Was mich am Rennrad fasziniert...

(c) Frank Mechelhoff        Neu Januar 2011
Natur
Als der Mensch das Fahrrad erfunden hatte, gab es auf der Welt keine schnellere Art der Fortbewegung, es sei denn auf dem Schienenstrang. Sogar die Kavallerie hatte Probleme ihre Existenz zu rechtfertigen, und einige Armeen schafften die Pferde ab und sattelten um auf Drahtrösser. Die bis heute anhaltende Beschleunigung der Zeit hatte begonnen.

Da ich auch Motorrad fahre, weiß ich natürlich dass es beim Radfahren nicht um bloße Geschwindigkeit geht. Das Motorrad ist viel schneller. Auf den breiten Reifen eines Motorrads fühlt man sich in der Kurve auch sehr viel wohler und sicherer, und kann sie auch schneller nehmen als mit dem Rennrad. Zudem kann man mehr Gepäck mitnehmen und strengt sich nicht so an. Aber es macht eben auch Lärm und schluckt Benzin...

Mehr Naturerlebnis als auf dem Rad hat man natürlich als Fußgänger oder als Reiter. Auch mit dem Mountainbike. Vor allem ist man mit dem Rad in der Natur die leidige Nachbarschaft des Autoverkehrs los. Als Reiter bin ich aber in schwierigem Gelände jedem Radfahrer um ein mehrfaches überlegen. Nur bergab kann er mich überholen. Und im alpinen Hochgebirge ist es der zu Fuß gehende Bergsteiger. Deswegen bin ich der Ansicht, dass die Krönung des zweirädrigen Fahrens die straßentaugliche Rennmaschine ist, deren Gewicht und Ausstattung auf das notwendigste minimiert wurde. Vielleicht wäre das Bahnrad ohne Schaltung und Bremsen das absolute Ideal, aber eben im normalen Verkehr nicht fahrbar, und im Gebirge und auf holprigen Straßen auch nicht. Deswegen haben unsere Räder Schaltungen und Bremsen als Zugeständnis an die Praxis, und weil sie das Rad nicht so furchtbar viel schwerer machen.

Während das Motorrad das ursprünglichste und idealste Motorfahrzeug ist, ist das Fahrrad für mich die ursprünglichste mechanische Kraftmaschine. Das heisst Vervielfältigungsgerät meiner Muskelkraft, zum Zweck der Bewegung von A nach B, auf einer Straße mit ebener Oberfläche unter möglichster Minimierung des Roll- und des Windwiderstands. Das ist beim Mountainbike mit seinem höheren Gewicht und dicken Reifen eben nicht möglich.

Die Schönheit einer Maschine liegt in ihrer zweckorientierten, in jeder Einzelheit durchdachten Gestaltung und der Wahl der Werkstoffe, der Beschränkung auf das notwendige, der Langlebigkeit und Wartungsfreundlichkeit, und der Qualität ihrer Benutzeroberfläche. Aus diesen Gründen ist das Stahlfahrrad das A+O. Die Schönheit entsteht damit aus der Funktion, sie ist nicht Selbstzweck. Das unterscheidet die Maschine vom Kunstwerk. Deswegen ist ein Rad, das nur schön ist, dass man aber nicht oder nur eingeschränkt benutzen kann, immer die schlechtere Maschine als die weniger das Auge reizende, oberflächlich weniger anziehende, aber uneingeschränkt benutzbare. Die hochgezüchtete Profi-Rennmaschine, die ein Servicefahrzeug in unmittelbarer Nähe braucht oder nur für bestimmte Einsatzsituationen benutzbar ist, ist somit nicht das Ideal, sondern das Straßenrennrad für den universalen Gebrauch, dessen Übersetzungen für Berge und Flachland wechselbar sind. Eine eigene Schönheit haben auch die Randonneur-Fahrräder, die auf das lange Reisen mit leichtem Gepäck konstruiert sind. Sie sind ebenso edel wie Rennmaschinen.

Soviel zum Fahrrad. Beim Fahren mit dem Rennrad bedienen wir diese Kraftmaschine. Wir treten in die Pedale, lenken und bremsen. Alles, so gut wir können. An sich ist es nicht schwierig: Radfahren kann man mit 4 oder 5 Jahren erlernen. Aber eine Rennmaschine gut vorwärts zu bewegen erfordert auch Muskelkraft und Kondition. Diese zu erwerben kostet Mühe und Schweiß. Radfahren bedeutet Muskelarbeit. Die Maschine mag es nicht, langsam bewegt zu werden. Sie rollt besser bei höherem Tempo, und es sieht auch besser aus, als wenn sie in einem langsamen Tempo bewegt wird wie ein gewöhnliches Rad. Das erkennt schon der unbefangene Zuschauer. Darum wird der Fahrer sich solange anstrengen bis er es beherrscht, sie in einem Tempo zu bewegen, wie das eben nur mit einem Rennrad möglich ist. Schon auf kleinen Trainingsrunden von zwei bis drei Stunden hat man eine Reichweite die Erstaunen auslöst bei allen die selbst nur Auto fahren oder zu Fuß gehen. Man kommt viel herum in seiner Umgebung auf dem Rennrad...

Die Schönheit der Maschine ist sinnlich wahrnehmbar, das gilt noch mehr für das Radfahren selbst. Anders als auf einer stehenden Kraftmaschine im Fitnessstudio bewegt man sich fort. Der Widerstand variiert ständig, sei es durch unterschiedlichen Bodenbelag, Steigungen oder Wind. Jeden dieser Widerstände kann man kommen sehen und sogar beeinflussen. Der Fahrer entscheidet ob er ihn mit höherem oder geringeren Tempo angeht und überwindet. Man hat die Natur um sich, die Straße, Feld, Wald und Siedlungen. Der Wind pfeift, die Sonne scheint, oder es regnet. Für den Fall, dass an der Maschine etwas defekt gehen sollte, hat man minimales Werkzeug bei sich, denn das Fahrrad gehört zu den wenigen Maschinen die es gibt, die der Benutzer selber leicht warten und im wesentlichen auch selber reparieren kann ohne selber Mechaniker zu sein. Das Fahrrad eignet sich wie keine andere Maschine auch dazu, Kindern beizubringen dass man ein Gerät das man benutzt, auch gewissenhaft behandeln und pflegen muss.

Aber beim Fahren ist sie ein sinnlicher Genuß. Man spürt sofort die eingesetzte Kraft, weiß wofür man sich anstrengt. Es geht viel schneller als zufuß. Außerdem kann man herrlich nachdenken beim Fahren, weil es viele Momente gibt wo man nichts entscheiden oder sich auf den Verkehr konzentrieren muss, weil man doch nicht so schnell ist wie mit dem Motorfahrzeug. Die eigentliche Bedienung geht ja fast instinktiv. Man kann also besser nachdenken als beim Autofahren, zumal man nicht durch selbsterzeugten Motorlärm, ein eingebautes Radio, oder Mitfahrer abgelenkt wird. Schon die alten Griechen, die noch keine Fahrräder kannten, wussten dass die wechselnden Sinneseindrücke beim Zufußgehen und Wandern, und die leichte Muskelarbeit dabei dem Nachdenken förderlich sind. Es gab sogar eine philosophische Richtung die dies ausschließlich praktizierte.

Der Hauptunterschied ist aber dass man zum Vergnügen und zur eigenen Fitness Rad fährt, während man bloss Auto färt, wenn man muß. Denn Autofahren verringert die Ressourcen unseres Planeten an aufgespeicherter Energie in Form von Erdöl unwiderruflich, während das Radfahren nur Energie verbraucht die durch Essen und Trinken sofort wieder aufgefüllt werden kann. Auch deswegen ist das Rennrad die Krone der nichtmotorisierten Maschinen weil der Mensch sich nicht ökonomischer von A nach B bewegen kann. Denn wofür er zu Fuß einen ganzen Tag brauchen würde, das fährt er mit dem Rennrad in ein bis zwei Stunden.


Link: Gedanken über das Radfahren


AX Logo

Wie es (wieder) anfing....

Ich war 42 geworden, seit 2 Jahren verheiratet, hatte 10 Kilo Übergewicht und fühlte mich nicht mehr sonderlich fit. Mir fehlte sportlicher Ausgleich, und regelmäßige Bewegung an der frischen Luft. Zum Laufen eignen sich meine strapazierten Knie nicht, ins Fitnessstudio wollte ich nicht. In meiner Schüler- und Studentenzeit bin ich gern und viel Rad gefahren. Nie wirklich leistungssportlich, aber ein paar schöne mehrtägige Touren waren dabei, auch mit Radkameraden die Rennräder hatten. Ich bin eben ein Naturtyp der gern draußen unterwegs ist.

Aber jetzt suchte ich etwas zum Fahren nur zum Spaß. Eigentlich ganz einfach...

Nur leider gefielen mir die neueren, bunten Rennräder aus Carbon alle nicht. Und mit schrillfarbenen martialischem Outfit mich aufs Rad setzen wie heutzutage Mode ist, wollte ich auch nicht. Eigentlich hatte ich gar keine Lust für ein neues Rad gleich tausend oder zweitausend Euro auszugeben. Nicht aus Geldmangel oder Geiz, aber ich wollte mich mit der Anschaffung von teurem Gerät nicht selbst unter Erfolgsdruck und Zugzwang setzen. Obwohl sowas ja typisch männlich ist. Ich wusste ja gar nicht ob ich wieder Spaß dran entwickeln würde. Und drittens war mir klar dass ein modernes und superleichtes, vielleicht auch empfindliches Rad für meine bescheidenen Fitness-Ansprüche völlig übertrieben wäre. Und obwohl ich ja Verständnis für eine Industrie habe, die jedem Radler gern alle 2 Jahre ein neues Rad verkauft - schließlich fördert das die Wirtschaft - bin ich Gegner einer Wegwerfmentalität, und noch in einer Zeit groß geworden wo
man bestenfalls alle 10-15 Jahre ein neues Rad kaufte, und es als "normal" galt dass ein Rad mit etwas Pflege 30 Jahre oder länger hielt. Das tun hochwertige Stahl-Fahrräder selbstverständlich noch heute. Selbst Autos rosten heutzutage ja nicht mehr so dass sie nach 10 Jahren weggeworfen werden müssen. Bei richtig konstruierten Fahrrädern gibt es diese Form der Alterung gar nicht; sie können, jedenfalls im Prinzip, 100 Jahre lang benutzt werden. Ein typisches Altherren-Fitnessrad kaufen wollte ich aber auch wieder nicht... tja, was kauft man da?

Mein Lösungsansatz

Erkennt jemand, der sich viel mit Problemlösungen, Entscheidungsfindung beschäftigt, die Falle die hier lauert??

Nun: Sie besteht darin, jetzt eine lange Liste von "requirements" (Anforderungen) aufzuschreiben, dann den Markt zu untersuchen was er zur optimalen Zweckerfüllung dazu hergibt... und am Ende kann man sich entweder nicht entscheiden, oder hat ein Rad für mehrere tausend Euro dass man eigentlich gar nicht will. Und die ganze Zeit, die der Entscheidungsprozeß benötigt, geht fürs Radfahren verloren... am Ende hängt das teure, "optimale" Rad wahrscheinlich wie soviele nach einer kurzen Euphoriephase an einer Garagenwand und setzt Staub an.

Weil ich genau wusste, wie man sich in Punkto Räder "verirren" kann, wählte ich einen anderen Weg. Ich suchte von vornherein weder nach dem Optimum noch der eierlegenden Wollmilchsau. Ich ging davon aus dass jedes hochwertige Rad meine Anforderungen schon erfüllen konnte, denn ich bin ein ganz normaler Radfahrer. Ich wollte kleine Straßen und Asphaltwege fahren, möglichst zügig, dafür kommt nur ein Rad mit schmalen Reifen infrage. Schutzbleche brauche ich nicht weil ich nicht bei Regen rausfahre. Nur in einem Rennsattel kann man mit ausgestreckten Beinen fahren. Und für Fahrten von länger als einer Stunde war mir der Rennlenker immer der bequemste. Daraus ergab sich ziemlich klar: ich brauchte ein Rennrad.

Für einen, bald, Oldtimer wie mich müsste doch ein Rad aus meiner Jugendzeit passend sein, also den frühen Achtzigern. Zu dieser Zeit, so erinnerte ich mich noch, kam die fortschrittlichste, dabei noch bezahlbare Radtechnik schon aus Japan. Deren Krönung war damals für mich die schöne, aerodynamisch ausgefeilte Shimano AX-Gruppe - so ein Rad hätte ich damals gern gehabt. Deren Technik war nicht bloß ästhetisch, sondern auch durchdacht und dauerhaft - abgedichtete Kugellager an Stellen wo das bisher nicht üblich gewesen war, erhöhten Gebrauchswert und -dauer. Aber da an dieser Technik damals nahezu alles anders, als was am Markt sonst üblich und Standard war, und mein eigenes Rad in allererster Linie praktisch zu sein hatte, hatte ich mich nicht getraut eins zu kaufen. Wie viele andere auch, weshalb diese Gruppe letztlich am Markt floppte. Damals hatte ja, anders als heute, niemand mehr als ein Rad, benutzte es vielleicht sogar jeden Tag, hatte Angst um die Ersatzteilversorgung - es gab noch kein ebay und Internet -- und da ging man lieber auf Nummer Sicher und kaufte konservative bewährte Technik...

zwei mal Norta AX

Drei Wochen nachdem ich begann mich dafür zu interessieren hatte ich einen AX-Renner, ein japanisches NORTA, in fahrbereiten, wenig gebrauchten Zustand, über 25 Jahre alt, bei ebay für 150,- ersteigert. Das Rad stand in Tübingen - dort habe ich mal studiert und bin dort viel Motorrad gefahren, kenne von daher die Landschaft dort ganz gut. Rad gefahren bin ich dort allerdings so gut wie nicht. Trotzdem war meine Lust geweckt das Rad auf Achse heimzuholen! An einem schönen März-Samstag fuhr ich mit meiner Frau auf dem Motorrad mittags vor, ausgerüstet mit neugekauften Radklamotten und Lenkertasche... Rad bezahlt, noch einen Ersatzschlauch umsonst mitbekommen --

Und los ging's!

In den letzten 10 Jahren hatte ich ungefähr 5x auf dem Rad gesessen -- vor mir lagen 200km!
Die ersten Meter. Das Rad fühlte sich etwas hart an, aber nicht total unbequem. So muß sich ein sportliches Rad fahren, erinnerte ich mich.
Der Geradeauslauf war ohne Tadel, trotz der schweren Lenkertasche.
Die ersten 50km bis kurz hinter Pforzheim waren eine ungewohnte Anstrengung, über den Pforzheimer Berg musste ich schieben, dann liess ich's rollen ins Tal nach Karlsruhe, fand auf dem Weg durch die Stadt auf Anhieb kein Hotel, dachte mir, was soll's, bog am Schloß ab, fuhr ich im Dunklen ohne Licht durch den Stadtwald, und im ersten Ort durch den ich kam fragte ich in einer Kneipe nach einem Gasthof oder Hotel. Das war gleich um die Ecke, und fünf Minuten später hatte ich ein Zimmer. Die Strecke hatte ich mit Computer über Google-Maps und per GPS vorbereitet. Alles im Plan!
Am nächsten Tag: etwas Muskelkater, aber nichts schlimmes. 130km auf kleinen Asphaltwegen am Rheindamm entlang, mit 3 Fähr- und einem Brückenübergang über den Rhein. Es war eine wunderbare Fahrt bei schönstem Märzwetter, zum Schluß schob der Rückenwind, ohne Panne bis auf einen Reifenwechsel. So ging's los!

Die alte Technik/ Was man beachten muss

Mit den fädeligen Hakenpedalen war ich bald wieder auf Du und Du. Hauptsache nicht ganz festschnallen, damit man mit den Schuhen immer raus kommt...
Alle mechanischen Teile waren gut geölt und liefen leicht. Qualitativ war das Rad auf so hohen Niveau wie ich vorher noch kein Rad besessen habe. Gebrauchsspuren waren minimal und kaum der Rede wert. Die Bremsen hatte ich natürlich vor Fahrtbeginn geprüft, wie man das bei einem alten Rad immer(!) machen sollte: Die Beläge, hart geworden durch das lange Stehen, quietschten etwas, aber mit der Zeit bremsten sie sich ein. Die Bremszüge waren damals schon rostfrei und mit Innenzughüllen aus Teflon ausgestattet (noch eine Erfindung von Shimano), was für große Zugefestigkeit und nahezu unbegrenzte Haltbarkeit stand. Einer der beiden Schaltzüge hatte zuviel Spiel und wurde mit dem mitgenommenen Sechskantwerkzeug schnell am Straßenrand gespannt. Kettenschaltung mit Friktionsschaltern, also ohne rastende Schaltpunkte, wie bis 1985 noch üblich, war ich ja gewöhnt. Ketten mit gekröpften Gliedern und Schaltkränze mit schrägen Zähnen, was in reibungslosem schnellem Schalten resultiert, gab es bei diesem Rad von 1981 ja bereits. Ich hatte sogar ein bergtaugliches Shimano-Kettenrad für vorne mitgenommen und vor Fahrtbeginn ausgetauscht, weil ich ohne Training die wenig bergtaugliche standardmäßige Übersetzung fürchtete. Die Teile von heute passen noch auf die Räder von damals. Shimano ist da bis heute quasi normgebend...

Wie's weiter ging

Im Herbst war ich fit genug für eine Dreitagestour, über 600km von Schaffhausen am Rhein bis nach Wiesbaden. Im nächsten Jahr gab es schon zwei dieser Räder - das zweite stammte aus Mönchengladbach und steht jetzt im Ferienhäuschen an der Grenze zu Holland.
Mittlerweile hatte mich der Virus gepackt, und ich habe mir einen "richtigen" Oldtimer selbst aufgebaut (im Winter 2008-2009). Ein 35 Jahre altes französisches Vollprofirad aus Reynolds 531 (vermutlich 531SL), für einen lächerlich geringen Betrag als "Schrott"-Rahmen im französischen ebay erstanden.
Auch dies Rad hat einen gewissermaßen persönlichen Bezug, weil ich - zum 13. oder 14. Geburtstag - einen Motobecane Tourenrenner geschenkt bekam.
Damals kamen die besten, noch bezahlbaren, für den Alttagsgebrauch tauglichen Räder aus Frankreich - die Deutsche Fahrradindustrie lag zu der Zeit selbstverschuldet in den letzten Zügen, und produzierte nur noch Schund, aber dafür in ungeheuren Massen. Ich hatte, wenn ich mich richtig erinnere, nur vier oder fünf Jahre Freude an dem Rad, bevor es mir gestohlen wurde. Als ich dann ein Studentenrad in ähnlicher Art suchte gab es die Marke Motobecane, oder überhaupt Qualitätsfahrräder aus französischer Produktion, nicht mehr. Zur Auswahl standen inzwischen Koga Miyata aus Japan und Giant aus Korea. Es wurde dann aus Preisgründen ein Giant, heute noch mein "Dienstrad"...
Es blieb die Sehnsucht nach einem guten französischen Rad, aus der Zeit bevor die Japaner übernahmen.

Philippe

Dieses Rad, ein wirkliches Einzelstück, habe ich mit zeitgenössischem Zubehör (ca. 1975-1979) aus Einzelteilen wieder aufgebaut.
Damals, also um 1980 herum, war die Vertriebssituation für französische Fahrradteile bereits so katastrophal dass niemand daran denken konnte ein Fahrrad mit den schönsten oder besten Teilen des Landes aufzubauen. Man musste froh sein wenn man überhaupt etwas kaufen konnte, und nicht Monate warten musste um zu erfahren was es alles nicht mehr gab oder was es außer im Katalog niemals gegeben hatte...
Auch ein Grund für den Erfolg der Japaner (Shimano): sie hatten im Vertrieb keine Schlafmützen sitzen. Das meiste gab es im Laden direkt zu kaufen - das, was es im Katalog gab konnte man bestellen. Einmal erhielt ich, nach 2 Monaten Bestellzeit, für meine Randonneuse sogar spezielle Shimano 600 Bremshebel aus Japan die eigentlich exclusiv für Koga Miyata produziert wurden und die ich bis heute in keinem Katalognachdruck gesehen habe...
Was ich damit sagen will, ist dies: Im Jahr 1979 hätte in Deutschland ein Rad dieser Art niemand aufbauen können - außer vielleicht mit speziellen Kontakten in die französische Radprofiszene. 30 Jahre später war nur noch Know-how das Problem, nicht mehr die Logistik. Nur die Firmen gibt es alle nicht mehr.
Im November 2009 im tourforum zum Klassiker des Monats vorgestellt, wurde mein PHILIPPE gegen sehr starke Konkurrenz - letztlich gewann ein viel teureres Rad - Zweiter.
Im Oktober 2009 fuhr ich damit das bekannteste Rennen für klassische Rennräder, an dem jeder teilnehmen kann, die l'eroica in der Toskana, 135km.
Dies "Rennen", mehr eine Ausdauerprüfung mit Oldtimer-Flair, geht teilweise über übelste Schotterstraßen, über die 99% der deutschen Rennradfahrer ihre neuen glänzenden Räder niemals quälen würde. Die alten stecken das aber problemlos weg- auch wenn sie dabei zwangsläufig nicht hübscher werden. Aber eben das ist das Los einer benutzbaren Maschine, im Unterschied zu einem Kunstwerk: Jeder im Betrieb erworbene Kratzer adelt sie.
Im Oktober 2010 nahm ich erneut teil, diesmal fuhr ich 195km. Viele sind dafür nicht besonders schnell, aber 14 Stunden unterwegs.

Beobachtungen

Ich fahre etwa 3.500-4.000km im Jahr, zwischen März und November zwei bis dreimal wöchentlich, davon 95% auf dem oben abgebildeten Norta. Als Vielfahrer würde ich mich damit nicht bezeichnen. Supersportler bin ich auch nicht: Mit einem 28er Schnitt auf meinen Trainingsfahrten bin ich hochzufrieden, weil es bei uns ziemlich hügelig ist. Aber den Gr. Feldberg hochzufahren, ist für mich nichts besonderes. Die steileren Anstiege sind eh' bei uns im Hintertaunus...

Mittlerweile sehe ich wieder häufiger Sportler die auch mal ihre alten Stahlrenner bewegen, und grüße jeden mit der Klingel -- an jedes vernünftige Rad gehört eine Klingel, selbstverständlich auch an ein Rennrad: Man fährt ja nicht bloß auf Straßen. Mir sind gute asphaltierte Feldwege sogar lieber. Selbstverständlich grüße ich auch die Helm und Sonnenbrille tragende Fraktion, jedenfalls solange sie mir beim Entgegenkommen so vorkommen als ob sie ihre Umgebung überhaupt noch wahrnehmen...

Irgendwo müssen sie jedenfalls stecken, all diese alten Räder. Sie gehen ja normalerweise nicht kaputt. Die meisten werden wohl in irgendwelchen Kellern oder Garagen herumstehen bis sie mal "wiederentdeckt" werden. Es ist auch nicht so dass ich ein Hakenpedal-Fetischist bin: Mir ist nur der moderne Markt zu unübersichtlich. Ich bin schlicht zu faul, mich für ein System von Klickies zu entscheiden, mich drauf einzustellen und meine schönen alten Rädern mit ihnen zu verunzieren...

In Frankreich sah ich mehr von ihnen: Männer nicht mehr ganz jungen Jahrgangs, die nonchalant und würdevoll, ohne große Hatz, das Rennrad ihrer Jugendzeit bewegten - meistens auch in älteren, weniger schrillfarbenen Trikots. Ohne dunkelgetönte Sonnenbrille und krokodilförmigen, lüftungsbeschlitzten Helm, von der Fraktion jüngerer "Leistungssportler" abgesetzt... (Selbstverständlich achte ich heute auch darauf, dass meine vierjährige Tochter den Helm aufsetzt wenn wir Rad fahren, aber manchmal frage ich mich doch schon, wie wir das früher überlebt haben: Ohne Helm Fahrrad zu fahren und doch auch ab und zu mal herunterzufallen!)

Zum Schluß:

Die Frankreichfahrt mit dem PHILIPPE...

Zu Beginn meines Urlaubs im August 2010 fuhr ich mit dem PHILIPPE nach längerdauernder Planung an die Loire nach Blois, zum Ort seiner Herstellung:
920km in 6 Tagen.
Anbei das Reisetagebuch, abends nach den Etappen in den Hotelzimmern in mein GPS-PDA getippt.
Kann man eine solche Tour mit einem "echten Rennrad" fahren? Braucht man dazu nicht ein spezialisiertes Fernreiserad? Aber nein!
Der Vollblutrenner wurde mit einer 9l Sattelstützen- und Lenkertasche in eine Randonneuse verwandelt; der Anbau eines Gepäckträgers hingegen erschien mir bei einem Rad dieser leichten Klasse unpassend. Stabil genug wäre er sicher, aber ein Vollblutrenner ist nun mal kein Lastesel. Damit war der Rahmen gesetzt: Kein Zelt, kein Schlafsack, kein Kocher. Es war eine, meinem gesetzteren Alter entsprechend, Creditkarten-, nicht Camping-Randonnée...



22.8.2010 Erster Tag, Heftrich-Germersheim, 143 km, 6:12h

Um 11.30 am Alteburger Markt gestartet. Sonnenschein, bestes Fahrtwetter. Aber ich bin nicht fit (Husten). So beschliesse ich am Vortag die erste Etappe “leicht” anzugehen und erst mittags loszufahren. Das ist besser als noch einen Tag zu warten. Das Wetter kann bloss schlechter werden.
33er Schnitt bis zur Mainbrücke Rüsselsheim (28km). Ab Trebur (38km) Gegenwind, Puls 160 und starke Sonne. Auf die linke Rheinseite wo ich nun bis Frankreich bleiben will, mit der Fähre Kornsand, die voll mit Tagestouristen ist (48km). Zunächst fahre ich an der B9 weiter. 2 Std.
Mühevolle Fahrt bis Worms (78km), Puls bis 170, kein Wasser mehr (keine Tankstellen auf der Parallelstrasse zur B9; ich hätte mich in Oppenheim neu eindecken sollen). Pause am Rhein 5 Min. im Schatten (enorme Hitze auf dem schattenlosen Rheindamm). In Ludwigshafen endlich eine Tankstelle um etwas zu trinken zu kaufen. Gute Strecke durch Ludwigshafen (100km), dann auf der Strasse weiter bis Speyer, 5 Std. (122km)



Pause vor dem Dom (Touristischer Hinweis: Norditalien beginnt in Speyer!). Ich esse endlich mein eingepacktes Brötchen, vorher war mein Puls zu hoch um etwas zu essen. Erste Gewitterböhen ziehen auf, der Himmel ist fast schwarz, aber es bleibt fast ganz trocken.
Der Gegenwind wird endlich weniger; ich erreiche wieder mein Marschtempo von 26 kmh.
Bis Germersheim wieder gute Strecke. Ich überlege kurz noch bis Wörth weiterzufahren, aber das sind noch fast 30km und ich bezweifle hier ein Hotel zu finden. Hier in Germersheim finde ich aber eins, nach einigem Herumfahren um 18:30, 143km, Zur Post. 43€ mit Frühstück, bescheiden und akzeptabel in der Qualität.
Abends noch ein kleiner Stadtrundgang, was ich zur Lockerung der Muskulatur sehr empfehle, und nach jeder Tagestour auch gemacht habe... Natürlich nach der obligatorischen heissen Dusche oder dem Bad (je nachdem, was das Hotelzimmer hergibt): Hier in Germersheim gibt es eine alte, wirklich sehenswerten Festungsanlage aus dem 18. Jahrhundert (Franzosenkriege) zu sehen. Außerdem gehe ich mexikanisch essen. Nix tut mehr weh, alles ist fit für morgen.

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=evsqedzxwdncclbe



23.8.2010 Zweiter Tag, Germersheim-Saarburg, 170,2km ,7:55h

Aufbruch um 9:00. Der Alubügel der Karrimortasche bricht beim Packen! Altersermüdung? Oder doch zu schwer bepackt? Ich lasse mir die Ortlieb-Lenkertasche auf die Strecke von meiner Frau vorbringen... bis Münchhausen, 51,2 km, hält sie mit nur 1 Bügel. Die Ortlieb Tasche kann ich eigentlich gut leiden; was mich an ihr massiv stört ist der Plasteträger am Lenker. Ich misstraue auch seiner Stabilität, aber er wird halten bis zum Ziel. Die Ortlieb-Tasche ist allerdings auch nicht unwesentlich kleiner. Viele jüngeren Radfahrer tragen Rucksäcke auf so einer Tour; diese Tortour möchte ich meinem Rücken nicht zumuten. Aber natürlich wird das Fahrverhalten des Rads mit einer schweren Lenkertasche etwas träger...

Nach 1\2 Std. regnet es, ich halte 15 Min an einem Deichwachthäuschen. Sehr einsame Strecke, niemand kommt vorbei. Heute ist mein Puls passend zum Fahrttempo und der nur mässigen Anstrengung, 130-140, bei kühlendem Nieselregen nur 120. Um 11:00 wieder Sonne und scharfer Gegenwind. Das Tempo fällt von 28 auf 24 kmh.
Schöne Altrheinarme, herrliche grüne Natur. Hier muss ich nochmal mit Frau und Tochter hin, und zusammen Fahrrad fahren.
Um 11:45 in Münchhausen Lenkertasche gewechselt, umgepackt und dadurch bedingt 3\4 Std. Pause. Meine Sandalen habe ich jetzt außen auf der Sattelstützentasche, das sieht etwas apart aus, aber dafür wird der Tascheninhalt (Hose, T-Shirt und Ersatztrikot) nicht schmutzig.
Dann geht es auf dem französischen Rheindamm weiter.
Fort-Louis heute rechts liegengelassen; vor 2 Jahren schon besucht – sonst einen Abstecher wert!



Nun läuft der Rheinradweg hinter dem Hauptdeich – der Fluss ist höhergelegt - dadurch fehlt die Aussicht und die Strecke wird etwas monoton. Aber gut zum gemütlichen Nachdenken, ein Hauptgrund warum man ja radfährt, und zum Einfahren für eine 900km-Tour. Bei Offenheim 800m Kiesweg- der Weg endet in der Kiesgrube!
Kiesgruben gibt es hier überhaupt viele, auch mit kleinen Häfen und Schiffsanlegestellen. Der Radweg geht teils mittendurch; man muss schon wissen wo's langgeht. Ansonsten nahezu nur Fahrradverkehr, bis auf die unvermeidlichen Angler:
Nicht mehr als 16 km lege ich heute auf Strasse zurück, und dies auf dem schlechtesten Asphalt des Tages; ansonsten ist der Rheindammweg im besten Zustand. Von Gambsheim (91km), wo ich den Rheinradweg verlasse, nach Brumath (110 km) führt diese Straße. Am Strassenrand ein Gebotsschild für Autofahrer, Radler mit 1,50m Mindestabstand zu überholen (so sollte man das ja eigentlich überall machen!)
In Brumath (Marktflecken) Wasser gekauft und 10 Min. Stop vor dem Laden.



Ab Krautweiler (113km) geht es am Rhein-Marne-Kanal weiter.
Links davon ist der Radweg aus gutem Asphalt, über die gesamte Kanalstrecke. Es gibt fast 50 Schleusen, mit jeder steigt auch der Radweg um 3-4 Meter. Keine Industrie am Kanal, der Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, also noch vor der Zeit als das Elsass (1871-1918) deutsch war. Motorjachten und Frachtkähne, so klein dass ich mich wundere dass Frachtschiffe dieser Größe noch rentabel zu sein scheinen, sind unterwegs. Sehr idyllisch.
Um 18:15 erreiche ich Zabern (Saverne) (137km). Die Beine fühlen sich noch gut an; ob es noch bis Saarburg reicht?
Es folgt das schönste Stück des Kanals, das auch ohne Karte problemlos zu finden ist - zweckmässige Ausschilderung und Bodenpfeile. Auf der Scheitelstrecke rd. 10 ausgelassene Schleusen, hier jetzt alle 200m. Muss das früher eine Mühe gewesen sein für die Schiffahrt... Mit dem Rad spüre ich fast keine Steigung. Der neue Kanal macht jetzt einen Umweg. Bei Arzweiler Kanaltunnel und Passhöhe Richtung Saarburg; nun ist auch für den Radler die Steigung spürbar. Bergab verdirbt mir leider schlechter Asphalt die schon ersehnte Abfahrt, ich muss einbremsen. In schöner Landschaft fahre ich an einer bauernhofartigen Gite mit Restaurant vorüber (zwischen Arzviller und Niderviller) weil ich unbedingt in die “Stadt” Saarburg weiterfahren möchte -- grober Fehler! Nie an einem gut aussehenden Quartier weiterfahren weil man noch "ein bisschen" weiterwill... man findet sicher in nächster Zeit nichts besseres, muss Umwege fahren und verliert die Zeit die man eigentlich einsparen wollte.


Mainz 191km, das ist doch mal eine Ansage!

Am Ortseingang von Saarburg, grosse ehemalig preussische Kasernen. 170km und 10:00 Bruttofahrtzeit heute. Die Kleinstadt hat schon bessere Zeiten gesehen, wahrscheinlich zur Zeit des Deutsch-Elsass... 3 geschlossene Hotels; steige schliesslich im "France" ab, stolzer Preis - 59,- für ein Einzelzimmer einer Qualität die dem Namen nicht gerecht wird. Abendessen deshalb beim ehrlichen Dönermann schräg gegenüber... die Stadtbesichtigung wird wegen Regens nur sehr kurz. Aber das Fahrrad steht wie jede Nacht überdacht und abgeschlossen.

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=tdphvucvctphjkrf
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=fmedxuzdwpvbfswn



24.8.2010 Dritter Tag, Saarburg - Liffol-Le-Grand, 147,4km, 7:08h

Um 9:00 will ich los. Der Regen, der zum Frühstück nachgelassen hat, wird stärker sobald ich auf dem Rad sitze -- da halte ich erstmal unter einer kleinen Halle an. Von Gartenarbeitern angefeuert und bejohlt - da tritt man gleich stärker rein! - verlasse ich Saarebourg. An der ersten Steigung mit Regenjacke wird mir warm genug. Ich habe Probleme die Richtung zu finden und lande erstmal auf der Schnellstrasse.
Das für den Urlaub gekaufte französische Kartenprogramm Georando macht Mucken auf meinem PDA und will die GPS Schnittstelle nicht erkennen. Taugt bloss als Spielzeug! Auf dem Glopus, in Deutschland benutzt, habe ich nicht so genaue Frankreich-Karten - als Grafiken heruntergeladen vom französischen Server und einzeln per Hand kalibriert - die funktionieren aber. Im Normalfall habe ich keinen Aufwand mehr für Positions- und Wegbestimmung, was unnötige Halts auf ein absolutes Minimum beschränkt. Da das Akku meines PDA mit GPS-Betrieb nur rd. 5 Std. hält, habe ich ein Solarladegerät in der Kartentasche, das auch über eine Pufferbatterie verfügt, falls es mal stärker bewölkt ist. Den PDA habe ich in einer Plastiktasche direkt vor mir am Lenker, wie unten auf dem Bild zu sehen. (Damals eine Fujitsu-Siemens Look, mittlerweile durch ein HTC HD2 mit größerem Display ersetzt, der zugleich Telefon ist)



Die Strecke ist über Avricourt am Nordrand der Vogesen ist sehr hügelig, obwohl in der Nähe eine Bahnstrecke verläuft. Immerhin umgehe ich die verkehrsreiche N4. Die Landschaft ist schön, und trotz des beständigen Regens gefällt mir die Fahrt.
1:40, 38km, 10 Min Pause auf dem Dorfplatz von Leintrey. Ich wringe meine Socken aus, aber weil der Regen fortdauert mag ich nicht die trockenen anziehen. Meine Radschuhe sind nicht wasserdicht. Aber solange es nicht kalt wird ist es nicht zu unangenehm. Man ist ja in Bewegung....
Nach 2:40 Std. erreiche ich die Stadt Luneville und habe die deutsche Sprachgrenze nun hinter mir gelassen. Der Regen wird seltener; 58km, ich kaufe 1,5l Cola in einer Tankstelle. Die Cola bewährt sich nicht (zu süß).
Das Ständige Bergauf-Bergab der nicht der Geographie folgenden Strassen ist ermüdender als die Taldurchquerungen.
Sehr schöne Abfahrt ins Moseltal hinab nach Velle. Hübsche kleine Brücke. So langsam kommt wieder die Sonne heraus. Vor der nächsten Steigung wird die Regenjacke weggepackt.
Mehr als zuvor der Regen bremst mich nun der Westwind! Der 23er Schnitt verlangsamt sich immer mehr auf 21.
Vezelise: idyllisches Ortbild mit schöner alter Fachwerk-Markthalle im Zentrum. Ich mache 5 Min. Pause.
Die Orte liegen geschützt in den Senken; mit enormen kurzen Steigungen geht's auf die Höhen wo einem dann auf den waldentblössten Feldern der Wind entgegenbläst und man die Berggänge gleich drinlassen kann.
Als mein Wasser alle ist, finde ich glücklich mitten in der Abgeschiedenheit einen Brunnen in Battigny wo ich meine Flaschen auffüllen kann. Eine junge Frau schleift dort ein Fenster ab um es neu zu streichen. In den kleinen Dörfern durch die ich ständig fahre in meinem Bestreben die verkehrsreichen Hauptstraßen soweit wie möglich zu meiden, gibt es keine Infrastruktur mehr, die Läden stehen leer, oft über 10km oder mehr! Fast nie gibt es einen Laden oder Tankstelle, bestensfalls eine Auto- oder Landmaschinenwerkstatt. Leute ohne Auto haben es hier auf dem Land sicher noch schwerer als in Deutschland. Sehr viele Häuser stehen auch leer oder sind zu verkaufen -- ob uns das in Zukunft in Deutschland auch blüht?? In Favieres an einem großen Waldgebiet ein riesiges ehemaliges Sägewerk; jetzt geschlossen und leerstehend.
Nach 6:10 Std. Pause auf einer Wiese in der Sonne zwischen Saulxerotte und Autreville, sehr schöne kleine Waldstrasse; 112km, für 45 Min. Meine Füsse sind kalt in den feuchten Socken. Ich trockne sie ein bisschen und fahre dann ohne weiter.



Die D674 ist auch so eine mit dem Lineal in die Landschaft gezogene Napoleonische Chaussee. Offenbar war zur Zeit des Baüs nur das schnelle Marschieren von Fusstruppen wichtig, und Zugkräfte nicht knapp. Die seinerzeit modernste Artillerie der Welt schien leichte Kanonen zu haben. Oder die Pferdebesitzer in den Dörfern verdienten gut mit Vorspanndiensten.
Beim zweiten irrwitzigen Anstieg der D674 schiebe ich ein paar hundert Meter. Mein rechtes Knie tut mir bereits weh genug!
Ein Riesenverkehr gibt es in Neufchateau, das ich um 17:30 nach 135km erreiche und auf kürzestem Weg wieder verlasse. Ich will noch etwas weiter, etwa bis zur Halbzeit der Gesamtstrecke. Nächster Marktflecken ist Liffol le Grand. Ob es da ein Hotel gibt??
Sehr schöner Abstecher nach Mont-les-Neufchateau und Freville, kleines Strässchen und schmucke Dörfchen am Windschatten spendenden Bergrand. Ich genieße entspannt die Abendsonne und die schöne Fahrt. Auch der Wind hat nachgelassen, da fühle ich mich gleich viel frischer...
In Liffol le Grand habe ich tatsächlich Glück und finde um 18:10 ein Hotel mit sehr gepflegten Zimmern für 46,50 inkl. Frühstück. 148km betrug die Tagesstrecke - weniger als gestern, aber gemäß Karte liegt jetzt die bergigste Tagesstrecke der Tour hinter mir! In dem Hotel esse ich auch zu Abend - es gibt sonst kein Restaurant - und mache noch einen Dorfrundgang. Hübsche alte Häuser, einige von ihnen sehr klein. Zum ersten Mal auf der Tour scheint am Abend noch die Sonne. Und auf der Treppe beim Weg ins Zimmer hoch spüre ich zum ersten Mal die Steilanstiege des Tages im rechten Knie...

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25.08.2010 Vierter Tag, Liffol-le-Grand – Noyers, 158,75km, 6:32h

Heute morgen Sonne. Das Frühstück könnte etwas reichlicher sein! Start ist um 8:35, etwas frisch noch, aber ich fahre mich schnell warm.
Das Gepäck fühle ich kaum noch. Die Lenkertasche ist prall gefüllt: Werkzeug für alle Fälle, ein Ersatzschlauch, Flickzeug, Gewebeklebeband (das gute aus der Apotheke), ein kleines Taschenmesser mit Korkenzieher, leichte Pumpe, ein Kombiwerkzeug, 13, 14 und 15 Konusschlüssel einzeln, falls an Schaltung oder Naben etwas einzustellen ist, dazu ein Kettentrenner und ein Zahnkranzabzieher für den seltenen Sachs-Maillard- 5-fach Kranz.



Ausserdem hab ich vorne die Cameratasche (Sony Nex mit 4 Schraubobjektiven mit Leicagewinde von 15-75mm).
In der Kartentasche ein Solarladegerät mit Akku. Sprachführer, Ausweis, 3(!) Netzteile und Mobiltelefon. Regenjacke.
In der Hecktasche, an der Sattelstütze befestigt noch zwei kleine Schraubenzieher, etwas Marschverpflegung, zweites Trikot (ohne ärmel), zweites Paar Handschuhe (klassisch gehäkelt, ich fahre trotzdem die moderneren Gelpad-Handschuhe lieber; meine Finger werden nicht so taub), lange Hose, Poloshirt, zweites Paar Socken und meine "zivilen" Schuhe (=Strandsandalen).
Die Sattelstützentasche hat noch einen Querriemen zum Sattel hin, weil ich der Einpunkt-Befestigung nicht so recht traue. Aber ich kann nichts negatives über die Tasche sagen: sie hat sich bewährt und ich werde sie wieder verwenden!

Die Chaussee ist jetzt fast flach, im Nu bin ich in Rimaucort. Ein altes Schloss, aber ein Hotel sehe ich auf Anhieb nicht - gut dass ich gestern abend nicht mehr weiter gefahren bin. Rein rechnerisch hatte ich hier eine Übernachtung vorgeplant! In Andelot-Blacheville verlasse ich die Chaussee um Chaumont westlich zu umgehen.
Etwas hügelig ist die kleine Strasse bis Bologne, dann eine schöne verkehrsarme Allee durch platte Felder. Bei Villiers-le-Sec treffe ich wieder auf die D65. Viel Verkehr, aber die Franzosen fahren bei Radfahrern fast alle rücksichtsvoll. Wie in Deutschland ist man in erster Linie durch engauffahrende Kolonnenfahrer gefährdet, die damit ihre Sicht auf den rechten Fahrbahnrand verhindern. Aber die Franzosen als geborene Individualisten neigen dazu kaum und fahren lieber jeder für sich, wie das ja auch vernünftiger ist.
Kaum hügelige Landschaft, man kann zügig fahren. Rechterhand kleine bewaldete Berge die etwas den Wind abhalten. So geht das über unzählige Kilometer. In Chateauvillain, dem nächsten Marktflecken, kaufe ich nach rund 65km Fahrt1,5l Orangensaft und einen Trinkjoghurt.



Dann folgen 11km neue, grobe, ungewalzte Ashaltdecke die sich übel fährt wie der Grobschotter des Seitenstreifens nebenan. In Schotter wird sich die Fahrbahndecke auch zurück verwandeln nach dem ersten Frostwinter. Anstatt 28-30 kmh nur noch 19-20, das ruiniert meinen bisherigen 27er Schnitt. Unglaublich laut laufen die Reifen der Autos und LKWs auf dieser. Ich juble als an der Departmentsgrenze der alte, schön glatte Flicken-Asphalt wieder auftaucht. Und auch mein Gehör kann sich erholen, das Rad läuft wieder leiser.
Der Verkehr ist nun deutlich dünner, hauptsächlich sind Wohnmobile und LKWs unterwegs. Eine Art Strasse der man mit Auto und Motorrad gern über viele 100km folgt, und wo man in Frankreich auch wirklich Strecke machen kann. Mit dem Rad nur wenn sich keine Alternative anbietet, denn sie wirkt schnell eintönig.
In der Kleinstadt Chatillon-sur-Seine, 102km, mache ich Pause auf einer schattigen Bank im Schlosspark. Leider habe ich Durchfall vom frischen Orangensaft, aber ein Klohäuschen ist nahbei. In einem Supermarkt werden Zitronenlimo und gesalzene Nüsse besorgt und ein Teil gleich aufgefuttert. Noyers sieht auf einmal gar nicht mehr weit aus - von dort sind es nur noch 280km bis Blois; d.h. Ich ware auf der sicheren Seite wenn ich's heute bis dahin schaffen kann. Aber es liegt in den Hügeln, und erstmal muss ich's bis Ravieres schaffen...
Ich wechsle von der Auxerrer auf die Djiorner Chaussee - ziemlich holprig! - aber in Ampily-le-Sec verlasse ich den in den letzten zwei Tagen für 200km verfolgten Strassenzug endgültig. Letztlich war er angenehm zu fahren: flacher, verkehrsärmer und windstiller als während meiner Planung befürchtet. Es geht nun deutlich weniger steil weiter, als nach der Karte zu befürchten war. Die Hochebene ist flach wie eine Hand. Sehr kleine, weitverstreute Bauerndörfer. Hier viel grössere, besser gebaute Gehöfte als gestern gesehen, meistens sehr gepflegt, einige aber auch leerstehend, verfallen oder zu verkaufen/a vendre. Getreide- und Schafswirtschaft, soweit man das sehen kann. An manchen Stellen wirkt die Landschaft fast parkartig. Viel Wald. Die Landstrasse ist eigentlich ein besserer Feldweg fast ganz ohne Verkehr.
Das PHILIPPE läuft auf diesen, durch geringen Unterbau oft sehr welligen Strassen wunderbar elastisch, komfortabel und vermittelt auch bei Abfahrten, wie bei Nesle-et-Masult oder Verdonnet trotz nicht unerheblicher toter Gepäcklast, für das es mit 1730g Rahmengewicht nicht gebaut ist, ein sehr sicheres Fahrgefühl. Damit macht das Gasgeben richtig Spass... man spürt deutlich dass sein Erbauer es genau für diese Art Strassen vorgesehen hat!



Auch die Sonne hat sich wieder durchgesetzt und der jetzt mehr aus Süd wehende Wind stört weniger. Ich lege also wieder an Tempo zu und bin schneller und leichter als erwartet im Tal des idyllischen Ravieres, 135km. Nach einer Pause geht's an die letzte Etappe.
Die Beine machen noch jede Steigung mit, nur der Puls will kaum noch über 150 klettern, stärkere Anstrengung ist ausgeschlossen. Aber besser als dasselbe Tempo mit 180 zu fahren... In einem waldigen Talstück mit unklarem Bachverlauf brauche ich eine ganze Weile um zu bemerken dass ich bergauf fahre, weil kein Wind mich bremst; vorher glaubte ich mit 24 kmh leicht bergab zu fahren. Richtig fies sind noch zwei Steilstücke bei Pasily und Censy - bei zweiten steige ich für 100m gnadenlos ab... das brauch ich heute nicht mehr!
Dann kommt die Abfahrt nach Noyers - spitzenmässig, ich fliege dahin! Schon um 17:15 erreiche ich den fast noch mittelalterlichen Ort. Da habe ich genug Zeit mir ein Zimmer zu suchen. Schliesslich komme ich in einem sehr familiären Hotel mit nur 5 Zimmern unter. Das Zimmer für 50 € mit Frühstück hat nicht nur Badewanne, sogar altes Steinpflaster als Boden. Das kenne ich sonst nur aus Museumsdöfern... was Noyers aber auch ist. Äußerst sehenswert!
Die Wirtin ist eine alte holländische Dame die außer französisich auch englisch und ein bißchen deutsch spricht. Ihr Freund im gleichen Alter ist eine Art neuseeländischer Kolonialoffizier. Im Winter verlassen sie das unbeheizbare alte Haus und ziehen auf ihre Farm in Indien...
Ich bin froh dass ich's heute bis hierhin geschafft habe denn so hatte ich's für den 4. Abend auch ursprünglich geplant gehabt, und somit meinen Rückstand aus den ersten zwei Tagen gutgemacht. Ich esse noch für ca. 20 € zu Abend und mache meinen obligatorischen Stadtbummel...

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26.08.2010 Fünfter Tag, Noyers-Gien, 156,2km, 6:34h


Gleich vom Start weg, um 9:15, geht es hoch, Richtung Nitry. Keine Knieschmerzen, aber ich merke die lange Strecke, die Muskeln sind müde. Puls geht heute nicht mehr über 164, und 155 fühlen sich an wie 170 zuhause. Die französischen Mahlzeiten sind nicht so reichlich, und bis auf einen Trinkjoghurt bei km 65 und einen Schokoriegel habe ich unterwegs gestern nichts gegessen. Dazu meine Zitronenlimo wenn ich welche bekomme.
Das Frühstück ist heute etwas reichlicher als gestern. Am Tisch hatte ich noch nette Konversation mit einem jungen britisch-französischen Pärchen und der holländischen Wirtin mit ihrem Freund aus Neuseeland. Jetzt kämpfe ich wieder allein gegen Berge, Sonne und Wind. Ich wollte es ja nicht anders. Aber erstmals scheint das Ziel in greifbarer Nähe.
In Vermenton fehlen noch 260 der 900 km - ich rufe zuhause an und kündige meine Ankunft in Blois, Philippe Fahrradmanufaktur, für morgen 17:00 an. Andrea ist schon am Packen. In Accolay bei einem kleinen Laden 3 kleine Dosen Limo und eine Kiwi.



Das nächste schöne Stück ist das Yonne-Tal wo ich sogar Radler sehe. Ein Stück fahre ich neben dem Canal de Nivemais, voller Touristenboote. Der asphaltierte Begleitweg ist aber nur stellenweise asphaltiert und somit wenig fernfahrtgeeignet.
Leider lasse ich mich vom flach aussehenden Gelände verleiten von Surgy nach Oisy abzukürzen und Clamency auszulassen. Das ist die schönere Strecke, aber recht hügelig, und so wird mitten in der Pampa meine zweite Trinkflasche leer... Wie vorgestern Mittag rettet mich ein Dorfbrunnen. Eau non potible, aber geschmacklich ansprechend. So fährt es sich besser nach Etrains-sur-Norhain.
Mit der D597- Chaussee bin ich soweit zufrieden dass ich beschliesse auf ihr den kürzesten Weg über Bouhy nach St.Amand-en-Puisaye zu fahren, obwohl dieser mit Sicherheit steiler ist. Auf den Alternativstrecken rechne ich aber mit verlorenen Höhen weil die Strassen auf der Karte etwas schnörkelig aussehen.
Und so quäle ich mich in der glühenden Sonne die kerzengerade Chaussee entlang, nur überholt von ein paar Schwer-LKWs. Die letzte Steigung hinauf zum Kirchturm von Bouhy sieht man kilometerweit vorher. Ich sagte ja schon, die Armee Napoleons hatte genug Zugpferde. Und die Landbevölkerung war sicher über jede gute neue Strasse froh, auch wenn man die Wagen nur noch halb volladen durfte. Aber ich habe ja auch keine grossen Taschen mit... überraschend für mich ist Bouhy wirklich der höchste Punkt - mit schönem Panorama... Danach geht es bergab, und wie!!
Das Rad rauscht nur so dahin, mit 55 hinab nach Dampierre und weiter mit 30-35 dem Loiretal, Neuvy, entgegen. Dazwischen, bei Les Forges nochmal eine Rast vor der glühenden Sonne. Ich vertilge den letzten einepackten Schokoriegel.



Zügig geht's weiter nach Bonny, 128 km, wo ich den ersten Supermarkt nach einhundertundfünfzig Kilometern finde.
An einer Wiese direkt am Loire-Radweg mit einigen Anglern fresse und trinke ich bis der Magen randvoll ist. Zum Glück kann ich es jetzt rollen lassen...
Auch der Loiretal Radweg ist keine durchgängige Einrichtung und ich muss bald wieder auf die N7, kann mich aber jetzt, zum ersten Mal vom leichten Südwind schieben lassen. Briare ist ein idyllisches, sehr belebtes Städtchen mit schöner Kathedrale, Jachthafen und altem Schloss. Ich will aber noch weiter nach Gien. Dort ist besonders die gewaltige Loirebrücke sehenswert. Ich muss über diese per Rad und finde um 18:15 im Südteil der Stadt ein einfaches Hotel das meinem bisherigen Preisniveau entspricht. Ich mache meine abendliche Stadttour, esse beim Italiener und finde Muscheln am Loirestrand.

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27.08.2010 Sechster Tag, Gien-Blois (Ziel), 144km, 6:20h

Um 9:05 geht's los, das Wetter ist regnerisch. Gleich zu Anfang muss ich einen üblen Schauer in einem Bushäuschen abwarten. Dann geht's auf in der Sonne trocknenden Nebenstrassen nach Lion-en-Sulias und von dort auf dem Loire-Deich und Radweg. Der landschaftlich schöne Weg durch die Flussauen führt an einem Kraftwerk vorbei nach Sully-sur-Loire (bekanntes Schloss). Viele Wohnmobilisten parken hier.
Wieder nördlich der Loire ist der Radweg unasphaltiert und schlecht beschildert, teils auch über Nebenstrassen geführt.
Von Chateauneuf nach St.Denis-de-l'-Hotel Hauptstrasse; dort wieder auf die Südseite der Loire gewechselt; und von da pwieder guter Radweg bis Orleans. In der Südstadt fängt es wieder an zu regnen; ich stelle mich nur kurz unter, dann scheint wieder die Sonne. Kurze Besichtigungstour in die Altstadt und zur Kathedrale (viel Baustellen). Bis St. Hilaire Stadtstrasse, dann wieder ein Stück Deich-Radweg. Leider regnet es jetzt länger, und ich habe heute schon zuviel Regenpausen gemacht und damit meinen Schnitt ruiniert. Zwischen 17 und 18 Uhr wollte ich in Blois ankommen.



Der Loire-Radweg ist bloss Stückwerk; immer wieder muss man auf stark befahrene Strassen ausweichen; so zur Brücke nach Meung und Beaugency.
Bei starkem Regen habe ich nach einem Stück Grobschotterweg zwischen ein paar Gehöften die einzige Reifenpanne der Fahrt. Ich wechsle den Schlauch, finde aber keine Beschädigung im Mantel (später im trocknen, beim Flicken des Schlauchs ein winziges Loch). Irgendwie scheine ich all meine (seltenen!) Reifenpannen bei Regen zu haben: Nässe und Gummi, das passt anscheinend irgendwie schlecht...
Ich bin es satt und fahre bei strömendem Regen Strasse weiter, verschmähe auch den holprigen Radrandstreifen. Bei St. Laurent-Nouan mache ich, 20km vor dem Ziel mache ich meine letzte Regenrast, wringe die nassen Socken aus und esse ein paar Nüsse. Dann hört der Regen für eine Stunde auf, und ich folge ein paar Radfahrern die den Loire-Radweg kennen (nur nach den Schildern allein kann man ihm kaum folgen).
Trotzdem komme ich bei Muides ab, als ich sie überhole, und versaue auf einem aufgeweichtem Sandweg Hose, Trikot und das ganze Rad. Grrr, kurz vor dem Ziel! 5km vor Blois hört der Asphalt auf dem Deichweg ganz auf, und man kommt wegen tiefer Gräben auch nicht auf die Hauptstrasse zurück.
Kurz vor Blois sieht man alte Brückenpfeiler einer vermutlich im Krieg zerstörten grösseren Eisenbahnbrücke.
Der tolle Radweg will mich über die neue Schnellstrasse in die Nordstadt schicken, aber natürlich nehme ich die historische Loire-Brücke und durchfahre die belebte Altstadt. Dann hinauf in die Nordstadt zum Philippe-Werk (Gewerbegebiet). Um 17:30 nach 150km Tagesstrecke komme ich an. Ein freundlicher flacher Backsteinbau aus den Achtzigern mit großem Parkplatz davor.

Zwei Verkäufer dort sind sehr freundlich und trotz fehlender Englischkenntnisse - zum Glück trifft gerade meine Frau ein um mich abzuholen und kann übersetzen - interessiert an meinem Rad, machen aber keine Anstalten den Patron anzurufen der, wie sie sagen, für die Technik aus der Zeit seines Seniors kein besonderes Interesse hat... Die ganz alten Räder seien alle verschrottet worden, die Unterlagen vernichtet und meins eins der ältesten, vielleicht das älteste erhaltene der Marke. Die im Laden zum Verkauf stehenden sind selbstverständlich aus Carbon, noch ein bisschen leichter als mein 35 Jahre altes Stahlrad, und kosten 2.500 € und mehr.
Im Nachgang denke ich, so ein Umgang mit der eigenen Historie kann sich ein Hersteller hochwertiger Produkte eigentlich nicht leisten. Aber wer kennt Philippe schon international, z.B. In Deutschland? Andererseits: wenn man so auf Marketing verzichtet und die Räder nur im eigenen Land verkauft darf die Qualität wohl nicht schlecht sein, sonst wäre die Marke längst verschwunden. Es tut mir nur leid dass mein armes Rad nun total verdreckt ist von der Regenfahrt und dem schlechtem Loire-Radweg. Die Verkäufer grinsen nur - sie scheinen das zu kennen! Schon wieder geht ein Schauer hernieder. Dafür ist mein Trikot auf dem Abschieds-Tourfoto neu und sauber..



Einer der Angestellten zeigt mir seinen eigenen, gold lackierten Stahlrahmen aus Columbus SLX Rohr, einige Jahre nach meinem Renner gebaut, hochwertig verarbeitet mit Umwerfer-Anlötöse und Campagnolo-Ausfallenden. Die Muffen sind ähnlich aber nicht ganz identisch. Auf den ersten Blick fällt der neuere, gerade Schriftzug auf. Dieser Rahmen sei umgelabelt auch in Deutschland verkauft worden. Columbus SLX ist ja ein sehr guter Rohrsatz, aber im Detail ist mein Rahmen doch hochwertiger verarbeitet, und wohl auch 2-300g leichter. Der Verkäufer gibt mir noch zwei Steuerkopf-Batches aus dieser Zeit mit, glaubt aber auch dass mein Rad original keins hatte.



So endet der Regentag, und meine Fahrt nach 920km in fünfeinhalb Tagen. Töchterchen ist froh Papa gesund wieder zu haben, wir finden ein kleines charmantes Hotel nahe dem Schloss, gehen in der Altstadt gemütlich abendessen, und hören noch bei einem Strassen- Blueskonzert zu, wo man richtig auf der Strasse tanzen kann. Am nächsten Tag fahren wir weiter zu Ferien ans Meer --- wo ich das Phillipe gleich am ersten Tag gründlich reinige und unbeschwert vom Fernreisegepäck ein paar schöne Fahrten (etwa 350-400km) durch die Bretagne mache...

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=meguabssnbbafyzc

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