Photo: Sadko
Solinski (gest. 21.12.2005) im Sattel
Der "richtige Sitz" im Gelände
"LEICHTER SITZ” oder AUSSITZEN ?
Jetzt da überall in der Freizeitreiterszene über
„Versammlung“ debattiert wird, wird von einigen Vertretern
angeblich klassischer Schule behauptet, dass nur der
ausgesessene (Voll-) Sitz pferdefreundlich sei. Nicht nur
der „Leichte Sitz“ sondern alles die Hinterhand
entlastende Reiten bringe das Pferd auf die Vorhand,
überlaste diese und sei damit pferdequälerisch.
Steinbrecht, dem ja wohl kein Reiter absprechen
will, ein Klassiker zu sein, lehrte nur leider etwas ganz
anderes:
“Einen Normalsitz zu Pferde, wenn man darunter
eine auch nur für die Mehrzahl der Fälle
richtige Körperhaltung verstehen will, gibt es
gar nicht, denn der Reiter sitzt nur dann richtig
zu Pferde, wenn der (dynamische; FM) Schwerpunkt oder
vielmehr die Schwerpunktlinie seines Körpers mit
der seines Pferdes zusammenfällt. Nur dann ist er
mit seinem Pferd in vollkommener Harmonie und gleichsam
eins mit ihm geworden. Da aber der Schwerpunkt des
Pferdes nach dessen verschiedener Haltung und Richtung
sehr verschieden verlegt werden kann, so muß sich
danach auch die Richtung des Reiters jedes Mal
ändern (S.2) (...) Der verständige (...)
Bereiter wird es seinem Pferd bald abfühlen,
wieviel er die Hinterhand zu belasten hat, um das
Gleichgewicht zu gewinnen... (S.56)“
Und Spohr schreibt in der „Logik der
Reitkunst“, Teil 3, S.50: „Wesentlich ist beim
Zureiten und Korrigieren des Pferdes, dass der Reiter
auch durch die Art seiner Sattelbelastung alle
Leistungen des Pferdes erleichtert und unterstützt.
Wenn daher bei einem annähernd normal gebauten
Pferde die gleichmäßige Belastung des
Sitzdreiecks bei den Gängen auf gerader Linie
genügt, so muß z.B. bei überbauten oder
lendenschwachen Pferden das Gewicht vorwiegend auf die
Spalte (Spitze des Sitzdreiecks) verlegt werden, um die
Tragfähigkeit der Hinterhand und das Untersetzen
der Hinterbeine zu erleichtern. (...) Daher ergibt sich
dass auch beim normal gebauten Pferde ein leicht
vornübergebeugter Spaltsitz dann am Platze ist,
wenn es vorzugsweise im Untertreten und im
Hankengebrauch geübt werden soll. Die
Hankengelenke vorzugsweise oder gar von Hause aus
durch starkes Niedersitzen auf die
Gesäßknochen biegen zu wollen ist ein
großer Fehler“
Grundregeln für den „richtigen Sitz“ im
Gelände
Das wichtigste (und das gilt für den
Geländereiter „deutscher Schule“ unvermindert) ist
somit, dass der Sitz ausbalanciert, anschmiegsam, im
Gleichgewicht mit der Bewegung des Pferdes ist und dieses
nicht in seinen Bewegungen stört, oder zu
Widersetzlichkeiten (Kurze abgehackte Gänge,
Kopfschlagen, Gehen gegen die Hand oder schlimmeres)
reizt. Das klingt nach wenig, ist aber bei manchen Pferden
schon gar nicht so einfach umzusetzen. Wer fordert alle
Pferde, auch die „schwierigen“, von Anfang an ausgesessen
zu reiten, der trifft entweder keine Unterscheidung
zwischen Zielen und Mitteln, offenbart einen eklatanten
Mangel an reiterlichem Feingefühl und
Differenzierungsvermögen, oder war immer in der
glücklichen Lage harmonisch gebaute und fehlerfreie
Pferde geritten zu haben, aber keine solchen mit langen
Rücken, fehlerhafter Hinterhand, überbaute
Kruppen, schwache Lenden, Unterhälsen, oder auch
kurzem kräftigen, sich versteifenden Rücken zu
reiten. Wenn er diese nicht gar für „unreitbar“ oder
zu Hundefutter erklärt hat... Aber wie heißt es
so schön „Nicht der Gesunde braucht den Arzt
sondern der Kranke" - oder besser ausgedrückt,
fehlerhaft gebaute Pferde (von denen es viel mehr gibt)
brauchen Gymnastizierung noch viel nötiger als
perfekte. Diese vermag dann all die genannten Fehler zu
beheben oder auszugleichen - wenn der Reiter sie erkannt
hat, es versteht auf sie Rücksicht zu nehmen, sie
allmählich zu bessern, und durch die Vorzüge
anderer Körperteile und geistiger Eigenschaften
auszugleichen. Bei Pferden deren Temperament und
Leistungsbereitschaft keine Wünsche offen lassen
lohnt sich mitunter oft jahrelange geduldige Arbeit in
simplen Trabübungen, Biegungen, Seitengängen und
Rückwärtsrichten: Das Resultat sind die oft zum
Geländereiten besten und leistungsfähigsten
Pferde überhaupt, von denen Steinbrecht schreibt: „Es
ist ein kleineres Verdienst, ein gut gebautes junges
Pferd zu einem vorzüglichen Kampagne- oder
Schul-(Dressur)pferd heranzubilden, als ein schwaches,
unregelmäßig geformtes, wenn auch nur bedingt
(nicht fürs Dressur- sondern fürs
Geländereiten), brauchbar zu machen“ (S.57)
Der Sitz: harmonisch und im Gleichgewicht
Im Unterschied dazu wurde der „Leichte Sitz“,
vornübergeneigt und mit kurzen Bügeln, von
Caprili erfunden um leichtgewichtigen Kavalleristen einen
sicheren, schnell erlernbaren Sitz für das Springen
relativ hoher Hindernisse auf großen
Vollblütern beizubringen, wo das Übergewicht
nach vorn unschädlich ist. Kleinere Pferde mit
kräftigeren Reitern bringt dieser Sitz hoffnungslos
auf die Vorhand. Allenfalls für leichtgewichtige
Reiter(innen) und Distanzritte mag dieser Sitz vom
Standpunkt der Pferdegesundheit akzeptierbar sein. Aber
nur wenn als Korrektur ausgleichend regelmäßig
Dressur geritten wird. „Leicht“ ist dieser Sitz in erster
Linie nicht fürs Pferd, sondern eher für
Reitanfänger, untrainierte Hintern und
Oberschenkelinnenseiten. Wenn diese am nächsten Tag
beim Treppensteigen gut fühlbar sind ist man
zumindest nicht ganz falsch geritten. Dennoch ist der
„Leichte Sitz“ nicht völlig zu verwerfen, zumindest
im Galopp (ab Jagdtempo) und über Hindernisse hat er
seinen Wert. Reiter die den „Leichten Sitz“ bevorzugen
sind nicht ganz auf dem Holzweg, was Geschmeidigkeit
betrifft: Zumindest verfügen sie soviel
körperliche Gewandtheit und Sensibilität, ihrem
Pferd nicht mit schwerärschigem Im-Sattel-Herumfallen
wehzutun, wie man das bei Vertretern der
„Aussitz-Fraktion“ leider manchmal sieht -- die auf
diese Weise leider nie ein Pferd zur „Versammlung“ bringen
werden. Weil es die ohne Gelöstheit des Pferdes
nämlich nie geben könnte, und um ihr Pferd zu
lösen müssten sie erst mal lernen dezent mit
ihrem Gewicht umzugehen.
Was folgt aus dem gesagten für den „normalen“ Sitz
des Geländereiters „deutscher Schule“, der sein Pferd
nicht in natürlichen Gängen „verbrauchen“ (?),
sondern wie ein guter Reiter es anstrebt bis zum
körperlich maximal möglichen ausbilden und
mindestens 10-20 Jahre leistungsfähig erhalten will?
Um Untersetzen und Lastaufnahme der Hinterbeine zu
erleichtern, sind neben den Gewichts- die Schenkelhilfen
am wichtigsten, weil durch das Zusammenziehen der
Bauchmuskulatur das Vorsetzen der Hinterbeine direkt
veranlasst wird. Mit den Bauchmuskeln trägt
das Pferd den Reiter. Der Rücken wirkt nur passiv
mit, wenn er freischwingend und losgelassen ist.
Ein festgehaltener Rücken schadet nur. Er bringt das
Pferd nicht vorwärts, wie man besonders beim zum
ersten Mal angerittenen Pferd sehen kann, dass einen
Katzenbuckel macht. Das bockende Pferd das seinen Reiter
aus dem Sattel wirft, ist ein Musterbeispiel für
einen „aufgewölbten Rücken“ woraus man sehen
kann dass dieser nicht anstrebenswert ist.
Den besten und geschmeidigsten Sitz lernt man bekanntlich
beim Reiten ohne Sattel und Bügel. Es ist der einzige
bei dem der Oberkörper ungezwungen aufrecht gehalten
und kein einziger Muskel bewusst angespannt, oder
festgehalten, noch mit Knieschluß geritten wird
(außer kurzzeitig und unterstützend: beim
Landen nach Sprüngen, Vermeiden des
Vorüberbeugens bei Stops, bremsenden Bergabreiten
oder ähnlichem). Paraden werden durch
Zurückkippen des Beckens unterstützt und nicht
durch das in manch älteren Reitlehren verlangte
„Kreuzanziehen“ weil das immer so beschrieben wird dass
sich dabei die Wirbelsäule in einen Besenstil
verwandeln muss. Das ist natürlich gar nicht anders
möglich ohne Reiter wie Pferd zu verkrampfen.
Schenkelhilfen werden gegeben mit Oberschenkeln
(besonders im Schritt, taktweise rechts und links mit dem
Gang des Pferdes, häufig sogar unbewusst), Kniedruck,
Unterschenkeln, Ferse, Sporn und Bügeltritt. Um all
diese Arten von Schenkelhilfen gleich leicht geben zu
können, müssen die Bügel lang geschnallt
sein, wie fürs Dressurreiten, oder noch länger -
aber nicht so lang dass sich die Unterschenkel
unschön vom Pferd entfernen, sondern dieses
„einrahmen“. Der Reiter muß sich in den Bügeln
aufstellen können ohne mit dem Gesäß den
Sattel bei leicht gesenkter Fersenhaltung zu verlassen.
Pferde die noch nicht perfekt durchgearbeitet sind, werden
in höheren Trabtempi nicht ausgesessen sondern kontaktnah
geritten: Gesäß im Sattel, Unterstützung
mit Oberschenkeln und Abfedern der gröbsten
Stöße mit den Fußgelenken. Die Fersen
sind dabei nicht gesenkt sondern waagrecht mit den
Fußspitzen zu halten, damit das ruhig gehaltene
Fußgelenk federn kann und der Unterschenkel nicht
versteift wird, was Schenkelhilfen unmöglich machen
würde. Aus dieser Art Sitz ist, als
Unterstützung zum Treiben und bei nachlassender
Energie des Pferdes, sogar ein fast unsichtbares
Leichttraben möglich - wie man es häufig
praktiziert sieht als überdeutliches „Aufstehen und
wieder Hinsetzen“ ist es als beinschädlich fürs
Pferd abzulehnen.
Habe ich schon etwas über die Zügelhilfen
gesagt? Richtig, sie sind in dem Zusammenhang die
unwichtigsten - vor allem dienen sie nicht dazu das Pferd
zu versammeln. Die eigentlichen Manöver werden
mit Schenkel- und Gewichtshilfen geritten, die Zügel
geben ihm nur den Bewegungsrahmen vor. Bei entsprechend
feinen Pferden kann dieser dabei sogar durchhängen,
ohne jegliche Gewichtsaufnahme. Die Frage des Gebisses ist
dabei ebenfalls von nachrangiger Bedeutung.
Auf diese Weise reitend sitzt man zugleich harmonisch
und mit dem Pferd im Gleichgewicht, demzufolge wirklich
„entlastend“ soweit das nämlich möglich ist ohne
abzusteigen, hat zugleich das Pferd immer vor dem
Schenkel, hält die Hinterhand zu kräftigem
Untersetzen an, reitet es aktiv vorwärts, bietet
einen aufrechten und zumindest optisch nicht
abstoßenden Eindruck im Sattel, und vermeidet das
Vor-die-Bewegung-kommen im Sitz, was der größte
Reitmeister aller Zeiten, François Robichon de la
Guérinière den „größten aller
Fehler“ genannt hat.
Wie kann man richtig sitzen,
wenn der Sattel falsch ist?
In diesem Zusammenhang stelle ich hier aus meiner
Sattelsammlung denjenigen Sattel vor, der den besten
und direktesten Reitsitz erlaubt. Ich mache das umso
lieber, weil es den Sattel, oder solche die ihm auch nur ähnlich
sind, auf dem Markt nicht mehr gibt und es keine
Werbung für eine bestimmte Sattlerei ist. Er ist von
ca. 1978 und war jahrelang Ligeira's Alltags- und
Wettkampfsattel: Der Sattelmacher war u.a. erfolgreich
beim Great
American Horse Race 1976, bei dem er mit seinen 2
Pferden (1 arabischer Hengst, 1 Stute, abwechselnd
geritten) auch lange an der Spitze lag. Zum Schrittreiten
ist dieser Sattel nicht sonderlich bequem, aber sobald man
in ihm trabt oder cantert, spürt man sofort dass
diesen Sattel ein echte Geländereiter gebaut
hat. Auf dem europäischen Kontinent gibt es
vermutlich nicht mehr als 5 Stück dieser Sättel
in der Hand alter (eventuell schon "pensionierter")
Distanzreiter.
Der Sattel hat einen ziemlich kurzen Sitz, nicht länger
als nötig, ich schätze 14". Dadurch wird auch der
Sattel selbst nicht länger als nötig, ca. 52,5cm
(das Pferd, das ihn trägt, ist eine kurze Araberstute
mit einer Rücken/Deckenlänge von 125cm). Der
Sattel hat einen Semi-Quarter-Baum mit mittlerer
Widerristfreiheit und leichtem (für das Pferd mit sehr
geradem Rücken eher zuviel) "Schwung", sowie V-Gurtung.
Man sieht den Gurtungsknoten hinten unter dem langen Strap,
damit stört er nicht unterm Oberschenkel.
Der Sitz ist vorne geschlitzt und offen wie bei einem
McClellan oder Malibaud Radoneé und hat hinten eine
dünnere Polsterung,auf der man mit dem Steißbein
sitzt. Die Stufe spürt man beim Sitzen kaum.
Das zusammen ist schon ungewöhnlich, aber nun das
für den Reitsitz wichtigste: der Schwerpunkt
liegt genau in der Mitte, etwa 1-2" hinter der
Aufhängung der Steigbügel. Mit diesem Sattel kann
man den Trab perfekt aussitzen oder auch leicht in den
Bügeln stehend kontaktnah reiten. Niemand wird auf die
Idee kommen in ihm leichtzutraben. Auch im Galopp/Canter ist
die Schwerpunktlage besser als in jedem anderen Sattel den
ich kenne.
Alle Reiter denen ich diesen Sattel gegeben habe um meine
Pferde zu reiten, waren trotz anfangs großer Skepsis
über die befürchtete "große Härte" des
Sattels hinterher voll des Lobes über den guten Sitz
und die feinen Einwirkungsmöglichkeiten aufs Pferd.
Der Sattel wird nun von mir nun neue Skirts bekommen, denn
um ihn als "Museumsstück" verstauben zu lassen,
müsste man erstmal einen ähnlich guten neuen
finden!
Das "Anti-Beispiel" eines Distanzsattels habe ich
hier:
Dieser Distanz-Westernsattel einer sehr renommierten
Deutschen Sattlerei, in bester Verarbeitung, handwerklich
um Längen besser als mein Sattel, oder fast alles
was man auf dem Markt kaufen kann. Was ist trotzdem falsch
an dem Sattel?
Die Schwerpunktlage. Der tiefste Punkt "texanisch"
(anstatt "altcalifornisch") ganz weit hinten, kurz vor der
Cantle. Auf den ersten Blick erkennt man dass, wenn in
diesem Sattel ein Reiter Platz nimmt, das Hauptgewicht weit
hinten, auf den Trachten liegen wird. Obwohl die
Trachten/Skirts hinten kürzer sind, ist der Sattel
7,5cm (3") länger als der oben abgebildete, weil der
Sattel vorn zu lang ist und auf die Schultern
drückt.
Das für den Reitsitz ungünstigste ist:
Der Reiter kann keinen tiefen Sitz mit geradem
Oberkörper einnehmen, sondern in diesem Sattel nicht
anders als mit nach hinten rausgedrückten Gesäss,
Hohlkreuz und vorgeneigten Oberkörper (also richtig
schlecht distanzmässig) oder im Stuhlsitz reiten.
Die Steigbügelaufhängung ist 4-6" vor dem tiefsten
Sitzpunkt und somit "ewig" weit weg vorne.
Korrigieren kann man an diesem Sattel nichts, weil schon das
Herz des Sattels, der Baum falsch ist.
Der hier abgebildete Sattel ist schon älter, aber die
neueren von dieser Sattlerei gebauten Sättel haben
immer noch dieselbe Bauweise. Wer hier einen korrekt
gebauten Sattel mit tiefem Schwerpunkt sucht muss wohl zu
einem "Oldtimer" Sattel greifen.
Die aus den USA kommenden, nicht maßgefertigten
Distanzsättel von der Stange zeigen diesen Fehler
übrigens in gleicher, häufig noch üblerer
Weise!
Sättel mit nahezu idealer Schwerpunktlage sind
übrigens die (von Sadko Solinski initiierten) Malibaud-Sättel.
Aufgrund ihrer besonderen Kürze und Kleinheit der
Auflageflächen, und Fehlen jeder Polsterung zum Pferd
hin eignen sie sich nach meinen Erfahrungen nur für
leichtgewichtige Reiter. Ab 75kg wird's hier kritisch.
Interessant:
Link
zur Geschichte des Reitsitzes (Eberhard Hübener)
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