Die Frankreichfahrt mit dem PHILIPPE...
Zu Beginn meines Urlaubs im August 2010 fuhr ich mit dem
PHILIPPE nach längerdauernder Planung an die Loire nach Blois,
zum Ort seiner Herstellung:
920km in 6 Tagen.
Anbei das Reisetagebuch, abends nach den Etappen in den
Hotelzimmern in mein GPS-PDA getippt.
Kann man eine solche Tour mit einem "echten Rennrad" fahren?
Braucht man dazu nicht ein spezialisiertes Fernreiserad?
Aber nein!
Der Vollblutrenner wurde mit einer 9l Sattelstützen- und
Lenkertasche in eine
Randonneuse
verwandelt; der Anbau eines Gepäckträgers hingegen erschien
mir bei einem Rad dieser leichten Klasse unpassend. Stabil genug
wäre er sicher, aber ein
Vollblutrenner
ist nun mal kein Lastesel. Damit war der
Rahmen gesetzt:
Kein Zelt, kein Schlafsack, kein Kocher. Es war eine, meinem
gesetzteren Alter entsprechend,
Creditkarten-, nicht Camping-Randonnée...
22.8.2010 Erster Tag, Heftrich-Germersheim, 143 km, 6:12h
Um 11.30 am Alteburger Markt gestartet. Sonnenschein, bestes
Fahrtwetter. Aber ich bin nicht fit (Husten). So beschliesse ich
am Vortag die erste Etappe “leicht” anzugehen und erst mittags
loszufahren. Das ist besser als noch einen Tag zu warten. Das
Wetter kann bloss schlechter werden.
33er Schnitt bis zur Mainbrücke Rüsselsheim (28km). Ab Trebur
(38km) Gegenwind, Puls 160 und starke Sonne. Auf die linke
Rheinseite wo ich nun bis Frankreich bleiben will, mit der Fähre
Kornsand, die voll mit Tagestouristen ist (48km). Zunächst fahre
ich an der B9 weiter. 2 Std.
Mühevolle Fahrt bis Worms (78km), Puls bis 170, kein Wasser mehr
(keine Tankstellen auf der Parallelstrasse zur B9; ich hätte mich
in Oppenheim neu eindecken sollen). Pause am Rhein 5 Min. im
Schatten (enorme Hitze auf dem schattenlosen Rheindamm). In
Ludwigshafen endlich eine Tankstelle um etwas zu trinken zu
kaufen. Gute Strecke durch Ludwigshafen (100km), dann auf der
Strasse weiter bis Speyer, 5 Std. (122km)
Pause vor dem Dom (Touristischer Hinweis: Norditalien beginnt in
Speyer!). Ich esse endlich mein eingepacktes Brötchen, vorher war
mein Puls zu hoch um etwas zu essen. Erste Gewitterböhen ziehen
auf, der Himmel ist fast schwarz, aber es bleibt fast ganz
trocken.
Der Gegenwind wird endlich weniger; ich erreiche wieder mein
Marschtempo von 26 kmh.
Bis Germersheim wieder gute Strecke. Ich überlege kurz noch bis
Wörth weiterzufahren, aber das sind noch fast 30km und ich
bezweifle hier ein Hotel zu finden. Hier in Germersheim finde ich
aber eins, nach einigem Herumfahren um 18:30, 143km, Zur Post. 43€
mit Frühstück, bescheiden und akzeptabel in der Qualität.
Abends noch ein kleiner Stadtrundgang, was ich zur Lockerung der
Muskulatur sehr empfehle, und nach jeder Tagestour auch gemacht
habe... Natürlich nach der obligatorischen heissen Dusche oder dem
Bad (je nachdem, was das Hotelzimmer hergibt): Hier in Germersheim
gibt es eine alte, wirklich sehenswerten Festungsanlage aus dem
18. Jahrhundert (Franzosenkriege) zu sehen. Außerdem gehe ich
mexikanisch essen. Nix tut mehr weh, alles ist fit für morgen.
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=evsqedzxwdncclbe
23.8.2010 Zweiter Tag, Germersheim-Saarburg, 170,2km ,7:55h
Aufbruch um 9:00. Der Alubügel der Karrimortasche bricht beim
Packen! Altersermüdung? Oder doch zu schwer bepackt? Ich lasse mir
die Ortlieb-Lenkertasche auf die Strecke von meiner Frau
vorbringen... bis Münchhausen, 51,2 km, hält sie mit nur 1 Bügel.
Die Ortlieb Tasche kann ich eigentlich gut leiden; was mich an ihr
massiv stört ist der Plasteträger am Lenker. Ich misstraue auch
seiner Stabilität, aber er wird halten bis zum Ziel. Die
Ortlieb-Tasche ist allerdings auch nicht unwesentlich kleiner.
Viele jüngeren Radfahrer tragen Rucksäcke auf so einer Tour; diese
Tortour möchte ich meinem Rücken nicht zumuten. Aber natürlich
wird das Fahrverhalten des Rads mit einer schweren Lenkertasche
etwas träger...
Nach 1\2 Std. regnet es, ich halte 15 Min an einem
Deichwachthäuschen. Sehr einsame Strecke, niemand kommt vorbei.
Heute ist mein Puls passend zum Fahrttempo und der nur mässigen
Anstrengung, 130-140, bei kühlendem Nieselregen nur 120. Um 11:00
wieder Sonne und scharfer Gegenwind. Das Tempo fällt von 28 auf 24
kmh.
Schöne Altrheinarme, herrliche grüne Natur. Hier muss ich nochmal
mit Frau und Tochter hin, und zusammen Fahrrad fahren.
Um 11:45 in Münchhausen Lenkertasche gewechselt, umgepackt und
dadurch bedingt 3\4 Std. Pause. Meine Sandalen habe ich jetzt
außen auf der Sattelstützentasche, das sieht etwas apart aus, aber
dafür wird der Tascheninhalt (Hose, T-Shirt und Ersatztrikot)
nicht schmutzig.
Dann geht es auf dem französischen Rheindamm weiter.
Fort-Louis heute rechts liegengelassen; vor 2 Jahren schon besucht
– sonst einen Abstecher wert!
Nun läuft der Rheinradweg
hinter
dem Hauptdeich – der Fluss ist höhergelegt - dadurch fehlt
die Aussicht und die Strecke wird etwas monoton. Aber gut zum
gemütlichen Nachdenken, ein Hauptgrund warum man ja radfährt, und
zum Einfahren für eine 900km-Tour. Bei Offenheim 800m Kiesweg- der
Weg endet in der Kiesgrube!
Kiesgruben gibt es hier überhaupt viele, auch mit kleinen Häfen
und Schiffsanlegestellen. Der Radweg geht teils mittendurch; man
muss schon wissen wo's langgeht. Ansonsten nahezu
nur Fahrradverkehr,
bis auf die unvermeidlichen Angler:
Nicht mehr als 16 km lege ich heute auf
Strasse zurück, und dies auf dem schlechtesten
Asphalt des Tages; ansonsten ist der Rheindammweg im besten
Zustand. Von Gambsheim (91km), wo ich den Rheinradweg verlasse,
nach Brumath (110 km) führt diese Straße. Am Strassenrand ein
Gebotsschild für
Autofahrer, Radler mit 1,50m Mindestabstand zu überholen (so
sollte man das ja eigentlich überall machen!)
In Brumath (Marktflecken) Wasser gekauft und 10 Min. Stop vor dem
Laden.
Ab Krautweiler (113km) geht es am
Rhein-Marne-Kanal weiter.
Links davon ist der Radweg aus gutem Asphalt, über die gesamte
Kanalstrecke. Es gibt fast 50 Schleusen, mit jeder steigt auch der
Radweg um 3-4 Meter. Keine Industrie am Kanal, der Mitte des 19.
Jahrhunderts gebaut wurde, also noch vor der Zeit als das Elsass
(1871-1918) deutsch war. Motorjachten und Frachtkähne, so klein
dass ich mich wundere dass Frachtschiffe dieser Größe noch
rentabel zu sein scheinen, sind unterwegs. Sehr idyllisch.
Um 18:15 erreiche ich
Zabern
(Saverne) (137km). Die Beine fühlen sich noch gut an; ob es noch
bis Saarburg reicht?
Es folgt das schönste Stück des Kanals, das auch ohne Karte
problemlos zu finden ist - zweckmässige Ausschilderung und
Bodenpfeile. Auf der Scheitelstrecke rd. 10 ausgelassene
Schleusen, hier jetzt alle 200m. Muss das früher eine Mühe gewesen
sein für die Schiffahrt... Mit dem Rad spüre ich fast keine
Steigung. Der neue Kanal macht jetzt einen Umweg. Bei Arzweiler
Kanaltunnel und Passhöhe Richtung Saarburg; nun ist auch für den
Radler die Steigung spürbar. Bergab verdirbt mir leider schlechter
Asphalt die schon ersehnte Abfahrt, ich muss einbremsen. In
schöner Landschaft fahre ich an einer bauernhofartigen Gite mit
Restaurant vorüber (zwischen Arzviller und Niderviller) weil ich
unbedingt in die “Stadt” Saarburg weiterfahren möchte --
grober Fehler! Nie an einem
gut aussehenden Quartier weiterfahren weil man noch "ein bisschen"
weiterwill... man findet sicher in nächster Zeit nichts besseres,
muss Umwege fahren und verliert die Zeit die man eigentlich
einsparen wollte.
Mainz 191km, das ist doch mal
eine Ansage!
Am Ortseingang von Saarburg, grosse ehemalig preussische Kasernen.
170km und 10:00
Bruttofahrtzeit heute. Die Kleinstadt hat schon bessere Zeiten
gesehen, wahrscheinlich zur Zeit des Deutsch-Elsass... 3
geschlossene Hotels; steige schliesslich im "France" ab, stolzer
Preis - 59,- für ein Einzelzimmer einer Qualität die dem Namen
nicht gerecht wird. Abendessen deshalb beim ehrlichen Dönermann
schräg gegenüber... die Stadtbesichtigung wird wegen Regens nur
sehr kurz. Aber das Fahrrad steht wie jede Nacht überdacht und
abgeschlossen.
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=tdphvucvctphjkrf
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=fmedxuzdwpvbfswn
24.8.2010 Dritter Tag, Saarburg - Liffol-Le-Grand, 147,4km,
7:08h
Um 9:00 will ich los. Der Regen, der zum Frühstück nachgelassen
hat, wird stärker sobald ich auf dem Rad sitze -- da halte ich
erstmal unter einer kleinen Halle an. Von Gartenarbeitern
angefeuert und bejohlt - da tritt man gleich stärker rein! -
verlasse ich Saarebourg. An der ersten Steigung mit Regenjacke
wird mir warm genug. Ich habe Probleme die Richtung zu finden und
lande erstmal auf der Schnellstrasse.
Das für den Urlaub gekaufte französische Kartenprogramm Georando
macht Mucken auf meinem PDA und will die GPS Schnittstelle nicht
erkennen. Taugt bloss als Spielzeug! Auf dem Glopus, in
Deutschland benutzt, habe ich nicht so genaue Frankreich-Karten -
als Grafiken heruntergeladen vom französischen Server und einzeln
per Hand kalibriert - die funktionieren aber. Im Normalfall habe
ich keinen Aufwand mehr für Positions- und Wegbestimmung, was
unnötige Halts auf ein absolutes Minimum beschränkt. Da das Akku
meines PDA mit GPS-Betrieb nur rd. 5 Std. hält, habe ich ein
Solarladegerät in der Kartentasche, das auch über eine
Pufferbatterie verfügt, falls es mal stärker bewölkt ist. Den PDA
habe ich in einer Plastiktasche direkt vor mir am Lenker, wie
unten auf dem Bild zu sehen.
(Damals eine Fujitsu-Siemens Look, mittlerweile durch ein HTC
HD2 mit größerem Display ersetzt, der zugleich Telefon ist)
Die Strecke ist über Avricourt am Nordrand der Vogesen ist sehr
hügelig, obwohl in der Nähe eine Bahnstrecke verläuft. Immerhin
umgehe ich die verkehrsreiche N4. Die Landschaft ist schön, und
trotz des beständigen Regens gefällt mir die Fahrt.
1:40, 38km, 10 Min Pause auf dem Dorfplatz von Leintrey. Ich
wringe meine Socken aus, aber weil der Regen fortdauert mag ich
nicht die trockenen anziehen. Meine Radschuhe sind nicht
wasserdicht. Aber solange es nicht kalt wird ist es nicht zu
unangenehm. Man ist ja in Bewegung....
Nach 2:40 Std. erreiche ich die Stadt
Luneville und habe die deutsche Sprachgrenze nun
hinter mir gelassen. Der Regen wird seltener; 58km, ich kaufe 1,5l
Cola in einer Tankstelle. Die Cola bewährt sich nicht (zu süß).
Das Ständige Bergauf-Bergab der nicht der Geographie folgenden
Strassen ist ermüdender als die Taldurchquerungen.
Sehr schöne Abfahrt ins Moseltal hinab nach Velle. Hübsche kleine
Brücke. So langsam kommt wieder die Sonne heraus. Vor der nächsten
Steigung wird die Regenjacke weggepackt.
Mehr als zuvor der Regen bremst mich nun der Westwind! Der
23er Schnitt verlangsamt
sich immer mehr auf
21.
Vezelise: idyllisches Ortbild mit schöner alter
Fachwerk-Markthalle im Zentrum. Ich mache 5 Min. Pause.
Die Orte liegen geschützt in den Senken; mit enormen kurzen
Steigungen geht's auf die Höhen wo einem dann auf den
waldentblössten Feldern der Wind entgegenbläst und man die
Berggänge gleich drinlassen kann.
Als mein Wasser alle ist, finde ich glücklich mitten in der
Abgeschiedenheit einen
Brunnen in
Battigny
wo
ich
meine
Flaschen
auffüllen
kann. Eine junge Frau schleift dort ein Fenster ab um es neu zu
streichen. In den kleinen Dörfern durch die ich ständig fahre in
meinem Bestreben die verkehrsreichen Hauptstraßen soweit wie
möglich zu meiden, gibt es keine Infrastruktur mehr, die Läden
stehen leer, oft über 10km oder mehr! Fast nie gibt es einen Laden
oder Tankstelle, bestensfalls eine Auto- oder
Landmaschinenwerkstatt. Leute ohne Auto haben es hier auf dem Land
sicher noch schwerer als in Deutschland. Sehr viele Häuser stehen
auch leer oder sind zu verkaufen -- ob uns das in Zukunft in
Deutschland auch blüht?? In Favieres an einem großen Waldgebiet
ein riesiges ehemaliges Sägewerk; jetzt geschlossen und
leerstehend.
Nach 6:10 Std. Pause auf einer Wiese in der Sonne zwischen
Saulxerotte und Autreville, sehr schöne kleine Waldstrasse; 112km,
für 45 Min. Meine Füsse sind kalt in den feuchten Socken. Ich
trockne sie ein bisschen und fahre dann ohne weiter.
Die D674 ist auch so eine mit dem Lineal in die Landschaft
gezogene Napoleonische Chaussee. Offenbar war zur Zeit des Baüs
nur das schnelle Marschieren von Fusstruppen wichtig, und
Zugkräfte nicht knapp. Die seinerzeit modernste Artillerie der
Welt schien leichte Kanonen zu haben. Oder die Pferdebesitzer in
den Dörfern verdienten gut mit Vorspanndiensten.
Beim zweiten irrwitzigen Anstieg der D674 schiebe ich ein paar
hundert Meter. Mein rechtes Knie tut mir bereits weh genug!
Ein Riesenverkehr gibt es in
Neufchateau,
das ich um 17:30 nach 135km erreiche und auf kürzestem Weg wieder
verlasse. Ich will noch etwas weiter, etwa bis zur Halbzeit der
Gesamtstrecke. Nächster Marktflecken ist Liffol le Grand. Ob es da
ein Hotel gibt??
Sehr schöner Abstecher nach Mont-les-Neufchateau und Freville,
kleines Strässchen und schmucke Dörfchen am Windschatten
spendenden Bergrand. Ich genieße entspannt die Abendsonne und die
schöne Fahrt. Auch der Wind hat nachgelassen, da fühle ich mich
gleich viel frischer...
In Liffol le Grand habe ich tatsächlich Glück und finde um 18:10
ein Hotel mit sehr gepflegten Zimmern für 46,50 inkl. Frühstück.
148km betrug die Tagesstrecke - weniger als gestern, aber gemäß
Karte liegt jetzt die bergigste Tagesstrecke der Tour hinter mir!
In dem Hotel esse ich auch zu Abend - es gibt sonst kein
Restaurant - und mache noch einen Dorfrundgang. Hübsche alte
Häuser, einige von ihnen sehr klein. Zum ersten Mal auf der Tour
scheint am Abend noch die Sonne. Und auf der Treppe beim Weg ins
Zimmer hoch spüre ich zum ersten Mal die Steilanstiege des Tages
im rechten Knie...
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=mzcnwaobymihalti
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=usejmytqbwdkhknd
25.08.2010 Vierter Tag, Liffol-le-Grand – Noyers, 158,75km,
6:32h
Heute morgen Sonne. Das Frühstück könnte etwas reichlicher sein!
Start ist um 8:35, etwas frisch noch, aber ich fahre mich schnell
warm.
Das Gepäck fühle ich kaum noch. Die
Lenkertasche ist prall gefüllt: Werkzeug für alle
Fälle, ein Ersatzschlauch, Flickzeug, Gewebeklebeband (das gute
aus der Apotheke), ein kleines Taschenmesser mit Korkenzieher,
leichte Pumpe, ein Kombiwerkzeug, 13, 14 und 15 Konusschlüssel
einzeln, falls an Schaltung oder Naben etwas einzustellen ist,
dazu ein Kettentrenner und ein Zahnkranzabzieher für den seltenen
Sachs-Maillard- 5-fach Kranz.
Ausserdem hab ich vorne die Cameratasche (Sony Nex mit 4
Schraubobjektiven mit Leicagewinde von 15-75mm).
In der Kartentasche ein Solarladegerät mit Akku. Sprachführer,
Ausweis,
3(!) Netzteile
und Mobiltelefon. Regenjacke.
In der Hecktasche, an der Sattelstütze befestigt noch zwei kleine
Schraubenzieher, etwas Marschverpflegung, zweites Trikot (ohne
ärmel), zweites Paar Handschuhe (klassisch gehäkelt, ich fahre
trotzdem die moderneren Gelpad-Handschuhe lieber; meine Finger
werden nicht so taub), lange Hose, Poloshirt, zweites Paar Socken
und meine "zivilen" Schuhe (=Strandsandalen).
Die Sattelstützentasche hat noch einen Querriemen zum Sattel hin,
weil ich der Einpunkt-Befestigung nicht so recht traue. Aber ich
kann nichts negatives über die Tasche sagen: sie hat sich bewährt
und ich werde sie wieder verwenden!
Die Chaussee ist jetzt fast flach, im Nu bin ich in
Rimaucort. Ein altes Schloss,
aber ein Hotel sehe ich auf Anhieb nicht - gut dass ich gestern
abend nicht mehr weiter gefahren bin. Rein rechnerisch hatte ich
hier eine Übernachtung vorgeplant! In Andelot-Blacheville verlasse
ich die Chaussee um
Chaumont westlich
zu umgehen.
Etwas hügelig ist die kleine Strasse bis Bologne, dann eine schöne
verkehrsarme Allee durch platte Felder. Bei Villiers-le-Sec treffe
ich wieder auf die D65. Viel Verkehr, aber die Franzosen fahren
bei Radfahrern fast alle rücksichtsvoll. Wie in Deutschland ist
man in erster Linie durch engauffahrende Kolonnenfahrer gefährdet,
die damit ihre Sicht auf den rechten Fahrbahnrand verhindern. Aber
die Franzosen als geborene Individualisten neigen dazu kaum und
fahren lieber jeder für sich, wie das ja auch vernünftiger ist.
Kaum hügelige Landschaft, man kann zügig fahren. Rechterhand
kleine bewaldete Berge die etwas den Wind abhalten. So geht das
über unzählige Kilometer. In Chateauvillain, dem nächsten
Marktflecken, kaufe ich nach rund 65km Fahrt1,5l Orangensaft und
einen Trinkjoghurt.
Dann folgen 11km neue, grobe, ungewalzte Ashaltdecke die sich
übel fährt wie der
Grobschotter des Seitenstreifens nebenan. In Schotter wird sich
die Fahrbahndecke auch zurück verwandeln nach dem ersten
Frostwinter. Anstatt 28-30 kmh nur noch 19-20, das ruiniert meinen
bisherigen 27er Schnitt. Unglaublich laut laufen die Reifen der
Autos und LKWs auf dieser. Ich juble als an der Departmentsgrenze
der alte, schön glatte Flicken-Asphalt wieder auftaucht. Und auch
mein Gehör kann sich erholen, das Rad läuft wieder leiser.
Der Verkehr ist nun deutlich dünner, hauptsächlich sind Wohnmobile
und LKWs unterwegs. Eine Art Strasse der man mit Auto und Motorrad
gern über viele 100km folgt, und wo man in Frankreich auch
wirklich Strecke machen kann. Mit dem Rad nur wenn sich keine
Alternative anbietet, denn sie wirkt schnell eintönig.
In der Kleinstadt
Chatillon-sur-Seine,
102km, mache ich Pause auf einer schattigen Bank im Schlosspark.
Leider habe ich Durchfall vom frischen Orangensaft, aber ein
Klohäuschen ist nahbei. In einem Supermarkt werden Zitronenlimo
und gesalzene Nüsse besorgt und ein Teil gleich aufgefuttert.
Noyers sieht auf einmal gar nicht mehr weit aus - von dort sind es
nur noch 280km bis Blois; d.h. Ich ware auf der sicheren Seite
wenn ich's heute bis dahin schaffen kann. Aber es liegt in den
Hügeln, und erstmal muss ich's bis Ravieres schaffen...
Ich wechsle von der Auxerrer auf die Djiorner Chaussee - ziemlich
holprig! - aber in Ampily-le-Sec verlasse ich den in den letzten
zwei Tagen für 200km verfolgten Strassenzug endgültig. Letztlich
war er angenehm zu fahren: flacher, verkehrsärmer und windstiller
als während meiner Planung befürchtet. Es geht nun deutlich
weniger steil weiter, als nach der Karte zu befürchten war. Die
Hochebene ist flach wie eine Hand. Sehr kleine, weitverstreute
Bauerndörfer. Hier viel grössere, besser gebaute Gehöfte als
gestern gesehen, meistens sehr gepflegt, einige aber auch
leerstehend, verfallen oder zu verkaufen/
a vendre. Getreide- und Schafswirtschaft, soweit
man das sehen kann. An manchen Stellen wirkt die Landschaft fast
parkartig. Viel Wald. Die Landstrasse ist eigentlich ein besserer
Feldweg fast ganz ohne Verkehr.
Das
PHILIPPE läuft auf
diesen, durch geringen Unterbau oft sehr welligen Strassen
wunderbar elastisch,
komfortabel und vermittelt auch bei Abfahrten, wie bei
Nesle-et-Masult oder Verdonnet trotz nicht unerheblicher toter
Gepäcklast, für das es mit 1730g Rahmengewicht nicht gebaut ist,
ein sehr sicheres Fahrgefühl. Damit macht das Gasgeben richtig
Spass... man spürt deutlich dass sein Erbauer es genau für diese
Art Strassen vorgesehen hat!
Auch die Sonne hat sich wieder durchgesetzt und der jetzt mehr aus
Süd wehende Wind stört weniger. Ich lege also wieder an Tempo zu
und bin schneller und leichter als erwartet im Tal des idyllischen
Ravieres, 135km. Nach einer Pause geht's an die letzte Etappe.
Die Beine machen noch jede Steigung mit, nur der Puls will kaum
noch über 150 klettern, stärkere Anstrengung ist ausgeschlossen.
Aber besser als dasselbe Tempo mit 180 zu fahren... In einem
waldigen Talstück mit unklarem Bachverlauf brauche ich eine ganze
Weile um zu bemerken dass ich
bergauf
fahre, weil kein Wind mich bremst; vorher glaubte ich mit 24 kmh
leicht bergab zu fahren. Richtig fies sind noch zwei Steilstücke
bei Pasily und Censy - bei zweiten steige ich für 100m gnadenlos
ab...
das brauch ich
heute nicht mehr!
Dann kommt die Abfahrt nach Noyers - spitzenmässig, ich fliege
dahin! Schon um
17:15
erreiche ich den fast noch mittelalterlichen Ort. Da habe ich
genug Zeit mir ein Zimmer zu suchen. Schliesslich komme ich in
einem sehr familiären Hotel mit nur 5 Zimmern unter. Das Zimmer
für 50 € mit Frühstück hat nicht nur Badewanne, sogar altes
Steinpflaster als Boden. Das kenne ich sonst nur aus
Museumsdöfern... was Noyers aber auch ist. Äußerst sehenswert!
Die Wirtin ist eine alte holländische Dame die außer französisich
auch englisch und ein bißchen deutsch spricht. Ihr Freund im
gleichen Alter ist eine Art neuseeländischer Kolonialoffizier. Im
Winter verlassen sie das unbeheizbare alte Haus und ziehen auf
ihre Farm in Indien...
Ich bin froh dass ich's heute bis hierhin geschafft habe denn so
hatte ich's für den 4. Abend auch ursprünglich geplant gehabt, und
somit meinen Rückstand aus den ersten zwei Tagen gutgemacht. Ich
esse noch für ca. 20 € zu Abend und mache meinen obligatorischen
Stadtbummel...
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=zjmiofnnlbqqduqg
26.08.2010 Fünfter Tag, Noyers-Gien, 156,2km, 6:34h
Gleich vom Start weg, um 9:15, geht es hoch, Richtung Nitry. Keine
Knieschmerzen, aber ich merke die lange Strecke, die Muskeln sind
müde. Puls geht heute nicht mehr über 164, und 155 fühlen sich an
wie 170 zuhause. Die französischen Mahlzeiten sind nicht so
reichlich, und bis auf einen Trinkjoghurt bei km 65 und einen
Schokoriegel habe ich unterwegs gestern nichts gegessen. Dazu
meine Zitronenlimo wenn ich welche bekomme.
Das Frühstück ist heute etwas reichlicher als gestern. Am Tisch
hatte ich noch nette Konversation mit einem jungen
britisch-französischen Pärchen und der holländischen Wirtin mit
ihrem Freund aus Neuseeland. Jetzt kämpfe ich wieder allein gegen
Berge, Sonne und Wind. Ich wollte es ja nicht anders. Aber
erstmals scheint das Ziel in greifbarer Nähe.
In Vermenton fehlen noch 260 der 900 km - ich rufe zuhause an und
kündige meine
Ankunft in
Blois, Philippe Fahrradmanufaktur, für
morgen 17:00 an. Andrea ist schon am Packen. In
Accolay bei einem kleinen Laden 3 kleine Dosen Limo und eine Kiwi.
Das nächste schöne Stück ist das Yonne-Tal wo ich sogar Radler
sehe. Ein Stück fahre ich neben dem Canal de Nivemais, voller
Touristenboote. Der asphaltierte Begleitweg ist aber nur
stellenweise asphaltiert und somit wenig fernfahrtgeeignet.
Leider lasse ich mich vom flach aussehenden Gelände verleiten von
Surgy nach Oisy abzukürzen und
Clamency
auszulassen. Das ist die schönere Strecke, aber recht
hügelig, und so wird mitten in der Pampa meine zweite Trinkflasche
leer... Wie vorgestern Mittag rettet mich ein Dorfbrunnen.
Eau non potible, aber
geschmacklich ansprechend. So fährt es sich besser nach
Etrains-sur-Norhain.
Mit der D597- Chaussee bin ich soweit zufrieden dass ich
beschliesse auf ihr den kürzesten Weg über Bouhy nach
St.Amand-en-Puisaye zu fahren, obwohl dieser mit Sicherheit
steiler ist. Auf den Alternativstrecken rechne ich aber mit
verlorenen Höhen weil die Strassen auf der Karte etwas schnörkelig
aussehen.
Und so quäle ich mich in der glühenden Sonne die kerzengerade
Chaussee entlang, nur überholt von ein paar Schwer-LKWs. Die
letzte Steigung hinauf zum Kirchturm von Bouhy sieht man
kilometerweit vorher. Ich sagte ja schon, die Armee Napoleons
hatte genug Zugpferde. Und die Landbevölkerung war sicher über
jede gute neue Strasse froh, auch wenn man die Wagen nur noch halb
volladen durfte. Aber ich habe ja auch keine grossen Taschen
mit... überraschend für mich ist Bouhy wirklich der höchste Punkt
- mit schönem Panorama... Danach geht es bergab, und wie!!
Das Rad rauscht nur so dahin, mit 55 hinab nach Dampierre und
weiter mit 30-35 dem Loiretal, Neuvy, entgegen. Dazwischen, bei
Les Forges nochmal eine Rast vor der glühenden Sonne. Ich vertilge
den letzten einepackten Schokoriegel.
Zügig geht's weiter nach Bonny, 128 km, wo ich den ersten
Supermarkt nach einhundertundfünfzig Kilometern finde.
An einer Wiese direkt am Loire-Radweg mit einigen Anglern fresse
und trinke ich bis der Magen randvoll ist. Zum Glück kann ich es
jetzt rollen lassen...
Auch der Loiretal Radweg ist keine durchgängige Einrichtung und
ich muss bald wieder auf die N7, kann mich aber jetzt, zum ersten
Mal vom leichten Südwind schieben lassen. Briare ist ein
idyllisches, sehr belebtes Städtchen mit schöner Kathedrale,
Jachthafen und altem Schloss. Ich will aber noch weiter nach Gien.
Dort ist besonders die gewaltige Loirebrücke sehenswert. Ich muss
über diese per Rad und finde um 18:15 im Südteil der Stadt ein
einfaches Hotel das meinem bisherigen Preisniveau entspricht. Ich
mache meine abendliche Stadttour, esse beim Italiener und finde
Muscheln am Loirestrand.
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=apemaaqrzhpljjtd
27.08.2010 Sechster Tag,
Gien-Blois (Ziel), 144km, 6:20h
Um 9:05 geht's los, das Wetter ist regnerisch. Gleich zu Anfang
muss ich einen üblen Schauer in einem Bushäuschen abwarten. Dann
geht's auf in der Sonne trocknenden Nebenstrassen nach
Lion-en-Sulias und von dort auf dem Loire-Deich und Radweg. Der
landschaftlich schöne Weg durch die Flussauen führt an einem
Kraftwerk vorbei nach Sully-sur-Loire (bekanntes Schloss). Viele
Wohnmobilisten parken hier.
Wieder nördlich der Loire ist der Radweg unasphaltiert und
schlecht beschildert, teils auch über Nebenstrassen geführt.
Von Chateauneuf nach St.Denis-de-l'-Hotel Hauptstrasse; dort
wieder auf die Südseite der Loire gewechselt; und von da pwieder
guter Radweg bis Orleans. In der Südstadt fängt es wieder an zu
regnen; ich stelle mich nur kurz unter, dann scheint wieder die
Sonne. Kurze Besichtigungstour in die Altstadt und zur Kathedrale
(viel Baustellen). Bis St. Hilaire Stadtstrasse, dann wieder ein
Stück Deich-Radweg. Leider regnet es jetzt länger, und ich habe
heute schon zuviel Regenpausen gemacht und damit meinen Schnitt
ruiniert. Zwischen 17 und 18 Uhr wollte ich in Blois ankommen.
Der Loire-Radweg ist bloss Stückwerk; immer wieder muss man auf
stark befahrene Strassen ausweichen; so zur Brücke nach Meung und
Beaugency.
Bei starkem Regen habe ich nach einem Stück Grobschotterweg
zwischen ein paar Gehöften die einzige
Reifenpanne der Fahrt. Ich wechsle den Schlauch,
finde aber keine Beschädigung im Mantel (später im trocknen, beim
Flicken des Schlauchs ein winziges Loch). Irgendwie scheine ich
all meine (seltenen!) Reifenpannen bei Regen zu haben: Nässe und
Gummi, das passt anscheinend irgendwie schlecht...
Ich bin es satt und fahre bei strömendem Regen Strasse weiter,
verschmähe auch den holprigen Radrandstreifen. Bei St.
Laurent-Nouan mache ich, 20km vor dem Ziel mache ich meine letzte
Regenrast, wringe die nassen Socken aus und esse ein paar Nüsse.
Dann hört der Regen für eine Stunde auf, und ich folge ein paar
Radfahrern die den Loire-Radweg kennen (nur nach den Schildern
allein kann man ihm kaum folgen).
Trotzdem komme ich bei Muides ab, als ich sie überhole, und
versaue auf einem aufgeweichtem Sandweg Hose, Trikot und das ganze
Rad. Grrr, kurz vor dem Ziel! 5km vor Blois hört der Asphalt auf
dem Deichweg ganz auf, und man kommt wegen tiefer Gräben auch
nicht auf die Hauptstrasse zurück.
Kurz vor Blois sieht man alte Brückenpfeiler einer vermutlich im
Krieg zerstörten grösseren Eisenbahnbrücke.
Der tolle Radweg will mich über die neue Schnellstrasse in die
Nordstadt schicken, aber natürlich nehme ich die historische
Loire-Brücke und durchfahre die belebte Altstadt. Dann hinauf in
die Nordstadt zum Philippe-Werk (Gewerbegebiet). Um
17:30 nach 150km Tagesstrecke
komme ich an. Ein freundlicher flacher Backsteinbau aus den
Achtzigern mit großem Parkplatz davor.
Zwei Verkäufer dort sind sehr freundlich und trotz fehlender
Englischkenntnisse - zum Glück trifft gerade meine Frau ein um
mich abzuholen und kann übersetzen - interessiert an meinem Rad,
machen aber keine Anstalten den
Patron
anzurufen der, wie sie sagen, für die Technik aus der Zeit
seines Seniors kein besonderes Interesse hat... Die ganz alten
Räder seien alle verschrottet worden, die Unterlagen vernichtet
und meins eins der ältesten, vielleicht
das älteste erhaltene der Marke. Die im Laden
zum Verkauf stehenden sind selbstverständlich aus Carbon, noch ein
bisschen leichter als mein 35 Jahre altes Stahlrad, und kosten
2.500 € und mehr.
Im Nachgang denke ich, so ein Umgang mit der eigenen Historie kann
sich ein Hersteller hochwertiger Produkte eigentlich nicht
leisten. Aber wer kennt Philippe schon international, z.B. In
Deutschland? Andererseits: wenn man so auf Marketing verzichtet
und die Räder nur im eigenen Land verkauft darf die Qualität wohl
nicht schlecht sein, sonst wäre die Marke längst verschwunden. Es
tut mir nur leid dass mein armes Rad nun total verdreckt ist von
der Regenfahrt und dem schlechtem Loire-Radweg. Die Verkäufer
grinsen nur - sie scheinen das zu kennen! Schon wieder geht ein
Schauer hernieder. Dafür ist mein
Trikot auf dem Abschieds-Tourfoto neu und
sauber..
Einer der Angestellten zeigt mir seinen eigenen, gold lackierten
Stahlrahmen aus Columbus SLX Rohr, einige Jahre nach meinem Renner
gebaut, hochwertig verarbeitet mit Umwerfer-Anlötöse und
Campagnolo-Ausfallenden. Die Muffen sind ähnlich aber nicht ganz
identisch. Auf den ersten Blick fällt der neuere, gerade
Schriftzug auf. Dieser Rahmen sei umgelabelt auch in Deutschland
verkauft worden. Columbus SLX ist ja ein sehr guter Rohrsatz, aber
im Detail ist mein Rahmen doch hochwertiger verarbeitet, und wohl
auch 2-300g leichter. Der Verkäufer gibt mir noch zwei
Steuerkopf-Batches aus dieser Zeit mit, glaubt aber auch dass mein
Rad original keins hatte.
So endet der Regentag, und meine Fahrt nach 920km in fünfeinhalb
Tagen. Töchterchen ist froh Papa gesund wieder zu haben, wir
finden ein kleines charmantes Hotel nahe dem Schloss, gehen in der
Altstadt gemütlich abendessen, und hören noch bei einem Strassen-
Blueskonzert zu, wo man richtig auf der Strasse tanzen kann. Am
nächsten Tag fahren wir weiter zu
Ferien ans Meer --- wo ich das Phillipe gleich am
ersten Tag gründlich reinige und unbeschwert vom Fernreisegepäck
ein paar schöne Fahrten (etwa 350-400km) durch die Bretagne
mache...
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=meguabssnbbafyzc
__________________