taunusreiter TAUNUSREITER
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Neu September 2014

 


Wie alt können Pferde werden?

"Ich habe selbst ein 22 jähriges Pferd geritten, welches sowohl in Schul- wie in Kampagneleistungen alle jüngeren Pferde in den betreffenden Garnisonen in Schatten stellte. Aber, was will das sagen gegenüber der orientalischen Schimmelstute (Originalaraber), die den Feldzug in Russland 1812 *) unter dem damals als Oberst und Kommandeur eines Husarenregiments in französischen Diensten stehenden spätern Postdirektors in Münster, H...g **), mitgemacht und 1858, damals 54 jährig, ihren Herrn noch täglich in einem Spazierritt um die Stadt trug. Nach 1862 durch meinen Abteilungskommandeur Major The L...n erhaltenen Mitteilungen war das damals 58 jährige Tier noch am Leben und machte dieselbe tägliche Promenade unter ihrem Herrn. Wann die Stute gestorben, habe ich leider nicht feststellen können.

Kriegspferd

Ebenso wurde 1860 im "Sporn" eine von fünf irländischen Squires bezeugte Mitteilung gemacht, wonach ein irländischer Gentleman ein ihnen wohlbekanntes 54 jähriges Pferd zu einer Fuchsjagd benützt und diese bis zum Ende mitgeritten habe. Und in der "Allgemeinen Sportzeitung" vom 18.Nov. 1906 ist unter der Spitzmarke "langlebige Pferde" die Rede von zwei arabischen Pferden im Besitze des Maharadja von Balrampur, welche zur Zeit (1906) im Alter von 49 bezw. 43 Jahren standen. Es wird erwähnt, dass der 49 jährige Nemi dem Nadji-, der 43 jährige Moti dem Shaglavi-Stamm angehöre, dass "die beiden Veteranen ihre reichliche Ration anstandslos verzehrten und morgens und abends eine Stunde leicht bewegt würden, wobei sie die Schweife hochtrügen und manchmal bei schönem Wetter noch einige lustige Sprünge riskierten". (...)
Mögen diese hier aufgeführten Pferde auch Ausnahmen sein, immer beweisen sie, dass das Pferd eines weit höheren leistungsfähigen Alters fähig ist, als bei uns zurzeit allgemein angenommen wird. Die Angaben der vergleichenden Physiologie der Säugetiere gehen dahin, dass das 10fache Wachstumsalter als das normale Lebensalter anzusehen sei, was für Pferde 40-60 Jahre ergeben würde, so dass ihr leistungsfähigstes Alter zwischen das 12. und 25. Lebensjahr fallen dürfte.
Generalleutnant v. Hontheim, ehemals Kommandeur der Gardekavalleriedivision, ein erfahrener Reiter, äusserte einst, "er kaufe nur 12 jährige Pferde, die völlig gesund sind, gut gebaut, gut geritten und ohne Knochenfehler seien". "Sie halten dann", so meinte er, "auch noch 12 weitere Jahre im Dienste aus".
Ich habe, wenn es sich darum handelte, gesunde Pferde - und das war bei den Truppenteilen, bei denen ich die Pferdepflege handhabte, die Regel - auszurangieren***), stets mehr nach dem Gebäude und der Leistungsfähigkeit der betreffenden Tiere, als nach ihrem Alter die Wahl getroffen, selbst wenn dadurch 15-16 jährige zur Ausrangierung gelangten, während 18-20 jährige den Batterien verblieben. Damit ist die Truppe gut gefahren. (...)
Ich lege auf diesen Punkt deshalb besonderes Gewicht, weil nach meiner Erfahrung Pferde bis mindestens zur Vollendung ihres 12. Lebensjahrs, manche auch noch weit später, durch richtige Übung an Muskelkraft zuzunehmen vermögen. Wurden doch in älteren Zeiten Schulpferde 6-8 Jahre ausgebildet, bevor man sie für ihrer Produktionen befähigt erachtete. Da hiernach, wenn ihre Ausbildung mit dem 4. Lebensjahr begann, dieselbe erst nach dem 12. beendigt war, so würden sie nach den Begriffe mancher heutigen Pferdeliebhaber (?) schon wieder zur Ausrangierung reif gewesen sein.
Wir stellen die Dienstpferde mit 4-5 Jahren ein, bilden sie als Remonten 2 Jahre lang aus und verlangen dann nur noch eine Durchschnittsdienstzeit von 8 Jahren von ihnen. Das steht mit den Kosten der Aufzucht und Dressur in keinem günstigen Verhältnis. Da nach genossener Remontenausbildung die Tiere noch keineswegs auf der Höhe ihrer Kriegsdienstbrauchbarkeit zu stehen pflegen, so würden und sollten sie bis zum 14. bis 15. Lebensjahr Fortschritte machen, wenn sie nur einer richtigen Gesundheitspflege und fortschreitender Reitausbildung unterzogen würden.
Statt dessen verfallen sie, meist durch eine verweichlichende, oft genug geradezu krankmachende Stallpflege nur allzubald dem Schicksal, Versuchsobjekte für die Gilftheilkunde zu werden. Statt zuzunehmen, wie an Alter, so an Ausdauer, Klugheit und Brauchbarkeit, nehmen sie nur zu an trauriger Lebenserfahrung bezüglich der an ihnen geübten Giftheilkunst und fallen dann folgerichtig einer frühzeitigen Invalidität anheim."

(Peter Spohr, Logik der Reitkunst, 1908, 4.Teil, S.7ff)

Weiteres zu Peter Spohr
Noch eine Araber-Pferdegeschichte von Peter Spohr ****)

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*) Die Araberstute dürfte damit zu den ganz wenigen Pferden gezählt haben, die den Russlandfeldzug 1812 der "Grande Armée" überlebten und aus ihm zurückkehrten.

**) Hessing ? (Posthalter Poststallmeister 1823).

Eine weitere Geschichte dieser Stute und ihres Reiter erzählt Spohr in "Natürliche Gesundheitspflege der Pferde" (1904), S.74f; diese betrifft das Schwimmen des Pferdes mit Reiter:
"Von einem alten erfahrenen Kavallerie-Officier aus den Befreiungskriegen, welcher zuerst im französischen Heere gedient und es dort bis zum Oberst und Regiments-Commandeur gebracht, habe ich erzählen hören, dass er beim Übergang über die Beresina nach dem bekannten Brückenbruch sich dadurch gerettet, daß er sich an der Mähne haltend, neben seinem arabischen Schimmel hergeschwommen, während die in seiner Begleitung befindlichen Officiere, welche im Sattel zu bleiben versucht hatten, alle verunglückten. Daß dazu die überstandenen Strapatzen und der jammervolle Futterzustand der Tiere mitgewirkt, ist wohl gewiß. Indessen fehlen mir andererseits alle authentischen und gut verbürgten Nachrichten über Schwimmleistungen von Pferden mit voller Sattelung unter Gepäck und dem ausgerüsteten Reiter"


***) Im Militär ausrangierte Pferde wurden zumeist öffentlich versteigert. Gesunde Pferde aus solchen Auktionen wurden gern von Fuhrleuten, Gewerbetreibenden oder als Privat-Reit- oder -Fahrpferde gekauft und erzielten teils hohe Preise.

****) An dieser Geschichte finde ich dreierlei Dinge noch bemerkenswert, die mehr nebenbei geschildert werden.
Erstens, ein preußischer Major im aktiven Dienst ersteigert ein Pferd im Land des "Erbfeinds" Frankreich. Neben französischem Geld muss er sich auch um einen Pass bemüht haben.  Zweitens, der "alte Major L." hat das soeben erworbene, als lebensgefährlich verschrieene Pferd über eine Strecke von 60km "nach Hause"geritten (so weit ist die Entfernung zwischen Metz und Luxemburg). Drittens, treffen sich französische und deutsche Offiziere zu "Offiziersstammtischen" in der zu jener Zeit deutschen Festung Luxemburg (die lange französisch war und bald wieder sein würde). Dass man sich also in Festungen dies- und jenseits der Grenze belauert, hält niemand davon ab die Feindschaft auf solch ritterliche und kultivierte Weise zu pflegen. Bestimmt hat man dabei französisch gesprochen, die Sprache der großen Reiternation. - Und das alles lange vor der Europäischen Union...


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