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Neu 30.März 2008, Update 7.12.2009

Das letzte Europäische Wildpferd

Tarpan

Heute wird der TARPAN von vielen Wissenschaftlern als das einzige Urpferd angesehen, von dem unser heutiges Haupferd abstammt. Höchst wahrscheinlich stimmt das nicht, und er ist lediglich einer der Hauspferde-Vorfahren, allerdings ein sehr wichtiger. Genau herausfinden wird man dies vielleicht nie, denn von keinem Tarpan sind Fell, Skelett oder DNS-haltiges Material erhalten. Allerdings werden seit einiger Zeit KONIKs auf ursprüngliche Merkmale rückgezüchtet und häufig fälschlich als Tarpane bezeichnet. Eine weitere, dem Tarpan nah verwandte Hauspferderasse ist der HUZULE. Es wird angenommen dass das einst in Ostpreußen heimische SCHWEIKER Pferd, Vorfahr des Trakehners, auf ein mit dem Tarpan verwandtes dort lokal lebendes Wildpferd zurückgeht, und auch die Vorfahren der ältesten Pferderasse Deutschlands, des SENNER PFERDES, leben vermutlich seit unvordenklichen Zeiten in der Heidelandschaft bei Bielefeld und gehen ebenfalls auf den Tarpan zurück, stärker vielleicht noch auf das MOSBACHPFERD.
Sehr wahrscheinlich haben sich die Vorfahren des Tarpans, des Urponys im Typ des Exmoorpony, und des Kaltblutpferdes, vielleicht auch des ARABERS vor vielen 10.000 Jahren, vielleicht sogar mehrern 100.000 Jahren - und damit weit vor der Domestikation des Pferdes durch den Menschen - sich getrennt und lokal unterschiedlich weiterentwickelt. Vermutlich bildeten sie verschiedene Unterarten (Ur-Rassen), die unterschiedliche Naturräume belebten und sich nur gelegentlich oder gar nicht vermischten. Es kann jedenfalls kaum bezweifelt werden dass es schon vor der Domestikation durch den Menschen unterschiedliche Pferde-Unterarten oder -Typen gab. Darauf weisen schon die Bilderhöhlen Südfrankreichs mit ihren herrlichen, unzweifelhaft verschiedene Pferdetypen darstellende Pferdebilder hin, von denen einige 32.000 Jahre alt sind.


Chauvet Pferde
(Fries der Pferde - GROTTE CHAUVET, entdeckt 1994)

In der Zuchtgeschichte des Pferdes wurden die Pferdetypen dann verfeinert, aber leider ist dabei auch etliches Genmaterial von Einhuferrassen, das zum Gebrauchspferd unerwünscht war, auch ausgerottet worden. Neben dem südafrikanischen Quagga ist der Tarpan als traurigster Verlust zu beklagen -- und das, obwohl anzunehmen ist, dass er viele Reitpferdepoints, körperliche wie seelische, zu dem was wir heute am Pferd am meisten schätzen, beigesteuert hat. Mehr jedenfalls als die heutigen Rückkreuzungen vermuten lassen...


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Diese kleinen mausgrauen Pferde mit der helleren Unterseite und dem „Aalstrich“ d.h. einer dunkleren Rückenlinie, mit der hellen, scharf abgesetzten Schnauze hatten an den dunklen Beinen zuweilen Streifen wie ein Zebra. Der Kopf war ein wenig ramsnäsig, klein, mit spitzen Ohren, die Mähne aufrecht stehend und kurz, der Schwanz an der Wurzel schwach behaart. Die Pferde lebten in Herden. Innerhalb dieser Gemeinschaften sonderten sich dann kleinere Familien-Trupps ab mit einem Hengst an der Spitze, der für die Sicherheit seiner weidenden Stuten besorgt war. Jede Gefahr witterte er schon von weitem und veranlasste die ganze Herde zu wilder Flucht. Diese Wildpferde waren so schnell, dass der Mensch ihnen nur schwer beikommen konnte. Die überzähligen Hengste wurden meist vom Leithengst abgeschlagen und trabten dann in einiger Entfernung hinter der Herde drein. Diese Außenseiter nun vor allem fügten den Bauern der südrussischen Steppe oft großen Schaden zu, indem sie Stuten aus den frei weidenden zahmen Herden weglockten und mit sich in die Steppe entführten. Deshalb wurden die Tarpane von den Pferdehirten und den Herdenbesitzern gehasst und unablässig verfolgt. Die letzte Zuflucht fanden sie dann endlich in den menschenarmen Gebieten Südrusslands.
Die sächsischen Gutsbesitzer von Falz-Fein hatten nördlich der Krim eine große Siedlung begründet, die sie Askania Nova nannten. Sie schufen dort einen großes Tier-Freilandgehege, wobei sie ihr Augenmerk besonders auf aussterbende Arten richteten. In seinem Werk „Askania Nova“ erzählt nun Woldemar von Falz-Fein von der Lebensarbeit seiner Familie und diesem Buch entnehmen wir einen Bericht von Friedrich von Falz-Fein über das traurige Ende des letzten europäischen Urwildpferdes, das sich 10 Jahre vor der Gründung des Tierparks zugetragen hatte. Hier sein Bericht:

„Das letzte südrussische Wildpferd ist im Jahre 1879 zu Weihnachten etwa 35 Werst*) von meinem Gute Askania Nova in einer Steppenniederung, die der ‚Große Agaimanische Pod’ genannt wird, getötet worden.

Mein Vater war ein großer Pferdekenner und Pferdezüchter und interessierte sich sehr für die in seinen jüngeren Jahren in der Nogaischen Steppe Tauriens noch ziemlich häufig vorkommenden Wildpferde, die übrigens in den Steppen der Halbinsel Krim, soweit bekannt, niemals vorhanden gewesen sind.

Im Anfang der siebziger Jahre erzählte er mir, wenn er von seinen Steppenfahrten heimkehrte, öfter davon, dass er wieder einen Trupp Wildpferde in der Steppe gesehen hätte. Zuletzt sah er nur noch 8, dann 5, dann nur noch 2 Pferde; immer beobachtete er sie ungefähr in derselben Gegend.

Das letzte Mal, als er davon erzählte, sagte er wörtlich folgendes: “Heute war ich dort, wo die Bahn gebaut wird (Charkow-Sewastopol) und habe in der Steppe noch 2 Wildpferde gesehen.“

Einige Jahre später erwähnte mein Vater, dass nur noch ein Wildpferd vorhanden sei und zwar in der Rachmanowschen Steppe.

Ein Gutsbesitzer, Herr Alexander Durilin, der am rechtsseitigen Ufer des Dnjepr im Chersonschen Gouvernement sein Gut Dutschino benachbart dem Gute meines Bruders Alexander, gegenüber dem großen russischen Dorfe Lepetischa hatte, erzählte mir folgendes:

Er hatte die ganze Rachmanowsche Steppe auf der linken Seite des Dnjepr, also im taurischen Gouvernement, in langjähriger Pacht, in der Größe von etwa 30.000 ha. Laut Kontrakt durfte er nur einen kleinen Teil, ungefähr 1000 ha, als Ackerland ausnutzen. Das übrige musste Steppe bleiben und durfte nur als Weide oder Grasmähland verwendet werden. Da Durilin wenig lebendes Inventar besaß, wurde die Steppe nicht stark begangen, war menschenleer und sehr grasreich. Dahin zog sich das oben erwähnte letzte Wildpferd zurück.

Durilin hielt auf der Steppe eine große Pferdeherde auf sehr primitive Art, wie es dazumal gewöhnlich der Fall war. Solche Herden nennt man ‚Tabun’. Jahraus, jahrein weideten die Tiere in der Steppe unter ziemlich lockerer Aufsicht einiger Steppenreiter in der Nähe eines einsam gelegenen Viehstalles.

Zu dieser Herde gesellte sich das letzte reinblütige Wildpferd, eine Stute. Wenn die Hirten abwesend waren, mischte sie sich mitten unter die Herde. Kaum zeigte sich aber ein Hirt, so stand sie stets vereinzelt in einiger Entfernung da. Niemals haben die Hirten das Tier liegend ausruhen gesehen, wogegen die Hauspferde während des Tages regelmäßig eine Zeit liegend verbringen. So vergingen ungefähr drei Jahre. Allmählich wurde die Stute zahmer. Sie entfernte sich nicht mehr so weit beim Herannahen der Hirten, und wenn die Herde zur Tränke oder zum Viehstall getrieben wurde, lief sie nicht wie zuerst weit in die Steppe davon, sondern folgte in einiger Entfernung der Herde. Durilin schonte und beschützte das Tier.

Während der drei Jahre bekam die Stute zwei Fohlen von einem zahmen Hengste der Durilinschen Herde. Von diesen beiden Fohlen war das eine der Mutter sehr ähnlich, das andere aber artete dem Vater nach. Die Fohlen wurden der Stute jedes Mal abgenommen, großgezogen und später als Arbeitspferde verwendet, haben sich auch als sehr leistungsfähig erwiesen. Da sie aber verhältnismäßig klein waren, hatte Durilin ihnen kein weiteres Interesse entgegengebracht. Die Stute wurde so zahm, dass sie im Winter eines Tages mit der Herde in die Umzäunung vor dem Stalle hineinging, wo die Pferde etwas Heu zu bekommen pflegten. Schließlich ging sie mit der Herde sogar in den Stall. Die Gelegenheit wurde ausgenutzt, die zahmen Pferde wurden herausgelassen und das Wildpferd im Stall eingefangen.

Es benahm sich eingesperrt äußerst wild, sprang an den Wänden hoch, schlug sich in die äußerste Ecke des Stalles und nahm einige Tage kein Futter an. Schließlich gewöhnte es sich zwar an das Futter, gebärdete sich jedoch noch sehr wild. Durilin ließ es nun mit einem Lasso einfangen und in eine Box bringen, wo es bis zu Frühjahr blieb.

Man gab sich die größte Mühe, es zahmer zu machen, und erreichte auch, dass es sich zur Tränke führen ließ, wobei es aber jedes Mal versuchte, sich loszureißen. Putzen und Anrühren gestattete es nicht.

Im Frühjahr bekam es das dritte Fohlen im Stall. Beim Einbringen in die Box hatte es ein Auge verloren. Da, wie gesagt, das Tier so zahm geworden war, dass es sich sogar führen ließ und ein Fohlen bekam, hoffte Durilin, es würde nicht mehr weglaufen und nach dem Herauslassen auch weiter bei der Herde bleiben. Aber kaum war der Halfter abgenommen und der Stute die Freiheit gegeben, als sie mit lautem Wiehern sofort in die Steppe hinauslief. Bald kehrte sie zurück, suchte ihr Fohlen auf, nahm es mit sich und verschwand auf Nimmerwiedersehen in der weiten Steppe, statt sich der Herde anzuschließen. Seit dieser Zeit hat Durilin niemals wieder etwas über diese Stute erfahren können.

Später tauchte das Pferd in der verhältnismäßig menschenleeren Steppe auf, nahe dem Dorfe Agaimany und unserem Gute Uspenka, etwa 35 Werst von Askania Nova, wurde von verschiedenen Menschen gesehen und auch verfolgt, bei dieser Gelegenheit hat es wahrscheinlich sein Fohlen verloren. Laut Aussagen eines Augenzeugen, des Herrn Paul Sisojew, der in der Nähe von Uspenka sein Gut hatte und an der letzten Stutenjagd teilnahm, ist diese Stute auf folgende Weise ums Leben gekommen:

Die Bauern von Agaimany und einige der umliegenden kleinen Besitzer, denen das Auftreten des Wildpferdes in ihrer Nähe bekannt wurde, beschlossen, wahrscheinlich um die Tüchtigkeit ihrer Pferde zu erproben, während der Weihnachtsfeiertage eine Jagd, eher ein Treiben, auf das Pferd zu veranstalten. Dazu sammelten sich die Reiter auf den besten Pferden der Umgegend. Man stellte berittene Vorposten in weiten Abständen voneinander auf und trieb nun die Stute dem ersten nächsten Posten entgegen. Dieser übernahm die Verfolgung bis zum zweiten, der nächste bis zum dritten usw. Doch aller Anstrengungen spottend, entging die Stute ihren Verfolgern. Es lag an diesem Tag ziemlich viel Schnee, dessen Decke zu einer harten Kruste gefroren war. Dazu waren sehr hohe Schneewehungen entstanden. Trotzdem sprang das Tier über alle diese Hindernisse mit fabelhafter Leichtigkeit hinweg und wäre niemals gefangen worden, wenn es sich nicht ein Vorderbein dadurch gebrochen hätte, dass es beim Springen in eine Erdspalte geriet.

Auf einen Schlitten geladen wurde es nach Agaimany gebracht, wo die ganze Bevölkerung es anstaunte. Man versuchte, um es zu retten, durch den Dorfbader einen künstlichen Huf zu machen, doch ging es selbstverständlich nach einigen Tagen ein.

Es war dieselbe einäugige Stute, die bei Durilin im Stalle gestanden hatte. Dies war das Ende des letzten südrussischen Wildpferdes. Von ihm ist leider weder Fell noch Skelett gerettet worden.

Alexander Durilin und Paul Sisojew, die beide in jener Gegend allgemein bekannten Züchter und Pferdekenner, gaben von dem Äußeren der Stute folgendes Bild:

Sie war klein, ponnyartig, sehr gut gebaut, mit trockenen, festen und gut gestellten Beinen, etwas ramsnäsig, mit kleinen, spitzen Ohren, kleinem trockenem Kopf, kurzer Mähne und kurzem Schweif. Die Färbung war mäusegrau oder wildfarbig, wie man es dort bezeichnet, mit dunklen Beinen und deutlichem, schwarzem Aalstrich auf dem Rücken. Diese Angaben entsprechen vollkommen den Beschreibungen aller übrigen von mir befragten Leute, die das Wildpferd genauer gekannt haben, und ebenfalls derjenigen, die mein Vater mir gegeben hat.“

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Quelle des Berichts: Dr.O.Fehringer, Wildtiere und Haustiere, KOSMOS 1936


 
*) entspricht 37km


Falz-Fein kaufte später gefangene Przewalski-Wildpferde (Tachis) für den Tierpark. Es gilt als sicher dass ohne diese Käufe und seine Zucht in Askania Nova auch dieses Wildpferd ohne Nachkommen ausgestorben wäre. 1914 besuchte Zar Nikolai II. das Gut und erhob die deutschstämmigen Besitzer in den Adelsstand. Nach der Russischen Revolution wurde Gut und Tierpark Askania Nova 1919 enteignet, aber nicht zerschlagen sondern zum staatlichen Tierzuchtinstitut erklärt. Die Falz-Feins jedoch emigrierten nach Luxemburg. 1921 wird die Gegend zum Naturschutzgebeit, 1984 zum Biosphärenreservat erklärt. Einige der sechzehn 1992 ersten in der Mongolei wieder ausgewilderten Tachis stammen aus Askania Nova.

Askania Nova liegt in der heutigen Ukraine, genau nördlich der Halbinsel Krim. Wo aber genau das Dorf Agaimany liegt oder lag, wo das letzte Tarpan-Wildpferd starb, konnte ich nicht ermitteln.


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Über die Lebensweise ist nach den Aussagen der Augenzeugen
folgendes zu berichten:

Als die Steppen noch wenig bevölkert, vollständig unbeackert
und sehr grasreich waren, hielten sich die Wildpferde in kleinen
Trupps in den menschenleersten Gegenden in der Nähe der flachen,
abflußlosen, muldenförmigen Vertiefungen der Steppe auf, in denen
sich das Regen- und Schneewasser ansammelte. Solche Orte nannte
die Bevölkerung „Pod". Es waren versumpfte Steppenseen mit
üppiger Sumpf vegetation, in der Wasser- und Sumpfgeflügel massen-
haft sich aufhielt und brütete.

Die Pferde weideten in der hohen, nächstgelegenen Stipa-Steppe
und gingen nur zur Tränke in diese sumpfigen Niederungen. Auf
den höchsten Punkten der umliegenden Steppe in der Nähe dieser
Sümpfe befinden sich meistens scytische Grabhügel. Der Leithengst
pflegte auf einem solchen Hügel sichernd zu stehen, während
die Herde in der Nähe weidete. Fußgänger wurden verhältnismäßig
nahe herangelassen. Vor einem Reiter aber flohen die Tiere schon
in der Entfernung von einigen Kilometern. Nach den Berichten
aller Augenzeugen waren die Wildpferde außerordentlich flüchtig,
und an ein Einholen mit Reitpferden war nicht zu denken. Dabei
muß man allerdings noch in Betracht ziehen, daß den Leuten, die
damals Wildpferde hetzten und über ihre Flüchtigkeit so erstaunt
waren, weder Halb- noch Vollblüter zu Gebote standen, sondern
nur Reitpferde der einheimischen Steppenrasse, die den Kultur-
rennpferden an Schnelligkeit selbstverständlich erheblich nachstanden.

Im Frühjahr während der Paarungszeit hielten sich die jüngeren
und schwächeren Hengste von der Herde abgesondert entweder in
kleinen Trupps oder vereinzelt auf; zu den Stuten aber wurden sie
vom Leithengst nicht zugelassen. Eine Vermischung der Wildpferde
mit den halbwild gehaltenen Hauspferden fand in früheren Zeiten
nicht statt, so daß die Rasse sich deshalb rein eihielt. Die über-
zähligen Hengste bedeckten zwar hin und wieder zahme Stuten;
niemals aber wurde ein zahmer Hengst an wilde Stuten von
deren Leithengst herangelassen. In der letzten Zeit, als die Tiere
nicht mehr in Herden, sondern einzeln herumstreiften, kam eine
Bedeckung wilder Stuten durch zahme Hengste zuweilen vor.

Zur raschen Verminderung der Wildpferde trugen hauptsächlich
folgende Gründe bei:

I. Die starke Ansiedlung von Bauern aus allen Gegenden
Rußlands durch die Regierung an Stelle der weggezogenen Nogaier
in Taurien, so daß die menschenleere Steppe verhältnismäßig belebt
wurde.

II. Aus lauter Mutwillen wurden die Tiere immer umher gehetzt
und hatten keine Ruhe mehr. Besonders verderblich wirkte auf sie
das Treiben auf stark beschlagenen Pferden während des Glatteises.

III. Das Austrocken der oben genannten Sümpfe infolge des
ständigen Ausmähens derselben und die in der Nähe angelegten
Ansiedlungen entzogen ihnen ihre Tränken. Schließlich mußten
die vom Durst gepeinigten Tiere sogar an die Brunnen heran gehen,
aus denen man das zahme Vieh tränkte und wurden dabei erschossen.

Alle diese Umstände wirkten sehr rasch auf eine vollständige
Ausrottung der Wildpferde ein.

Das durch Schatilow im Jahre 1884 dem Moskauer Zoologischen
Garten geschenkte Wildpferd, ein Wallach, den ich selbst in Be-
gleitung zweier aus Taurien gebürtiger Menschen gesehen habe,
die die Wildpferde genau kannten, war dem ganzen Habitus nach
sicher kein rein blutiges Wildpferd, sondern ein mehr nach dem
Hauspferde geschlagener Mischling. Auch Schatilow hielt ihn,
wie er mir selbst sagte, nicht für ein reinblütiges Wildpferd. Er
hat ihn genau beschrieben und seiner Arbeit drei große Photographien
des Tieres beigelegt-). Der Wallach war viel zu schwer gebaut,
hatte einen schweren, massiven Kopf, sehr lange, herabhängende
Mähne und langen Schweif. Die Kruppe war sehr schlecht, auch
die Beine waren schlecht gestellt. Das Tier war in der Färbung
zu dunkel und auch etwas größer als die Wildpferde. Außerdem
hatte es noch einen braunen Fleck unterhalb des Knies am linken
Vorderfuß.

Durilin, der mich speziell besuchte, um meine Wildpferde aus
Asien kennen zu lernen und sie mit dem Tarpan zu vergleichen,
blieb, als ich sie ihm zeigte, lange vor ihnen stehen und sagte
schließlich, daß dies ganz anders aussehende Pferde seien, als die
ihm gut bekannte, letzte südrussische Stute. Er meinte, daß das
asiatische Wildpferd viel plumper und schwerer im Körperbau sei,
einen viel schwereren, fleischigeren Kopf und einen viel dickeren Hals
habe. Auch sei die Färbung ganz anders. Das südrussische Wild-
pferd sei mäusegrau gewesen, dagegen sei das asiatische falbfarbig.
Der Aalstrich sei nur schwach ausgeprägt, bfei dem südrussischen
aber scharf und deutlich. Im allgemeinen sei das südrussische
Wildpferd viel eleganter, leichter und trockener gebaut gewesen.

Die mongolischen Wildpferde haben bekanntlich eine schwach
behaarte Schweifwurzel, die von keinem Beobachter des russischen
Wildpferdes erwähnt worden ist. Diese schwache Behaarung kann
man übrigens nur bei jungen Tieren von Equus przwevalsUki bemerken.
Bei ausgewachsenen, gut gehaltenen asiatischen Wildpferden ist sie
nicht deutlich ausgeprägt.

Mein Vater trug sich lange mit der Absicht, auf einer in das
Faule Meer, Siwasch, vorspringenden Halbinsel von zirka 6000 ha
Größe Wildpferde anzusiedeln, um sie vor dem Aussterben zu retten.
Leider konnte er aber solche nicht mehr bekommen. Es war zu
spät.

In neuerer Zeit war die Meinung verbreitet, daß der südrussische
Tarpan kein eigentliches Wildpferd, sondern nur ein verwildertes
Pferd sei. Dagegen muß ich betonen, daß, abgesehen von der gleich-
artigen Gestalt und Färbung und der eigenartigen Lebensweise, kein
einziger der von mir eingehend befragten Augenzeugen diese Ansicht
geteilt hat. Im Gegenteil haben alle, unter ihnen sehr gute Pferde-
kenner und Pferdezüchter und auch mein Vater, ganz bestimmt
behauptet, daß der südrussische Tarpan ein wirkliches Urwildpferd
gewesen ist.

Hierbei entsteht ganz von selbst die Frage : Wie verhält sich der
ausgestorbene südrussische Tarpan zu dem heute noch lebenden
asiatischen Wildpferde? Der südrussische Tarpan ist offenbar die Ur-
form derjenigen Hauspferde gewesen, die einst in den südrussischen
Steppen von den Kosacken, Nogaiern, Kalmücken und anderen gezogen
worden sind. In den Steppen Tauriens, des Don, Kuban und am
rechten Unterlauf der Wolga wurde, bevor eine Vermischung mit
Kulturrassen erfolgte, ein Schlag gezüchtet von mittlerer Größe
mit leichtem, sehnigem Körperbau, starken trockenen Beinen, gutem
Rücken, mit Hirschhals und ramsnasigem, aber trockenem Kopf,
mit verhältnismäßig kurzer Mähne und kurzem Schweif. Es war
ein Reitschlag, unter dem sehr oft Pferde vorkamen, die die oben
erAvähnte graue Wild färbe hatten und dem Bau nach dem ausge-
storbenen Tarpan außerordentlich ähnlich waren.

Im Gegensatz zu diesen südrussischen züchten die Kirgisen
und Baschkiren in den Gegenden östlich der Wolga und in den
asiatischen Steppen und weiter nach Osten die Burjäten und Mongolen
heute noch eine ganz andere Pferderasse von viel kleinerem,
schwererem und plumperen Körper, mit schwerem, fleischigen Halse
und Kopfe und mit struppiger Mähne und langem Schweife.
Unter ihnen kommen sehr viele wie Equus pr^ewalshii falbfarbige
vor. Dieser heute noch sehr primitiven Hauspferdgruppe entspricht
dem Bau nach das asiatische AVildpferd. Es ist nach meiner Meinung
also offenbar die Urform der nordchinesischen und mongolischen
Hauspferdrassen.

Auf der letzten großen, russischen Pferdeausstellung in Kiew
waren auch Pferde der verschiedensten russischen Naturrassen aus-
gestellt, unter denen sich auch einige Baschkiren-Pferde befanden.
Diese dort ausgestellten Baschkiren-Pferde sahen den asiatischen
Wildpferden verblüffend ähnlich, waren falbfarbig und von demselben
Körperbau. Nur waren die Mähne und der Schweif länger und
buschiger. Die meisten hatten eine Aalstrich und Zebroid streifen
an den Beinen und eine Stute sogar an der Stirn. Ich kaufte 4
Stuten davon. Als sie der Landstallmeister Exellenz von Oettingen,
der damals auch die Ausstellung besuchte, sah, war er sehr entzückt
von der guten Beinstellung und schönen Gangart dieser Tiere und
wollte sie unbedingt erwerben, um mit ihnen Züchtungs- und
Kreuzungsversuche in Trakehnen anzustellen. Auf seine dringende
Bitte überließ ich sie ihm zum Selbstkostenpreis. Zwei dieser
Stuten sind jetzt noch in Trakehnen.

Es wäre wünschenswert, daß diese Pferde von einem Zoologen,
solange sie noch vorhanden sind, näher beschrieben und mit Equus
przevalski verglichen würden.

Gewöhnlich sehen die asiatischen Wildpferde, die man in
Zoologischen Gärten sieht, sehr unvorteilhaft aus, wahrscheinlich
infolge mangelhafter Bewegung und nicht zusagender Ernährung.
Von meinen asiatischen Wildpferden, die ich nebenbei gesagt 2 Jahre
früher als Hagenbeck, nämlich im Jahre 1899, und als erster lebend
bekam, kann ich das nicht behaupten. Meine Wildpferde, die ich
mit Hauspferden sehr viel auf der freien Steppe weidend halte,
wo sie ihrer natürlichen Lebensweise entsprechend sich bewegen
und sich ihnen zusagendes Futter erwählen können, sind in ihrer
Art sehr schön und gut gebaute Tiere, wie aus den beifolgenden
Photographien zu ersehen ist. Eine von ihnen stellt einen von mir
gezüchteten Hengst vor, die zweite zwei importierte Stuten, mit bei
mir geborenen Fohlen, und die dritte einen importierten Hengst und
ein jüngeres Fohlen.

Zum Schluß möchte ich mein Bedauern ausdrücken, daß es
weder meinem Vater noch mir gelungen ist, trotz aller Bemühungen
das noch vor kurzem in den Taurischen Steppen vorkommende
Wildpferd, den Tarpan, vor dem Aussterben zu schützen, oder
wenigstens eine Haut oder ein Skelett davon zu erwerben. Um
so mehr befriedigt mich das Bewußtsein, infolge dieses großen
Interesses zum Wildpferd derjenige gewesen zu sein, der die Wege
und Mittel ausfindig gemacht hat, um das asiatische Wildpferd
endlich als erster lebend nach Europa zu bringen, und der wissen-
schaftlichen Vergleichung zuzuführen.

Für die Erlaubnis, das Tarpan-Bild aus Beehms Tierleben
hier wiedergeben zu dürfen, danke ich der Verlagsbuchhandlung
verbindlichst, ebenso Herrn Dr. Ramme für eines der Bilder.

Tafel-Erklärung.

Tafel VI.

Oben links: 2 importierte Stuten mit Fohlen, die in Askania-Nova geboren sind.
Unten links: Hengst, in Askania-Nova gezüchtet.
Oben rechts: Importierter Hengst und ein sehr junges Fohlen.
Unten rechts: Südrussischer Tarpan. Mit Genehmigung der Verlagsbuch-
handlung aus Brehm's Tierleben entnommenes Bild. (Bilder nicht vorhanden)



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