taunusreiter TAUNUSREITER
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Update Juli 2014

Mythen und Legenden in der Reiterei

Mythos Nr. 3 : Pferde können nur 1/7-1/10 ihres Gewichts schadlos tragen - aber : Was sind eigentlich Gewichtsträger?

Too heavy
Quelle: http://www.horseforum.com/horse-health/too-heavy-ride-490825/

"Pferde können nur 1/10 - 1/7 ihres Körpergewichts dauerhaft und schadlos tragen!" - Diese neue, dem Anschein nach tierfreundliche "Weisheit" verdanken wir zwei britischen Damen, denen es im März 2013 gelang, eine Statistik in einem veterinärmedizinischen Journal zu veröffentlichen, laut der 2/3 aller Reiter in England zu schwer für ihr Pferd seien. Die Statistik nahm an, dass Pferde idealerweise mit 10% ihres Gewichts belastet werden sollten und 15% gerade noch zu tolerieren sei ("An industry practitioner proposes a 10% rider to horse BW ratio for optimum performance, 15% as satisfactory and 20% to be a welfare issue.") Was dabei nicht hinterfragt wurde: Wer war diese "Praxisfachkraft", und woher hatte sie dieses Wissen? - Von einer veterinärmedizinischen Untersuchung offenbar nicht, denn es wurde im Artikel keine zitiert. Was vor allem fehlte war eine Untersuchung über die Evidenz dieser Annahme. Aber die Schlagzeile (Zwei Drittel der Reiter sind zu fett für ihre Pferde) schaffte es in alle Pferdemagazine und natürlich ins Internet...

Die Tevis Cup Studie(n)

Untersuchungen sind allerdings bekannt vom härtesten und ältesten Distanzrennen der Welt, dem TEVIS Cup, aus den Jahren 1995, 1996 und 1998, an insgesamt 553 teilnehmenden Pferden, im Rahmen zweier Studien auf dem "Welt-Elite-Pferde-Wissenschaftstreffen", der International Conference of Equine Exercise Physiologists (ICEEP) des Jahres 1999 vorgestellt und diskutiert. Bei diesen wurde unerwarteterweise, kein Zusammenhang festgestellt zwischen Beendigung des Rittes mit gesundem Pferd und Reitergewicht, oder Reiter/ Pferd-Gewichtsverhältnis - wohl aber, und das war die zweite Überraschung, ein überaus deutlicher Zusammenhang zwischen erfolgreicher bzw. nicht-erfolgreicher Beendigung des Rittes und Fütterungszustand (Body Condition Score/ BCS nach Henneke).

Da der TEVIS Cup der mit großem Abstand bestbesuchte Distanzritt der Welt ist, eignet er sich auch nahezu als einziger zu statistischen Zwecken, da hier die Zahl der teilnehmenden Pferde groß genug für eine statistisch signifikante Aussage ist. Beim TEVIS Cup geht es darum, einen 160km langen Gebirgsweg in höchstens 24 Stunden (einschliesslich der Pflichtpausen) zurückzulegen; man kann also nicht bloß Schritt reiten oder führen. Und die meisten teilnehmenden Reiter haben auch einzig dies zum Ziel, die Strecke in dieser Zeit und mit gesundem Pferd zu absolvieren.Viele Pferde sind in der Lage diesen 1x im Jahr stattfindenden Ritt mehrfach mit Erfolg zu absolvieren, sechs schafften dies 10x oder öfter, und das älteste Pferd war mit 26 Jahren erfolgreich.

Unabhängig von Größe, Gewicht, oder Reitergewicht, beendeten Pferde mit einem BCS von 5,0 - 5,5 ("mittel") den 160km-Ritt signifikant häufer erfolgreich als solche mit niedrigerem BCS (dünnere Tiere). Die Pferde trugen dabei bis zu 31% ihres Gewichts, d.h. nicht ein 1/10 oder 1/7 sondern mitunter mehr als 1/4. Das mittlere Gewicht (=Reiter, Sattel und Ausrüstung) betrug bei beiden Studien 20%, wobei die Standardabweichung zwischen 17 und 23% lag.

Pferde in "reichlichem" Fütterungszustand (also BCS = 6,0 oder mehr, wie sie in unseren Reitställen zuhauf zu finden sind) kamen auf den Ritt gar nicht vor. Das wäre für einen 160km Distanzritt auch nicht ganz zu erwarten gewesen, da so speckige Pferde beim dazu erforderlichen Training doch etwas abnehmen dürften. Überraschender war das Ergebnis, dass die im höchsten BCS (mit 5,5) beurteilten 20 Pferde (d.h. die "üppigst" gefütterten 4% des ganzen Starterfelds) den Ritt ohne Ausnahme erfolgreich beendeten, d.h. zu 100% erfolgreich waren - während die rund 10% kleine  Gruppe mit dem niedrigsten BCS (3,0 oder geringer) also die magersten Pferde ausnahmslos scheiterten. Der Zusammenhang war so deutlich, dass sich statistisch ermitteln liess, dass die Zunahme des BCS um 1 für durchschnittlich 20 weitere Meilen genügte (was natürlich in der Praxis unsinnig ist, da der BCS keine lineare Größe ist).

Um es nochmal zu wiederholen: beides unabhängig vom Reitergewicht. Erstaunlich erscheint in der Betrachtung, dass derartig klare, nicht viel "Interpretationspielraum" bietende Gesetzmässigkeiten nicht schon vorher, ohne Hilfe der Statistik und der Wissenschaft, notiert wurden. Und erstaunlich auch, dass diese Studien im breiteren Reiterkreis so wenig bekannt geworden sind, denn ansonsten hätte die Aussage der 2013 namenlos zitierten britischen "Praxisfachkraft" ja diejenigen Kritiken erhalten, die sie verdient hat...

Warum kamen die Pferde in schlechtem Fütterungszustand auf dem TEVIS Cup seltener im Ziel an? - Weil sie nicht genug "Reserven" dabei hatten (hauptsächlich Glycogene und Fette in der Muskulatur), schneller müde wurden, dann Kreislauf- und Verdauungsprobleme bekamen oder einen Fehltritt machten und lahm gingen. Die mit genügend Reserven schleppten einfach das Gewicht, so wie sie gewöhnt waren: viel oder wenig - schneller oder langsamer.

Weiterhin wurde auf den TEVIS-Studien noch kein Zusammenhang festgestellt zwischen Reittempo/ Plazierung und getragenem Gewicht bzw. Reiter/Pferd-Gewichtsverhältnis. Die leichteren Reiter waren also nicht etwa schneller oder erfolgreicher als die schwereren. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass aufgrund des hohen Schwierigkeitsgrads der Strecke bei diesem speziellen Ritt das Reittempo im Schnitt langsamer ist, als auf anderen Distanzritten weltweit. Auf kurzen, schnellen und geländemäßig leichten Distanzrennen haben leichtgewichtige Reiter erwiesenermaßen Vorteile (weswegen die FEI hier auch ein Mindestgewicht vorschreibt).

Eine Frage des Pferdetyps?

Was sagt uns das nun, selbst wenn wir nie vorhaben einen TEVIS Cup zu reiten? Eine ganze Menge. Es zeigt, wieweit das Tragevermögen von Pferden trainierbar ist. Zumindest das von, üblicherweise den nicht gerade den "Gewichtsträgern" zugeordneten, Araber-Pferdetypen - beim TEVIS Cup werden stark überwiegend im arabischen Typus stehende Pferde geritten. Gleiches kann man, wobei dort langsamer geritten wird, auch auf Wanderritten mit Pferden aller Typen und Rassen sehen. Da stehen freilich keine Wissenschaftler daneben.

Wer als "Heavyweight" Reiter nun meint, ein schwereres Pferd könne dieses Gewicht besser ausgleichen, sollte beachten, dass auf der TEVIS Studie schwere Pferde öfters mit Lahmheiten ausschieden, als die leichteren - obwohl das schwerste Pferd hier mit "nur" 550kg ermittelt wurde, also bei uns kaum als schweres Reitpferd durchgehen würde (die bis 700kg haben).

Beim berittenen Militär, wo äußerlich und gewichtsmässig ähnliche, aber weniger edle Pferde geritten wurden als bei den meisten heutigen Distanzreitern, sah man als Optimum an, Pferde bis zu 1/5 ihres Gewichts zu belasten (also genau der in der TEVIS Studie ermittelten Durchschnittslast). Das war sowohl im Deutschen wie im Amerikanischen Militär die "Soll"-Vorschrift im Frieden. Im Krieg musste hiervon selbstverständlich oft nach oben abgewichen werden. Ein Reiter von 1/7 oder gar nur 1/10 des Gewichts hätte wie in der klassischen Reiterei sofort im Verdacht gestanden, das Pferd mit seinen Gewichtshilfen gar nicht adäquat reiten zu können! Das Pferd erscheint hier oft als der Ranghöhere!

Peter Spohr schreibt in seinem, auch heute noch lesenswerten und keineswegs überholten Grundlagenwerk Naturgemäße Gesundheitspflege des Pferdes (1910) von einem Durchschnittsgewicht von 9 Zentnern (450kg) für alle Reit- und Zugpferde der Artillerie. Das erscheint wenig, ist aber glaubhaft. Viel Raum für das, was man heute "schwere Zugpferde" nennt, kann da nicht gewesen sein. Mögen die reinen Reitpferde feiner und edler gewesen sein als die Zugpferde, wogen sie vielleicht 400kg, die Zugpferde 500kg. Pferde der Armee waren, wie nicht bloß allein frühe Fotos, auch die Rationsvorschriften jener Zeit belegen, eher knapp gefüttert. Die Pferdebestandszahlen suchte man knapp über dem Bedarf z halten, das Budget war schon immer knapp, und Hafer damals viel teurer als heute (etwa 6-10x soviel gerechnet nach Kaufkraft). Im Dienst stehende Pferde kamen so gut wie nie auf die Weide. Der Body Condition Score der Armeepferde dürfte die 4 (mässig dünn) meist nicht überschritten haben. Von Offizieren die in ihrer Freizeit ausgedehnte Ritte auf ihren Dienstpferden unternahmen, wurde erwartet dass sie ihrem behuften Kameraden eine "Zulage" in Form von Hafer bezahlten. Die Armee-Reitpferde hatten somit ein Gewicht ähnlich dem heutiger Islandpferde oder Araber, und waren auch nicht viel größer, meist um 1,50-1,55, selten über 1,60m groß.
Was für ein Gewicht hatten diese Pferde nun zu tragen? Das wird nicht näher beschrieben und schien der Erwähnung nicht wert. Peter Spohr, der selbst eher groß war, verwendet gelegentlich die Umschreibung "starke Herren" für Reiter von 100kg und mehr, hauptsächlich bei Zivilisten. Jungpferde sollen gemäß Spohr bis 5-jährig nur von "leichten Reitern bis 60kg" geritten werden. Die Figur von Militärpersonen wird nur in einem Fall genau beschrieben, einem 130kg schweren Trompeter, "der auch die stärksten Truppenpferde auf den Märschen binnen kurzem derart rückenlahm ritt, dass ich gezwungen war ihn auf der Protze mitfahren zu lassen (d.h. dem Geschützwagen, was im Falle eines Trompeters natürlich nicht so schön ausschaut). Er war ein guter Trompeter und vortrefflicher Soldat, sonst würde ich ihn haben ablösen lassen". Spezielle Maßsättel für Reiter dieses Gewichts gab es bei der Armee selbstverständlich nicht, aber auch heute dürfte es nahezu unmöglich sein, für so schwere Reiter Sättel zu finden die es erlaubten stundenlange Ritte ohne Schäden fürs Pferd zurückzulegen.
Reiter von 80-90 kg dürften demnach vor 100 Jahren in der Armee keineswegs selten gewesen sein. Die heutzutage meist idealisierten Verhältnisse der Kavallerie, die nach Möglichkeit leichte und kleingewachsene Reiter aussuchte, können nicht auf die ganze berittene Armee übertragen werden. Pferde wurden damals in der ganzen Armee eingesetzt, die Kavallerie war nur ein verhältnismäßig kleiner Teil von ihr.

Es bleiben also jede Menge Fragen: Wer hat heute ein Problem mit dem Gewicht? Die Reiter, oder die Pferde? Und warum?  Wer schleppt das meiste Übergewicht mit sich herum, bürofaule Reiter oder zum Nichtstun verurteilte Pferde? Darf ein 600kg Pferd 50% mehr schleppen als ein 400kg-Pferd? - Wohl kaum. Oder darf es vielleicht sogar nur weniger schleppen als das 400kg-Pferd, weil das "kräftig aussehende" Pferd in Wahrheit 100kg Übergewicht hat? Haben Pferde von männlichen Reitern (weil die statistisch gesehen schwerer sind) auch häufiger Satteldruck oder Rückenbeschwerden? - In meiner jetzt über 30-jährigen Reitpraxis ist mir das noch nicht aufgefallen. Wenn Sättel nicht passen, verursachen sie auch unter leichten Reitern stets und zuverlässig Schäden.

Wie schafft es das Pferd einen Reiter zu tragen?

Warum können es Pferde überhaupt schaffen, einen Reiter zu tragen ohne Schaden zu nehmen? -- Von der Natur, das haben zahllose schlaue Artikel- und Buchschreiber bereits ganz richtig erkannt, ist der Pferderücken dafür nicht vorgesehen worden. Diese vielleicht grundlegendste Frage ist vielleicht geeignet die Zusammenhänge am ehesten zu erhellen.

Dass sich das Pferd als Reittier eignet, und dies für seine Gesundheit schadlos bewältigen kann, hat mit dem wechselnden Gewicht des Pferdes im Laufe der Futtersaison, und der Fruchtbarkeit zu tun. Ein neugeborenes Fohlen wiegt je nach Rasse 30-60kg, Fruchtblase und Fruchtwasser zusammen vielleicht noch einmal 10-20kg (genaue Zahlen dazu habe ich nicht finden können). An dies Gewicht muss die tragende Stute sich gewöhnen dürfen; es darf zu keiner Überbelastung für Rücken oder Bewegungsapparat werden. Auch werden natürlich lebende Pferde in der Saison mit viel Grünfutter gegen Herbst hin oft deutlich fett, futtern sich Reserven an, von denen sie im futterarmen Winter dann zehren und gegen Ende des Winters oft deutlich abgemagert sind. Gewichtsunterschiede von bis zu 1/4 der Körpermasse sind bei wild lebenden Pferden nicht selten und schaden diesen nicht. In ersten Fernsehreportagen über Wildpferde der Namibwüste, bevor sie, wie seit einigen Jahren üblich zugefüttert bekamen, konnte man für den mitteleuropäischen Pferdefreund im Höchstmaß jämmerlich ausschauende Pferde im BCS von 1,5 bis höchstens 2,0 noch herumjagen und spielen sehen - es scheint ihnen also, wenn sie nicht geritten werden, selbst wenig auszumachen. Ergo: Pferde sind trainierbar, weil sie sich auch in der Natur an geänderte Umweltverhältnisse anpassen können, und sogar müssen. Solche Regulierungskreise schaffen auch Reserven für Überkompensation: Tragende Stuten die (in Maßen und mit reduzierten Leistungen) auch hochträchtig noch geritten werden können. Damit haben wir die Antwort: Anpassung und Überkompensation. Beides sind in der Natur vorkommende Prozesse, die wir uns zu eigen machen, und erfordern Training in kleinen Schritten.

Der Zeitraum, in dem diese Gewichtsunterschiede beim wildlebenden Pferd auftreten, bestimmt folglich die Maßgabe für die Gewöhnung an ein Reitergewicht. Man kann einem Pferd nicht plötzlich einen 30kg schwereren Reiter aufsetzen als dies gewöhnt ist, und weiterreiten wie bisher. Und niemand mit nur 60kg darf sich auf ein 600kg Pferd setzen und wie selbstverständlich davon ausgehen dass dieses schadlos dessen "geringes Gewicht" trägt. Auch für dieses geringe Gewicht muss es trainiert werden. Vielleicht ist ja gebäudemäßig schon damit überfordert sein eigenes Gewicht zu tragen. Wird die Sattellage des 600kg Pferds auch 50% größer sein als die des 400kg-Pferd? Wohl selten oder fast nie.

Der schwere Reiter

Umgekehrt muss der schwere Reiter sehr, sehr vorsichtig mit seinem Pferd sein, und es sehr langsam auf das Gewicht vorbereiten. Als Grundsatz gilt: Je mehr Gewicht das Pferd zu tragen hat, desto weniger Raum bleibt für Fehler :
All das muss stimmen. Und wenn das Pferd keine gute Rückenform und Sattellage hat, passt es vielleicht von vornherein physiologisch nicht. Leider ist das genau die Stelle, auf die viele Reiter beim Pferdekauf zuletzt schauen.

Früher hat man die als "spätreif" geltenden Isländer erst mit vollendetem 5 Lebensjahr an- und eingeritten. Sie konnten dann, fertig eingeritten, irgendwann auch normalgewichtige erwachsene Reiter tragen ohne Schaden zu nehmen. Meiner Ansicht nach ist es für alle Pferde vorteilhaft, erst fünfjährig angeritten zu werden - vor allem für Freizeitreiter die ihre Pferde lange behalten und reiten wollen. Pferde früher als mit fünf Jahren anzureiten kann gesundheitlich schaden - sie später als mit fünf Jahren einzureiten (wenn die Haltung stimmt) niemals.

Gewichtsträger

Vor 30 Jahren, als die Freizeitreiterei noch in ihren Kinderschuhen steckte und wesentlich mehr Ponys als heute geritten wurden, verstand man unter einem "Gewichtsträger" ein Pferd von eher kräftigem Bau mit gut markierten Gelenken. Dank der vielen Friesen und Tinker, die es mittlerweile gibt, viele davon mit horribler Sattellage, weiß man heute, dass nicht alle Pferde dieses Erscheinungstyps wirklich geeignet sind Gewichte zu tragen. Umgekehrt weiß man heute auch, dass nicht jedes  Pferd von edlerem Typ unter der Last früher oder später zusammenbricht, wenn es nach traditionellen Maßstäben korrekt und gut gebaut ist, worauf allerdings zu achten ist. Dicke Knochen tragen nicht per se besser als schlanke, oft ist das umgekehrte richtig.

Kompaktpferde nennt man so, weil ihre Sattelfläche größer oder ihre Lendenpartie breiter ist als die von Großpferden, proportional zu deren jeweiligen Gewicht. Deswegen sind sie (für leichte bis mittlere Gewichte) die besseren Gewichtsträger. Wer als Reiter schwerer ist, tut nicht unbedingt besser daran, sich auf ein Großpferd zu setzen. Großpferde ermahnen den Reiter nicht ständig, auf sein Gewicht zu achten, das stimmt. Sie haben den Vorteil "nach mehr Pferd" auszusehen, und sind daher empfehlenswert für den Reiter oder die Reiterin, denen der Schein wichtiger als das Sein ist. Aber ist es das, worauf es ankommt?

Es wird schon einen Grund haben, warum die meisten Distanzreiter eher kleine, leichte Pferde reiten: Diese Pferde sind gewandter, haben weniger Probleme mit schwierigem Gelände, schleppen weniger "eigenes" Übergewicht oder überhaupt "unnützes" Gewicht mit sich herum. Sie haben im Verhältnis zu ihrem Gewicht die meiste Muskulatur, die beste Wärmeabführung, sind daher am besten trainierbar, auch schwerere Reiter zu tragen, und schaffen das auch dauerhaft schadlos zu bewältigen - wenn diese Reiter verstehen ihr Pferd maximal möglich zu entlasten. Überdies kommen sie auch noch im Gelände an Stellen durch, oder über Stege herüber, wo ein Reiter mit größerem Pferd passen muss.

Pferde ab einem bestimmten Gewicht (ab 600kg) scheinen, und nicht bloß anekdotisch, sondern auch statistisch erwiesen, generell häufiger unter chronischen Beinschäden zu leiden, als die leichteren. Und zwar selbst dann, wenn sie von leichteren Reitern geritten werden, oder gar nicht. Dies spräche nicht unbedingt dafür, sie mit noch mehr Gewicht zu belasten. Es sei denn, die Tierärzte möchten mehr Geld an ihnen verdienen.

Für Reiter mit natürlich bedingtem schwereren Körperbau dürften die etwas größeren (bis Stm. 1,60m) und gröberen Kompaktpferdetypen die geeignetsten Reittiere sein, aber keineswegs Kaltblüter oder übergewichtige Pferde.

Fazit

Zwei Dinge stehen ethisch außer Frage: Erstens, weil in heutiger Zeit Pferde weder im Krieg, noch als wirtschaftliches Transportmittel eingesetzt werden (müssen), sondern nur gehalten und gezüchtet werden um das Lebens der Menschen zu bereichern, ist keine Behandlung des Pferdes mehr akzeptabel, die direkt oder indirekt Schmerzen oder Schäden am Tier hervorruft, diesem Angst macht oder es erniedrigt. Zweitens, jeder Reiter muss sich bemühen, seinem Pferd in höchst denkbarem Maße gerecht zu werden. Dazu gehört, bestens passendes Sattel-, Zaumzeug und Geschirr zu verwenden. Dazu gehört, Ausbildungs-, Erziehungs- und Trainingsmethoden zu meiden, bei denen nicht Wohlergehen und langes Leben des Pferdes sondern schneller Erfolg in Show und Sport, und Geld im Mittelpunkt stehen. Dazu gehört selbstverständlich auch, seinen eigenen Körper fit zu machen und wenn nötig abzunehmen. Reiten ist Balancieren auf und mit dem Pferd, erfordert volle Beweglichkeit, Körperspannung, trainierte und ausgeprägte Rumpf- und Rückenmuskulatur. Ein Halter oder Reiter, der nicht imstande ist, diese Bedingungen zu erfüllen darf kein Pferd halten oder reiten. Bei alledem ist es jedoch eine, nur durch menschliche Ignoranz erklärbare, Illusion zu glauben, wir könnten das Bewegungstier Pferd gesunderhalten ohne jede Belastung auf unseren lächerlich kleinen Weiden mit (verglichen mit der Wildnis) viel zu üppigem Futterangebot, oder gar auf Paddocks oder in Boxen.


Literatur:
--
Peter Spohr, Die naturgemäße Gesundheitspflege der Pferde als Vorbeugung gegen Krankheiten. Mit besonderer Berücksichtigung militärischer Verhältnisse. Schmorl& von Seefeld, 1910 (1.Aufl. 1888)
Susan Evans Garlinghouse et.al., 1995-1996 Tevis Weight and Body Condition Score StudyThe Influence of Body Measurements and Condition Score on Performance Results during the 1998 Tevis Cup

Michael Schäfer, Handbuch Pferdebeurteilung, 2000


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