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TAUNUSREITER
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Update Mai 2015 |
![Sorraia](sorraia1.jpg)
Sorraia
in freier Wildbahn/ Foto Hardy Oelke
Mythen und
Legenden in der Reiterei
Mythos Nr. 2 : Alle heutigen Pferde gehen auf ein Urpferd
zurück
Reiter ebenso wie pferdeunkundige Laien und sogar manche Biologen
haben alle das Bild eines "Urpferds" im Kopf, äußerlich
dem Przewalskipferd, Dülmener, Konik, oder Fjordpony möglichst
ähnlich. Die erheblichen äußerlichen wie charakterlichen
Unterschiede heutiger Hauspferderassen sollen dabei durch
menschliche "Zucht" entstanden sein, ähnlich wie beim
Hund. Das wäre zwar schmeichelhaft für uns als Züchter, kann aber
nicht der Fall sein. Diese Vorstellung übersieht - neben der
Tatsache dass das Przewalskipferd nicht Vorfahr unserer Hauspferde
sein kann, weil es zwei Chromosomen zusätzlich hat - dass
planvolle Pferdezucht eigentlich erst seit rund 250 Jahren
betrieben wird. Davor wurden die lokal vorhandenen Pferdeschläge
eher unsystematisch vermehrt, was deren Unterschiede kaum erklären
kann. Daneben ist außerdem noch die Generationenfolge bei Pferden
viel zu lang, die Variabilität des Genmaterials viel zu klein für
derart große Veränderungen in einem (gemessen an der
Entwicklungsgeschichte des Pferdes) so kurzen Zeitraum. Vor allem
aber erklärt sie nicht, warum Pferde schon im Eiszeitalter (also
weit vor der Domestikation durch den Menschen) sich so
stark unterschieden, dass man von "Ur-Rassen" (oder Unterarten)
ausgehen müsste.
Die heutige, vom Zwang zur "Political Correctness"
geknebelte Biologie setzt die Existenz von Wildtierrassen mit
Rassismus gleich und streitet sie daher kategorisch ab. Auch
menschliche "Rassen" (mit denen man ursprünglich nur die äußerlich
sichtbaren Unterschiede erklärt hat) darf es ja nicht mehr geben.
Es gilt das Dogma der Uniformität der Arten, und wer die
gängigen Dogmen der Biologie anzweifelt, wird aus dem
Wissenschaftsbetrieb und Wissenschaftsforen ausgestoßen und
geächtet. C.DARWIN wusste Zeit seines Lebens ein Lied davon zu
singen.
![Pferdeevolution](pferdeevolution1k.jpg)
Abb: Entwicklungsgeschichte der Pferde (SCHÄFER)
- Rechtes Viertel die Euroasischen Equiden
Der bekannte Hippologe C.G.WRANGEL
stützte sich in Die Rassen der Pferde, 1908 auf
zahlreiche schon damals vorhandene und klassifizierte
Ausgrabungen, und den schottischen Forscher J.Cossar EWART
(The Multiple Origin of Horses und Ponies) wonach das
Hauspferd nicht einheitlichen Ursprungs ist, sondern sich auf mehrere
Wildpferde-Ursprünge gründet. In Deutschland gehörte es bis
etwa um 1950 zum Schulwissen, dass es (mindestens) drei Ursprünge
des Hauspferdes gäbe : Steppenpferd, Waldpferd und Urpony.
Michael
SCHÄFER (als Tierarzt und Publizist wirtschaftlich
unabhängig vom Forschungsbetrieb) teilte die Herkunft der Pferde
in wenigstens vier Urtypen (eigentlich wohl Unterarten)
ein, aus denen die heutigen Hauspferderassen entstanden seien. An
dieser Haltung hielt er auch fest, nachdem der Zoologe HERRE (der
von Pferden eigentlich überhaupt nichts verstand) die Ein-Wildpferde-Theorie
im Wissenschaftsbetrieb dogmatisch durchsetzte, als
Gegenregulierung zur "Rassenwut" der Nazi-Zeit aufgesetzt, und die
sich unter Artentheoretikern und Taxonomisten leider bis heute
hält, und alle Fakten passend zur Theorie verbiegt. Unter den
Verhaltensforschern Lorenz' scher Schule der Nachkriegszeit (u.a.
auch EIBL-EIBESFELD und E.TRUMMLER, der nicht nur ein exzellenter
Hunde- sondern auch Pferdekenner war) bestand hingegen in der
Mehrwildpferdetheorie überhaupt keine Uneinigkeit. Diese
Typisierung, von Schäfer zuletzt
2001 publiziert, liefert heute ein bruchloses
Erklärungsmodell für die erheblichen Exterieur- und
Verhaltensunterschiede. Unsere Hauspferde sind mehr oder weniger
"Mischungen" der Ursprungstypen.
Vor kurzem fand sich heraus, dass unser Hauspferdebestand auf
mindestens 77 unterschiedliche Muttertiere zurückgeht -
was insofern dafür spricht, dass das
Pferd an mehreren Stellen der Welt unabhängig voneinander
"erstmalig" gezähmt/domestiziert wurde.
Die Ursprünge des Hauspferds (Vier-Typen Modell)
Typ
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Exterieur
|
Verhalten
|
Äusserer
Erscheinungstyp
|
1 =
Urpony
|
klein,
dichtes, langes Fell, Regenhaube, kleine Hufe
|
große
Herden bildend, geringe Individualdistanz, freundlich
|
Exmoorpony
|
2 =
Urkaltblüter
|
groß,
kräftig, große (aber spröde) Hufe
|
Vorsichtig
(Schrittpferd), Bewohner feuchter Tundrengebiete
|
Kaltblut
Przewalskipferd
|
3 =
Steppenpferd/ Urwarmblüter
|
klein-mittelgroß,
kräftige Hinterhand
|
Hohe
Individualdistanz, einzelgängerisch, kämpferisch,
springfreudig
|
Sorraiapferd
Tarpan
|
4 =
Wüstenpferd/ Urvollblüter/Ur-Araber
|
ziemlich
klein, feine Knochen, wüstenmäßig "kondensiert"
|
familiäres
Sozialverhalten
|
Araberpferd
|
Wie ist die Entstehung dieser Urtypen/Unterarten aufzufassen?
Die Mehrwildpferde-Abstammungstheoretiker (u.a. auch Speed,
Skorkowski, Ebhardt) nehmen an, dass die Vorfahren der heutigen
Pferde nicht uniform in einer Art "einmaligem Ereignis" sondern in
mehreren, durch eiszeitliche Bedingungen über zehntausende Jahre
getrennten Wanderungszügen von Amerika über die Bering-Landbrücke
nach Asien einwanderten. Dabei wanderten die Urformen getrennt,
die Südpferdetypen 3 + 4 zuerst, je nach vorherrschendem Klima, und
suchten in ihrer neuen Heimat die ihnen zusagenden Lebensräume auf,
wo sie überlebten, sich weiterentwickeln und auf Eurasien weiter
ausbreiten konnten. Die Südpferdetypen 3 + 4 sind dabei die
"älteren" und ursprünglicheren. Drei der Unterarten (1, 2 und 3)
sind in der GROTTE CHAUVET vor 30.000 Jahren von Menschen ("Panneau
der Pferde") gemeinsam gemalt worden. C.G.WRANGEL vermutet
sogar die Zeichung von fünf Typen in allen damals bekannten Höhlen.
Eine
hervorragende Zusammenfassung der Entwicklung von Eohippus bis zum
Hauspferd hat Carmen Ernst erstellt.
Eine Schlüsselrolle zum Verständnis der Wildpferdeherkunft nehmen
meines Erachten die seit den Zeiten der ersten durchgängigen
Besiedlung und Beurkundung bekannten Wilden
Gestüte ein. Es spricht nichts gegen die Annahme, dass
sie letzte Reste lokal vorhandener Wildpferdpopulationen sind, aus
denen sich die Menschen "schon immer" Pferde zum Gebrauch
eingefangen, und die vielleicht schon in prähistorischer Zeit
bestanden haben. Allerdings wird der Mensch diese Pferdebestände
auch schon immer durch gezieltes Einsetzen von Hengsten beeinflußt,
"kultiviert" haben, gemäß seinen zeitgebundenen wirtschaftlichen
Interesse an diesen Pferden. Zuerst waren starke, kräftige Pferde
gefragt (Ritterpferd, Ackergaul), später (Renaissance) elegante,
dann ein universelles Militär-Gebrauchsreitpferd, zuletzt (20.Jh.)
waren Schnelligkeit und Springvermögen gefordert. Einigermaßen
konstant blieb dabei nur das Interesse an höheren Stockmaßen, als
lokal vorhanden waren. Die unterschiedlichen in den Wilden Gestüten
gezüchteten Pferde erklären sich dabei mit einem ebenso (oder noch
stärker) ausdifferenzierten Ausgangs-Pferdematerial
(Wildpferdebestände).
Besonderes zu den einzelnen Typen
Araberpferde gelten unter
Pferdeliebhabern wie Laien als ausgereifte, ja überzüchtete
Edelpferde, geradezu das Gegenbild zum robusten "Wildpferd". Wer sie
im täglichen Umgang kennt, dem sind jedoch ihre archaischen (=wildtierähnlichen)
Verhaltensweisen gut bekannt. Ihr Freiheitsdrang ist sprichwörtlich.
Weder lassen sie sich einsperren, noch mit einengender Zügelführung
reiten - manche tun sie ganz generell als "unreitbar" ab, womit dann
gemeint ist dass sie sich nicht reiterlich knechten lassen.
Wer dies respektiert und beachtet, hat mit ihnen - auch und gerade
beim Reiten - die liebsten, klügsten und zuverlässigsten
Freizeitpartner, die überhaupt denkbar sind. Ihre Intelligenz, ihr
Sanftmut, ihre Kinderfreundlichkeit sind außergewöhnlich, und
könnten als geglücktes Ergebnis jahrhunderterlanger Zucht in der von
der Außenwelt isolierten arabischen Wüste angesehen werden --- gäbe
es nicht die, noch einfachere Erklärung (welche man in der
Wissenschaft ja immer zu bevorzugen hat!), dass sie "schon immer
so" waren. Womit menschlichen Zuchtanstrengungen leider viel
weniger geschmeichelt ist...
SCHÄFER spricht beim Araber völlig zu recht von einem besonderes primitiven
Pferdetyp - was manche Araberliebhaber wohl ebenfalls nicht so
gern hören. Primitiv meint hier aber nur "ursprünglich/
unverfälscht". Ihre blitzschnelle (beim Reiten oft unbequeme)
Reaktionsfähigkeit, ihr ausgeprägtes Erkundungsverhalten, ihre
Vorliebe für Blätter als Nahrung, ihre Bevorzugung natürlicher
Wasserquellen, ihr langwieriges Herumlaufen vor dem Wälzen sind
Instinkte die sich aus Wildpferdezeiten gehalten haben.
Durch umfangreiche Gegenüberstellungen von Kiefer-Röntgenbildern
weist er (im Handbuch
Pferdebeurteilung, 2000) nach, dass die Araber der
"ältere" und weniger spezialisierte Typ ist, näher am Pliohippus und
seinem laubfresserähnlichen Pinzettengebiß, während die viel
stärkeren Zähne und breiteren Kiefer die für harte Gräser und
Permafrostboden spezialisierte Weiterentwicklung der Typ-I- und
besonders der Typ-II-Pferde
darstellen.
Demgegenüber ist die Weiterentwicklung der breiteren und flacheren Hufe
der Typ-II-Pferde zwar geeignet für feuchte und trügerische
Böden, für den heutigen Gebrauch als Freizeitpferd aber deutlich
unzweckmäßiger als die harten und kleinen Hufe des Arabers, die
anders als die meisten anderen Pferde bei uns auch in trockensten
Sommern und bei härtester Belastung kaum spröde oder rissig werden,
weshalb in den meisten Fällen bei nicht ungewöhnlich hohen
KM-Leistungen und auch sonst guter Haltung und Hufpflege das
Araberpferd noch unbeschlagen geritten werden kann, und auch weniger
zu Hufrehe neigt als die Nordpferdetypen.
Typbildend für die Ponys (Typ
I) ist das Exmoorpony. Pferde dieses Typs wurden schon in den
Bilderhöhlen Südfrankreichs vor 30.000 Jahren gemalt.
Sorraia-ähnliche Pferde ebenfalls. Wer kennt sie nicht, die Bilder
im tiefen Schnee eng zusammenstehender Ponies im dichten Winterpelz,
fast ohne Individualdistanz: freundlich, verträglich zu
ihresgleichen, zu anderen Tierarten und zu Kindern.
Zuletzt in der menschlichen Geschichte wurde in den 1930'er
Jahren von Ruy d'Andrade im unzugänglichen und unwirtlichen
Hochland Portugals eine "neue" Haus- oder vielleicht auch
Wildpferderasse erkannt - der Sorraia -
der entweder schon immer hier lebte oder sich irgendwann hierher
zurückgezogen hatte. Und da er als wirtschaftlich zu nutzendes Pferd
nicht interessant wirkte, ebenso wenig das öde Land, auf dem er
lebte, war er die ganze Zeit vom Menschen nicht weiter beachtet
worden. Die Beobachtung wäre nicht weiter aufgefallen, hätte nicht
Ruy d'Andrade im Sorraia-Pferd durch die Ähnlichkeit im Körperbau
und Interieur in dem unscheinbaren und wenig "repräsentativen"
Pferdchen einen Haupt- Vorfahr des Lusitano erkannt. Und in
der Tat hat der Lusitano, als deutlichster Vertreter des iberischen
Pferdetypus einige Exterieurmerkmale nur mit dem Sorraia,
und keiner anderen Pferderasse gemein. Der Sorraia ist umgekehrt,
trotzdem seine Spezialisierung auf ein trockenes, futter- und
wasserarmes Biotop dem des Wüstenarabers sehr ähnelt, und auch in
Größe und Statur sehr ähnlich ausfällt (nämlich um 1,40-1,45 Stm und
sehr zierlich), wenn man ganz genau hinschaut, weder dem Araberpferd
noch irgendeiner anderen lebenden Pferderasse ähnlich, sondern von
geradezu faszinierender Unterschiedlichkeit. Dem, der
freilebende Ponies und Araber gut kennt, und Sorraias das erste Mal
als Herde erlebt, erscheinen sie wirklich "Wie von einem fremden
Planeten" - und dass man nahezu echte Wildpferde vor sich hat,
erscheint als Gewissheit unmittelbar greifbar. Mir erging es
jedenfalls so, als ich die Sorraias im Erdinger Moos 1991/92 zum
ersten Mal erlebte.
Das Deutsche Warmblut ist ein
ebenfalls äußerst interessanter Fall. Es lässt sich direkt vom
Mosbach-Pferd und Equus Germanicus des Eiszeitalters
herleiten, und lebte wahrscheinlich schon in Mittel- und Osteuropa,
als der Mensch den Kontinent besiedelte. Bis in die Mitte des 19.
Jahrhundert wurden lokale Wildpferderassen im östlichen Europa
eingefangen und verkauft, bis der zunehmende Pferdebedarf von
Gewerbe und Militär Mitte des 19. Jh. dazu zwang, die Pferdezuchten
effizienter und ergebnisorientierter zu organisieren, nämlich in
Form fester Gestüte mit Ställen und Winterfütterung. Das Schweiker
Pferd (als Vorfahr des Ostpreußenpferds/ Trakehner) und das Senner
Pferd waren ursprünglich solch lokale Wildpferderassen vom tarpanähnlichen
Typ 3, durch Einkreuzung von Kaltblütern (Typ 2) in
Größe und Tragvermögen gesteigert, wie vom Militär und anderen
Nutzern gewünscht. Diese Zuchtprodukte brachten die von den Nutzern
geforderte Größe, kombinierten aber in Bezug auf
Widerstandsfähigkeit, Gesundheit und Charakter leider eher die Nachteile
der Ausgangstypen. Ab dem 19. Jh. versuchte man deshalb, das
Warmblutpferd zu "veredeln". Zuerst mit (damals sehr raren und noch
wüstenmäßig kleinen) Arabern, später mit Englischem Vollblut. Erst
in jüngster Zeit ist dies in nennenswertem Maß gelungen.
Über die jeweiligen Besonderheiten im Fluchtverhalten habe ich weiter oben
geschrieben.
Das Ehepaar Schäfer hatte auf ihrer "Equiden-Forschungsstation"
in den Weiten des Erdinger Moos über 40 Jahre lang Einhufer
aller Typen und Rassen gehalten, deren Verhalten genaustens
beobachtet und in zahlreichen lesenswerten Aufsätzen und Büchern
dokumentiert. Mit diesem Hintergrundwissen war Michael Schäfer
zeitlebens ein strikter Gegner der "Ein-Wildpferd-Theorie" und hat
das an mehreren Stellen seiner Bücher auch deutlich gemacht.
Fazit: Die Frage, ob das Hauspferd einen, oder mehrere
Ursprünge hat, ist nicht so akademisch wie sie
vielleicht scheint : Beeinflußt ihre Beantwortung doch
zwangsläufig, und maßgeblich unsere Haltung, die wir zum
Erfolgversprechen menschlicher Zuchtbestrebungen, aktuell
existierenden Pferderassen, der Wichtigkeit der Erhaltung von
lokal vorhandenen, urtümlichen Pferderassen, und selbst nur
verwilderter Hauspferdepopulationen einnehmen müssen..!
- (Mythos
Nr. 1) Das Pferd, das Fluchttier ? -
- (Mythis
Nr. 3) Reitergewicht - Nur 1/10 ? -
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