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UPDATE Feb. 2025/ NEU
April 2022
Ahnenverlust in der Zucht des Arabischen Pferdes
Die Zucht des Araberpferdes steht wieder einmal in der Kritik. Ein
neues "Manifest zum Arabischen Pferd",
getragen aus arabischen Staaten, beklagt mangelndes Bemühen um
Reinheit der Abstammungen bei den staatlichen Zuchtverbänden
und der WAHO. Womit sowohl ältere, schon lange bekannte
teils fragwürdige Pedigrees gemeint sind, als auch neuere aus jüngerer Zeit.
In einer älteren Ausgabe des "ASIL CLUB" Pferdekatalogs (ASIL
ARABER IV) las ich eine Rechtfertigung von Inzucht, um damit
ebendiese (angebliche) Reinheit zu gewährleisten. Nun ist in den
meisten Pedigrees (die vier bis fünf Generationen zeigen) kaum
Inzucht erkennbar. Alles okay also?
Ganz anders sieht die Sache aus, wenn man 10 Generationen
zurückblickt. Also zu jedem Pferd aus der 5. Generation sich
wieder den Stammbaum holt (z.B. auf www.allbreedpedigree.com).
Dann kommt man schon an die "Gründerpferde" unserer Araberzuchten
heran und stellt fest, dass dieselben Pferde im Stammbaum immer
wieder auftauchen.
Rein rechnerisch gibt es bis zur 10. Generation 2.046 Vorfahren: 2
Eltern, 4 Großeltern, 8 Urgroßeltern, ... und 1.024
Ururururururururgroßeltern. Beim Menschen lägen wir damit etwa 300
Jahre in der Vergangenheit, und es ist kaum anzunehmen, dass eine
erhebliche Menge an Individuen im Stammbaum mehrmals auftauchten.
Anders beim arabischen Pferd. Die relativ geringe Zahl (zunächst
nach Europa, die USA, und Ägypten) aus den Originalzuchtgebieten
importierten Pferde bilden einen Flaschenhals, der bis in die
Gegenwart verstärkt wird durch Anpaarungen innnerhalb bestimmter
Gruppen.
In den 10-Generationen-Pedigrees unserer Pferde habe ich mal die Individuenzahl
ermittelt. Damit ist noch nichts gesagt über deren Anteil
an der Genverteilung, aber diese Zahl ist wenigstens
anschaulich, liefert einen ersten Anhalt und korreliert stark mit
der genetischen Varianz. Von 2046 maximal möglichen sind dies:
290 bei der Ägypterin (Ahnenverlustrate 85,3%)
454 bei einer Ägyptisch/Russischen Stute (Skowronek in 7.
Vorfahrengeneration)
656 bei einer Altpolnisch/Crabbet (in den USA) gezogenen
Stute (Skowronek in 6. Vorfahrengeneration)
790 beim ersten Fohlen dieser Stute (von einem Hengst mit
polnisch/ägyptisch gemischten Linien, mit 662 Individuen)
793 beim zweiten Fohlen dieser Stute (mit einem
neupolnisch gezogenen Hengst, mit 643 Individuen)
190 bei einer anderen
ägyptischen Stute, deren "enge" Linienführung schon beim
Blick aufs 5-Generationen-Pedigree optisch auffiel und den
typischen Flaschenhals dieser Zuchtrichtung zeigt.
Die hier an dritter Stelle aufgeführte Stute wurde aus den USA
importiert und hat daher in der 2. - 5. Generation andere
Vorfahren als in Deutschland gezüchtete Araber, ab der 6.
Generation sind die Vorfahren aber wieder sehr ähnlich. Geht man
lange genug zurück, stößt man auf die nicht mehr mit Namen
erfassten "Desert breds" bzw. nur nach Familien benannten. Diese
muss man herausrechnen, sofern sie sich nicht unterscheiden
lassen. Bei diesem Pferd ergibt sich somit eine Ausgangsbasis 1768
(statt 2046) Pferden. Für jüngere Pferde oder die neuen,
schnelleren Zuchtfolgen mag es sinnvoll sein, mehr als
zehn Generationen mitzurechnen. Gleichnamige Pferde sind natürlich
extra zu rechnen(!)
Ahnenverlust in (wie in den genannten Beispielen) erheblichem
Umfang von 2/3 oder sogar 9/10 ist verbunden mit
geringerer genetischer Diversität und letztlich denselben
Gesundheitsrisiken und Degenerationserscheinungen wie bei direkter
Inzucht. "Robust"
ist nur eine Population mit breiter genetischer Diversität, wie
sie z.B. bei den rein ägyptisch gezogenen Pferden gar nicht
vorkommt.
Fazit: Anstatt den Fokus auf die "großen Namen" im Pedigree
der Hengste zu legen, sollte man sich als Züchter bemühen, die
Pedigrees entweder gar nicht zu beachten - und dafür nach Typ
oder Familie zu züchten - oder aber, auch wenn man
bestimmte Ahnen erhalten möchte, in der Zucht für mehr
Varianz zu sorgen, anstatt diese zu vermindern. Das ist durchaus
möglich, wie obige Beispiele zeigen. Es ist insgesamt fraglich, ob
42x Nazeer, 51x Mansour, 58x Ibn Rabdan, 34x Bint Samiha, 77x
Rabdan El Azrak und weitere in ähnlicher Zahl wirklich gut ist -
Jedenfalls in einem einzigen Pedigree!