersten Wanderreiter überhaupt, die sich damals
- vor 50 Jahren - noch "Reisende zu Pferd"
nannten, haben keine Wanderreitstationen für ihr
unabhängiges Reiten gebraucht, waren ohne Kochgeschirr,
oft sogar ohne Zelt und Schlafsack unterwegs, stellten ihr
Pferd nachts in Bauernhöfen und stillgelegten Scheunen
ein, und übernachteten selbst im Dorfgasthof gleich
nebenan. Auch ich konnte vor 30 Jahren noch so reiten. Das
ging meist viel unkomplizierter und preiswerter als
heutzutage.
Manche werden nun sagen, dass man für so einen
unabhängigen Ritt am besten ein Packpferd braucht,
um all die vielen Dinge mitzunehmen, die man hier zusätzlich
braucht - als da sind: Zelt und Luftmatratze,
Schlafsack, Weidezaun und Wanderreiterpaddock usw.
Nach meiner Erfahrung aber braucht
man viel weniger Ausrüstung als die meisten glauben.
Ein Packpferd behindert oft mehr, als es nützt. Es
verzögert Aufbruch, Ankunft und jegliche Pause unterwegs,
und macht den Reiter auch auf der Strecke langsamer. Es
macht den Ritt durch die zusätzlichen Unterbringungs-und
Futterkosten selbstverständlich auch teurer. Wenn man
allein unterwegs ist, motivieren sich Reit- und Packpferd
oft gegenseitig, das stimmt. Aber ein gutes
Einzelreitpferd ist stets durch den Reiter genug motiviert
- falls nicht, stimmt etwas nicht. Es ist für das
Packpferd keineswegs netter, 30kg totes Gepäck zu
tragen, als einen 70-80kg schweren gut im Gleichgewicht
sitzenden Reiter, der überdies noch die Freundlichkeit
hat, in schwierigstem Gelände oder bergab abzusteigen. Es
kann passieren dass das Packpferd hierüber richtig sauer
wird und das Gepäck und Bepacktwerden zu hassen beginnt,
und gegen das Reitpferd eifersüchtig wird. Viel besser
ist es, wenn ohnehin zwei guttrainierte Pferde zur
Verfügung stehen, diese unterwegs ein- bis dreimal am Tag
(auf "isländische Art") also Reit-+Packpferd und Handpferd
zu wechseln. Die zwei Pferde müssen einander dann
"ähnlich" sein, zumindest sehr ähnliche Sattellagen haben,
weil man den bepackten Sattel zwischen ihnen wechselt.
Auch beim "Bicentennial
Great American Horse Race" quer durch die
Vereinigten Staaten (GAHR 1976) wurden von fast allen
Teilnehmern zwischen Reit- und Handpferd gewechselt.
Nach langjähriger Erfahrung
halte ich als Tagesleistungen unter guten Bedingungen
(leichtes Hügelland mit 3-4% Durchschnitts-Steigung und
-Gefälle) mit leichten, guttrainierten (400-500kg) Pferden
folgende Tagesleistungen für dauerhaft möglich
- Ritt mit festen Stallquartieren
|
30-45km täglich |
|
40-55km täglich |
- Biwakritte mit Reitpferd und Packpferd
|
35-50km täglich |
- Biwakritte mit 2 Pferden (Reitpferd und
ungesatteltes Handpferd wechselnd)
|
45-65km täglich |
Möglicherweise können andere, besonders sportliche, fähige
oder gutrainierte Teams aus Pferd und Reiter höhere
Leistungen erzielen. Der Wanderreiter-Durchschnitt,
besonders der Anfänger wird sie evtl. nicht erreichen. Für
mich sind diese Zahlen kein Beweis besonderer
"Leistung". Erstens sind es meine Pferde die die Leistung
erbringen. Zweitens sollte man jede Sache, die man schon 30
Jahre tut, etwas besser schaffen als ganz zu Anfang. Ich
sehe sie eher als Erfahrungsargument hinsichtlich des
Leistungsvermögens je nachdem mit wieviel Pferden man einen
Ritt angeht. Sowie, ganz privat und für mich persönlich, als
individuellen Erfahrungs-/Grenzwert, der mir zusätzlichen
Anhalt gibt zur Beurteilung unserer individuellen Form bzw.
der Rittschwierigkeit, und von mir selbst daher unter-
aber nicht dauerhaft überschritten werden kann.
Reiten in der Gruppe
Das bedeutet auch, dass die Leistungen in der Regel niedriger
sind, wenn man mit anderen reitet - da der schwächste
Reiter, das schwächste Pferd der Gruppe die Gesamtleistung
bestimmt und nicht überfordert werden darf. Da es sehr oft
nicht das schwächste Pferd, sondern der schwächste Reiter
ist, der das Tempo bestimmt, d.h. limitiert, kann das sehr
leicht zu Langeweile und Konflikten in der Gruppe führen. Es
ist deshalb in der Gruppenzusammenstellung sehr wesentlich,
dass alle Reiter ungefähr dasselbe Leistungsniveau aufweisen,
wovon ein wichtiger Teil die körperliche Fitness betrifft,
die auf einem achtstündigen Ritt mit mehrfachen
Unterbrechungen und strammen Zufußgehen mit Pferd an der
Hand schon höhere Anforderungen für manche Reiter stellen,
und nicht immer mit den Erwartungshaltungen von
Ritt-Teilnehmern übereinstimmen müssen.
----
*) 1.) In
der Zeit vor Erfindung des Maschinengewehrs und der
Grabenkriege, der "ritterlichen" Kriegführung zumindest
unter Gleichgestellten derselben Waffengattung, hätte
ein Kavallerist einem feindlichen Kavalleristen keine
Kugel hinterhergeschickt um ihn zu stoppen, wenn dadurch
Gefahr bestanden hätte das Pferd zu treffen. Die meisten
Kavallerien führten bloß Hieb- und Stich-, keine
Schußwaffen. Seitens der Generalität gab es kaum
Bestrebungen solche anzuschaffen, eher nahm man in Kauf
dass die Kavallerie als Waffengattung zunehmend ganz
infrage gestellt wurde. Wo man Schusswaffen hatte,
sollte die Kavallerie abgesessen kämpfen, und die Pferde
quasi als "Taxi" zum Gefechtsort benutzen, wo dann ein
bis zwei Mann je Trupp die Pferde in Deckung
festzuhalten hatten -- 2.) Von einem Gastgeber auf einem
Wanderritt in den 1980'er Jahren, der Kriegsteilnehmer
im 2.WK (1939-1945) gewesen war, hörte ich die Anekdote,
dass sein Zugführer (Infanterist) im Gefecht einen
seiner Leute angeschnauzt hatte: "Schieß nicht auf
Pferde, Du Schwein!" - Der Ehrenkodex
bestand also noch, bloß wurde immer seltener nach ihm
gehandelt...
**) Ein
Beispiel, was gute Planung vermag, und was nicht, will
ich hier angeben. Auf einem meiner längsten Wanderritte,
1988, erreichte ich am 10. Reittag nachmittags
nach etwa 400km Ritt die Altstadt von Bamberg genau
wie geplant. Nicht ein einziges der Quartiere
hatte ich vorab bestellt, und abends übernachtete ich
nie in den Ortschaften wo ich dies vorgesehen hatte. Der
Ritt fand im März/April statt. Es gab unterwegs lange
Regenfälle, tiefen Schnee, Mainhochwasser und jede Menge
andere Widerwärtigkeiten die Detailplanungen unmöglich
machten. Dennoch gab es auch viel Sonne und es war ein
insgesamt sehr schöner Ritt. Die Tagesstrecken lagen bei
durchschnittlich 42km in achteinhalb Reitstunden,
manchmal auch mehr, auf einem Isländer.
In meiner
Erinnerung bin ich weder vorher noch nachher so viel und
so lange Schritt geritten oder zu Fuß gegangen.
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Biwak-Ritt
Fortsetzung
von Wanderreiten, Allgemeiner Teil
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