TAUNUSREITER
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NEU April 2022
Ahnenverlust in der Zucht des Arabischen Pferdes
Die Zucht des Araberpferdes steht wieder einmal in der Kritik. Ein
neues "Manifest zum Arabischen Pferd",
getragen aus arabischen Staaten, beklagt mangelndes Bemühen um
Reinheit der Abstammungen bei den staatlichen Zuchtverbänden
und der WAHO. Womit sowohl ältere, schon lange bekannte
teils fragwürdige Pedigrees gemeint sind, als auch neuere aus jüngerer
Zeit.
In einer älteren Ausgabe des "ASIL CLUB" Pferdekatalogs (ASIL
ARABER IV) las ich eine Rechtfertigung von Inzucht, um damit
ebendiese (angebliche) Reinheit zu gewährleisten. Nun ist in den
meisten Pedigrees (die vier bis fünf Generationen zeigen) kaum
Inzucht erkennbar. Alles okay also?
Ganz anders sieht die Sache aus, wenn man 10 Generationen
zurückblickt. Also zu jedem Pferd aus der 5. Generation sich
wieder den Stammbaum holt (z.B. auf www.allbreedpedigree.com).
Dann kommt man schon an die "Gründerpferde" unserer Araberzuchten
heran und stellt fest, dass dieselben Pferde im Stammbaum immer
wieder auftauchen.
Rein rechnerisch gibt es bis zur 10. Generation 2.046 Vorfahren: 2
Eltern, 4 Großeltern, 8 Urgroßeltern, ... und 1.024
Ururururururururgroßeltern. Beim Menschen lägen wir damit etwa 300
Jahre in der Vergangenheit, und es ist kaum anzunehmen, dass eine
erhebliche Menge an Individuen im Stammbaum mehrmals auftauchten.
Anders beim arabischen Pferd. Die relativ geringe Zahl (zunächst
nach Europa und die USA) aus den Originalzuchtgebieten
importierten Pferde bilden einen Flaschenhals, der bis in die
Gegenwart verstärkt wird durch Anpaarungen innnerhalb bestimmter
Gruppen.
Innerhalb dieser auf 10 Generationen zurückgerechneten Pedigrees
unserer Pferde habe ich mal die feststellbare Individuenzahl
ermittelt. Damit ist noch nichts gesagt über deren Anteil an der
Genverteilung, aber die Zahl ist wenigstens anschaulich und
liefert einen ersten Anhalt. Von 2046 maximal möglichen sind dies:
290 bei der Ägypterin (Ahnenverlustrate 85,3%)
454 bei einer Ägyptisch/Russischen Stute (Skowronek in 7.
Vorfahrengeneration)
656 bei einer Altpolnisch/Crabbet (in den USA) gezogenen
Stute (Skowronek in 6. Vorfahrengeneration)
790 beim ersten Fohlen dieser Stute (von einem Hengst mit
polnisch/ägyptisch gemischten Linien, mit 662 Individuen)
793 beim zweiten Fohlen dieser Stute (mit einem
neupolnisch gezogenen Hengst, mit 643 Individuen)
Dadurch, dass die Stute in den USA gezogen war, hat sie in den
2.-5. Generationen natürlich andere Pferde als die in
Deutschland/Europa gezogenen, deren Anteil schon mathematisch
geringer ist als der früheren Generationen, wobei hier bei der
(2003 geborenen) Polin sind hier schon etliche "desert breds"
nicht mehr mit Namen erfasst (Ausgangsbasis 1768 statt 2046
Pferden). Allerdings mag es für jüngere Pferde oder die neuen,
schnelleren Zuchtfolgen Sinn machen mehr Generationen mitzuzählen.
Gleichnamige Pferde sind natürlich extra zu rechnen.
Ahnenverlust in (wie in den genannten Beispielen) erheblichem
Umfang ist verbunden mit geringerer genetischer Diversität und
letztlich denselben Gesundheitsrisiken und
Degenerationserscheinungen wie bei direkter Inzucht. "Robust"
dagegen ist nur eine Population mit breiter genetischer
Diversität, wie sie bei den rein ägyptisch gezogenen Pferden gar
nicht vorkommt.
Fazit: Anstatt den Fokus auf die "großen Namen" im Pedigree
der Hengste zu legen, sollte man sich als Züchter bemühen, die
Pedigrees entweder gar nicht - und dafür nach Typ oder Familie
zu züchten - oder aber diese tiefer zu lesen, um mehr
Gleichmäßigkeit zu erzielen, was letztlich am ehesten zu
ausgeglichenen, robusten und gesunden Pferden führt, die frei von
Erbkrankheiten sind. Es ist insgesamt fraglich, ob 42x Nazeer, 51x
Mansour, 58x Ibn Rabdan, 34x Bint Samiha, 77x Rabdan El Azrak und
weitere in ähnlicher Zahl wirklich gut ist - Jedenfalls in einem
einzigen Pedigree!