taunusreiter TAUNUSREITER
(c) Frank Mechelhoff 2005-2014 - Kopien speichern nur zum privaten Gebrauch zulässig
Verwendung der Bilder in eigenen Websites oder zu geschäftlichen Zwecken ohne meine schriftliche Genehmigung nicht gestattet
Kontakt: taunusreiter -at- yahoo.de

Update Mai 2015


Sorraia
Sorraia in freier Wildbahn/ Foto Hardy Oelke

Mythen und Legenden in der Reiterei

Mythos Nr. 2 : Alle heutigen Pferde gehen auf ein Urpferd zurück

Reiter ebenso wie pferdeunkundige Laien und sogar manche Biologen haben alle das Bild eines "Urpferds" im Kopf, äußerlich dem Przewalskipferd, Dülmener, Konik, oder Fjordpony möglichst ähnlich. Die erheblichen äußerlichen wie charakterlichen Unterschiede heutiger Hauspferderassen sollen dabei durch menschliche "Zucht" entstanden sein, ähnlich wie beim Hund. Das wäre zwar schmeichelhaft für uns als Züchter, kann aber nicht der Fall sein. Diese Vorstellung übersieht - neben der Tatsache dass das Przewalskipferd nicht Vorfahr unserer Hauspferde sein kann, weil es zwei Chromosomen zusätzlich hat - dass planvolle Pferdezucht eigentlich erst seit rund 250 Jahren betrieben wird. Davor wurden die lokal vorhandenen Pferdeschläge eher unsystematisch vermehrt, was deren Unterschiede kaum erklären kann. Daneben ist außerdem noch die Generationenfolge bei Pferden viel zu lang, die Variabilität des Genmaterials viel zu klein für derart große Veränderungen in einem (gemessen an der Entwicklungsgeschichte des Pferdes) so kurzen Zeitraum. Vor allem aber erklärt sie nicht, warum Pferde schon im Eiszeitalter (also weit vor der Domestikation durch den Menschen) sich so stark unterschieden, dass man von "Ur-Rassen" (oder Unterarten) ausgehen müsste.

Die heutige, vom Zwang zur "Political Correctness" geknebelte Biologie setzt die Existenz von Wildtierrassen mit Rassismus gleich und streitet sie daher kategorisch ab. Auch menschliche "Rassen" (mit denen man ursprünglich nur die äußerlich sichtbaren Unterschiede erklärt hat) darf es ja nicht mehr geben. Es gilt das Dogma der Uniformität der Arten, und wer die gängigen Dogmen der Biologie anzweifelt, wird aus dem Wissenschaftsbetrieb und Wissenschaftsforen ausgestoßen und geächtet. C.DARWIN wusste Zeit seines Lebens ein Lied davon zu singen.

Pferdeevolution
Abb: Entwicklungsgeschichte der Pferde (SCHÄFER) - Rechtes Viertel die Euroasischen Equiden

Der bekannte Hippologe C.G.WRANGEL stützte sich in  Die Rassen der Pferde, 1908 auf zahlreiche schon damals vorhandene und klassifizierte Ausgrabungen, und den schottischen Forscher J.Cossar EWART (The Multiple Origin of Horses und Ponies) wonach das Hauspferd nicht einheitlichen Ursprungs ist, sondern sich auf mehrere Wildpferde-Ursprünge gründet. In Deutschland gehörte es bis etwa um 1950 zum Schulwissen, dass es (mindestens) drei Ursprünge des Hauspferdes gäbe : Steppenpferd, Waldpferd und Urpony.
Michael SCHÄFER (als Tierarzt und Publizist wirtschaftlich unabhängig vom Forschungsbetrieb) teilte die Herkunft der Pferde in wenigstens vier Urtypen (eigentlich wohl Unterarten) ein, aus denen die heutigen Hauspferderassen entstanden seien. An dieser Haltung hielt er auch fest, nachdem der Zoologe HERRE (der von Pferden eigentlich überhaupt nichts verstand) die Ein-Wildpferde-Theorie im Wissenschaftsbetrieb dogmatisch durchsetzte, als Gegenregulierung zur "Rassenwut" der Nazi-Zeit aufgesetzt, und die sich unter Artentheoretikern und Taxonomisten leider bis heute hält, und alle Fakten passend zur Theorie verbiegt. Unter den Verhaltensforschern Lorenz' scher Schule der Nachkriegszeit (u.a. auch EIBL-EIBESFELD und E.TRUMMLER, der nicht nur ein exzellenter Hunde- sondern auch Pferdekenner war) bestand hingegen in der Mehrwildpferdetheorie überhaupt keine Uneinigkeit. Diese Typisierung, von Schäfer zuletzt 2001 publiziert, liefert heute ein bruchloses Erklärungsmodell für die erheblichen Exterieur- und Verhaltensunterschiede. Unsere Hauspferde sind mehr oder weniger "Mischungen" der Ursprungstypen.
Vor kurzem fand sich heraus, dass unser Hauspferdebestand auf mindestens 77 unterschiedliche Muttertiere zurückgeht - was insofern dafür spricht, dass das Pferd an mehreren Stellen der Welt unabhängig voneinander "erstmalig" gezähmt/domestiziert wurde.

Die Ursprünge des Hauspferds (Vier-Typen Modell)

Typ
Exterieur
Verhalten
Äusserer Erscheinungstyp
1 = Urpony
klein, dichtes, langes Fell, Regenhaube, kleine Hufe
große Herden bildend, geringe Individualdistanz, freundlich
Exmoorpony
2 = Urkaltblüter
groß, kräftig, große (aber spröde) Hufe
Vorsichtig (Schrittpferd), Bewohner feuchter Tundrengebiete
Kaltblut
Przewalskipferd
3 = Steppenpferd/ Urwarmblüter
klein-mittelgroß, kräftige Hinterhand
Hohe Individualdistanz, einzelgängerisch, kämpferisch, springfreudig
Sorraiapferd
Tarpan
4 = Wüstenpferd/ Urvollblüter/Ur-Araber
ziemlich klein, feine Knochen, wüstenmäßig "kondensiert"
familiäres Sozialverhalten
Araberpferd

Wie ist die Entstehung dieser Urtypen/Unterarten aufzufassen?

Die Mehrwildpferde-Abstammungstheoretiker (u.a. auch Speed, Skorkowski, Ebhardt) nehmen an, dass die Vorfahren der heutigen Pferde nicht uniform in einer Art "einmaligem Ereignis" sondern in mehreren, durch eiszeitliche Bedingungen über zehntausende Jahre getrennten Wanderungszügen von Amerika über die Bering-Landbrücke nach Asien einwanderten. Dabei wanderten die Urformen getrennt, die Südpferdetypen 3 + 4 zuerst, je nach vorherrschendem Klima, und suchten in ihrer neuen Heimat die ihnen zusagenden Lebensräume auf, wo sie überlebten, sich weiterentwickeln und auf Eurasien weiter ausbreiten konnten. Die Südpferdetypen 3 + 4 sind dabei die "älteren" und ursprünglicheren. Drei der Unterarten (1, 2 und 3) sind in der GROTTE CHAUVET vor 30.000 Jahren von Menschen ("Panneau der Pferde") gemeinsam gemalt worden. C.G.WRANGEL vermutet sogar die Zeichung von fünf Typen in allen damals bekannten Höhlen.

Eine hervorragende Zusammenfassung der Entwicklung von Eohippus bis zum Hauspferd hat Carmen Ernst erstellt.

Eine Schlüsselrolle zum Verständnis der Wildpferdeherkunft nehmen meines Erachten die seit den Zeiten der ersten durchgängigen Besiedlung und Beurkundung bekannten Wilden Gestüte ein. Es spricht nichts gegen die Annahme, dass sie letzte Reste lokal vorhandener Wildpferdpopulationen sind, aus denen sich die Menschen "schon immer" Pferde zum Gebrauch eingefangen, und die vielleicht schon in prähistorischer Zeit bestanden haben. Allerdings wird der Mensch diese Pferdebestände auch schon immer durch gezieltes Einsetzen von Hengsten beeinflußt, "kultiviert" haben, gemäß seinen zeitgebundenen wirtschaftlichen Interesse an diesen Pferden. Zuerst waren starke, kräftige Pferde gefragt (Ritterpferd, Ackergaul), später (Renaissance) elegante, dann ein universelles Militär-Gebrauchsreitpferd, zuletzt (20.Jh.) waren Schnelligkeit und Springvermögen gefordert. Einigermaßen konstant blieb dabei nur das Interesse an höheren Stockmaßen, als lokal vorhanden waren. Die unterschiedlichen in den Wilden Gestüten gezüchteten Pferde erklären sich dabei mit einem ebenso (oder noch stärker) ausdifferenzierten Ausgangs-Pferdematerial (Wildpferdebestände).

Besonderes zu den einzelnen Typen

Araberpferde gelten unter Pferdeliebhabern wie Laien als ausgereifte, ja überzüchtete Edelpferde, geradezu das Gegenbild zum robusten "Wildpferd". Wer sie im täglichen Umgang kennt, dem sind jedoch ihre archaischen (=wildtierähnlichen) Verhaltensweisen gut bekannt. Ihr Freiheitsdrang ist sprichwörtlich. Weder lassen sie sich einsperren, noch mit einengender Zügelführung reiten - manche tun sie ganz generell als "unreitbar" ab, womit dann gemeint ist dass sie sich nicht reiterlich knechten lassen. Wer dies respektiert und beachtet, hat mit ihnen - auch und gerade beim Reiten - die liebsten, klügsten und zuverlässigsten Freizeitpartner, die überhaupt denkbar sind. Ihre Intelligenz, ihr Sanftmut, ihre Kinderfreundlichkeit sind außergewöhnlich, und könnten als geglücktes Ergebnis jahrhunderterlanger Zucht in der von der Außenwelt isolierten arabischen Wüste angesehen werden --- gäbe es nicht die, noch einfachere Erklärung (welche man in der Wissenschaft ja immer zu bevorzugen hat!), dass sie "schon immer so" waren. Womit menschlichen Zuchtanstrengungen leider viel weniger geschmeichelt ist...
SCHÄFER spricht beim Araber völlig zu recht von einem besonderes primitiven Pferdetyp - was manche Araberliebhaber wohl ebenfalls nicht so gern hören. Primitiv meint hier aber nur "ursprünglich/ unverfälscht". Ihre blitzschnelle (beim Reiten oft unbequeme) Reaktionsfähigkeit, ihr ausgeprägtes Erkundungsverhalten, ihre Vorliebe für Blätter als Nahrung, ihre Bevorzugung natürlicher Wasserquellen, ihr langwieriges Herumlaufen vor dem Wälzen sind Instinkte die sich aus Wildpferdezeiten gehalten haben.
Durch umfangreiche Gegenüberstellungen von Kiefer-Röntgenbildern weist er (im Handbuch Pferdebeurteilung, 2000) nach, dass die Araber der "ältere" und weniger spezialisierte Typ ist, näher am Pliohippus und seinem laubfresserähnlichen Pinzettengebiß, während die viel stärkeren Zähne und breiteren Kiefer die für harte Gräser und Permafrostboden spezialisierte Weiterentwicklung der Typ-I- und besonders der Typ-II-Pferde darstellen.
Demgegenüber ist die Weiterentwicklung der breiteren und flacheren Hufe der Typ-II-Pferde zwar geeignet für feuchte und trügerische Böden, für den heutigen Gebrauch als Freizeitpferd aber deutlich unzweckmäßiger als die harten und kleinen Hufe des Arabers, die anders als die meisten anderen Pferde bei uns auch in trockensten Sommern und bei härtester Belastung kaum spröde oder rissig werden, weshalb in den meisten Fällen bei nicht ungewöhnlich hohen KM-Leistungen und auch sonst guter Haltung und Hufpflege das Araberpferd noch unbeschlagen geritten werden kann, und auch weniger zu Hufrehe neigt als die Nordpferdetypen.

Typbildend für die Ponys (Typ I) ist das Exmoorpony. Pferde dieses Typs wurden schon in den Bilderhöhlen Südfrankreichs vor 30.000 Jahren gemalt. Sorraia-ähnliche Pferde ebenfalls. Wer kennt sie nicht, die Bilder im tiefen Schnee eng zusammenstehender Ponies im dichten Winterpelz, fast ohne Individualdistanz: freundlich, verträglich zu ihresgleichen, zu anderen Tierarten und zu Kindern.

Zuletzt in der menschlichen Geschichte wurde in den 1930'er Jahren von Ruy d'Andrade im unzugänglichen und unwirtlichen Hochland Portugals eine "neue" Haus- oder vielleicht auch Wildpferderasse erkannt - der Sorraia - der entweder schon immer hier lebte oder sich irgendwann hierher zurückgezogen hatte. Und da er als wirtschaftlich zu nutzendes Pferd nicht interessant wirkte, ebenso wenig das öde Land, auf dem er lebte, war er die ganze Zeit vom Menschen nicht weiter beachtet worden. Die Beobachtung wäre nicht weiter aufgefallen, hätte nicht Ruy d'Andrade im Sorraia-Pferd durch die Ähnlichkeit im Körperbau und Interieur in dem unscheinbaren und wenig "repräsentativen" Pferdchen einen Haupt- Vorfahr des Lusitano erkannt. Und in der Tat hat der Lusitano, als deutlichster Vertreter des iberischen Pferdetypus einige Exterieurmerkmale nur mit dem Sorraia, und keiner anderen Pferderasse gemein. Der Sorraia ist umgekehrt, trotzdem seine Spezialisierung auf ein trockenes, futter- und wasserarmes Biotop dem des Wüstenarabers sehr ähnelt, und auch in Größe und Statur sehr ähnlich ausfällt (nämlich um 1,40-1,45 Stm und sehr zierlich), wenn man ganz genau hinschaut, weder dem Araberpferd noch irgendeiner anderen lebenden Pferderasse ähnlich, sondern von geradezu faszinierender Unterschiedlichkeit. Dem, der freilebende Ponies und Araber gut kennt, und Sorraias das erste Mal als Herde erlebt, erscheinen sie wirklich "Wie von einem fremden Planeten" - und dass man nahezu echte Wildpferde vor sich hat, erscheint als Gewissheit unmittelbar greifbar. Mir erging es jedenfalls so, als ich die Sorraias im Erdinger Moos 1991/92 zum ersten Mal erlebte.

Das Deutsche Warmblut ist ein ebenfalls äußerst interessanter Fall. Es lässt sich direkt vom Mosbach-Pferd und Equus Germanicus des Eiszeitalters herleiten, und lebte wahrscheinlich schon in Mittel- und Osteuropa, als der Mensch den Kontinent besiedelte. Bis in die Mitte des 19. Jahrhundert wurden lokale Wildpferderassen im östlichen Europa eingefangen und verkauft, bis der zunehmende Pferdebedarf von Gewerbe und Militär Mitte des 19. Jh. dazu zwang, die Pferdezuchten effizienter und ergebnisorientierter zu organisieren, nämlich in Form fester Gestüte mit Ställen und Winterfütterung. Das Schweiker Pferd (als Vorfahr des Ostpreußenpferds/ Trakehner) und das Senner Pferd waren ursprünglich solch lokale Wildpferderassen vom tarpanähnlichen Typ 3, durch Einkreuzung von Kaltblütern (Typ 2) in Größe und Tragvermögen gesteigert, wie vom Militär und anderen Nutzern gewünscht. Diese Zuchtprodukte brachten die von den Nutzern geforderte Größe, kombinierten aber in Bezug auf Widerstandsfähigkeit, Gesundheit und Charakter leider eher die Nachteile der Ausgangstypen. Ab dem 19. Jh. versuchte man deshalb, das Warmblutpferd zu "veredeln". Zuerst mit (damals sehr raren und noch wüstenmäßig kleinen) Arabern, später mit Englischem Vollblut. Erst in jüngster Zeit ist dies in nennenswertem Maß gelungen.

Über die jeweiligen Besonderheiten im Fluchtverhalten habe ich weiter oben geschrieben.

Das Ehepaar Schäfer hatte auf ihrer "Equiden-Forschungsstation" in den Weiten des Erdinger Moos über 40 Jahre lang Einhufer aller Typen und Rassen gehalten, deren Verhalten genaustens beobachtet und in zahlreichen lesenswerten Aufsätzen und Büchern dokumentiert. Mit diesem Hintergrundwissen war Michael Schäfer zeitlebens ein strikter Gegner der "Ein-Wildpferd-Theorie" und hat das an mehreren Stellen seiner Bücher auch deutlich gemacht.

Fazit: Die Frage, ob das Hauspferd einen, oder mehrere Ursprünge hat, ist nicht so akademisch wie sie vielleicht scheint : Beeinflußt ihre Beantwortung doch zwangsläufig, und maßgeblich unsere Haltung, die wir zum Erfolgversprechen menschlicher Zuchtbestrebungen, aktuell existierenden Pferderassen, der Wichtigkeit der Erhaltung von lokal vorhandenen, urtümlichen Pferderassen, und selbst nur verwilderter Hauspferdepopulationen einnehmen müssen..!

- (Mythos Nr. 1) Das Pferd, das Fluchttier ? -
- (Mythis Nr. 3) Reitergewicht - Nur 1/10 ? -

- zurück zur Homepage -